Wie kann sich ein kleines neutrales Land wie die Schweiz bei all dem einbringen?
Die Schweiz war bisher erstaunlich erfolgreich darin, sich von fast all diesen negativen Entwicklungen abzuschirmen. Auch das Nein zum EWR 1992 hat ihr – entgegen allen Erwartungen – letztlich nicht wirklich geschadet. Die föderale politische Organisation mit den Kantonen könnte aus meiner Sicht sogar ein Vorbild für Europa sein. Ich halte eine lose Staatenkonföderation innerhalb der EU für wesentlich vielversprechender als die Vereinigten Staaten von Europa. Es sorgt für Stabilität, wenn man es den Leuten erlaubt, Entscheide auf einer lokalen und regionalen Ebene selbst zu treffen. Die grösste Herausforderung der Schweiz wird darin bestehen, ihre Währung so zu managen, dass die Exportwirtschaft nicht leidet. Aber auch das scheint bisher nicht schlecht zu gelingen.
Wie sehr sorgen Sie sich um das politische Klima in den USA? Dort stehen sich zwei unversöhnliche Lager gegenüber, die kaum noch miteinander reden können.
Ich bin sehr besorgt und fürchte, die Dinge müssen noch schlechter werden, bevor sie sich bessern können. Die US-Gesellschaft ist zutiefst polarisiert, und Globalisierung, Digitalisierung und künstliche Intelligenz werden in den kommenden zehn, 15 Jahren die Wirtschaft weiter stark verändern – und noch mehr verzweifelte Menschen hinterlassen, die für politische Demagogen wie Trump empfänglich sind. Zum Beispiel wird es wohl bis 2030 keine Lastwagenfahrer mehr brauchen, diese Arbeit, die bisher ein anständiges, stabiles Leben in der unteren Mittelklasse ermöglichte, wird automatisiert sein. Was machen wir mit all diesen Leuten? Wie können sie weiterhin ein gutes Leben führen? Das sind grosse Fragen, und unser politisches System ist derzeit nicht sehr gut darin, auf solche Fragen Antworten zu finden, weil es so zerstritten ist.
Trumps Wahl mag ein Betriebsunfall gewesen sein. Aber die Republikanische Partei scheint die Fähigkeit verloren zu haben zu regieren. Was ist da los?
Das hat auch damit zu tun, dass die Republikaner ein populistisches Monster geschaffen haben, das sie nun nicht mehr kontrollieren können. Teile der Partei sind derart radikal, dass mit ihnen keine konstruktiven Lösungen zu machen sind – und somit fehlen den Republikanern die Mehrheiten. Die Moderaten, die noch vor 20 Jahren dominierten, haben kaum mehr Einfluss.
Gibt es sie überhaupt noch?
Vereinzelt. Aber so, wie die Partei heute aussieht, ist es durchaus vorstellbar, dass sie irgendwann auseinanderbricht. Bei den Demokraten ist die Lage übrigens nicht so viel besser, auch dort herrschen Uneinigkeit und Chaos. Das Beste, was uns passieren könnte, wäre wohl eine Art amerikanischer Macron, der die bestehende Parteienlandschaft umpflügt und mit einem pragmatischen Mittekurs etwas Neues startet. Es gibt durchaus ein paar jüngere Politiker, denen ich so etwas zutrauen würde, etwa Ben Sasse, den moderaten republikanischen Senator von Nebraska. Wenn er ins Präsidentschaftsrennen steigen würde, wäre er ein interessanter Kandidat. Und wer weiss: Vielleicht findet als Reaktion auf Trumps Exzesse eine neue Generation junger, engagierter, qualifizierter Leute in die Politik.