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Klimawandel

Das Wohlergehen der Menschheit steht auf dem Spiel

Die Botschaft des ETH-Klimaforschers Andreas Fischlin ist unmissverständlich: Wir müssen den CO₂-Ausstoss sofort und drastisch reduzieren, wenn wir nicht den Untergang unserer Zivilisation riskieren wollen. Auch die Schweiz ist stark gefährdet – und könnte durchaus mehr machen.

Text Ralf Kaminski, Sabine Lüthi
Fotos Michael Sieber
Datum
Andreas Fischlin ist überzeugt: Viel Zeit bleibt uns nicht, die Katastrophe abzuwenden.

Andreas Fischlin ist überzeugt: Viel Zeit bleibt uns nicht, die Katastrophe abzuwenden.

Andreas Fischlin, wie besorgt sind Sie?

Sehr. Der letzte Klimabericht scheint bisher wenig bewirkt zu haben, viele gehen bereits wieder zur Tagesordnung über. Dabei kann ich mich manchmal des Gedankens nicht erwehren, dass der Bundesrat eigentlich genügend Gründe hätte, den Notstand auszurufen. Aber diese Dringlichkeit wird leider kaum verstanden.

Die Apokalypse steht bevor?

Nicht unmittelbar, aber wir müssen jetzt dringend vorausschauend handeln, wenn wir Schlimmes abwenden wollen. 

Sind unsere demokratischen Prozesse zu kompliziert für schnelles Handeln?

Ich glaube an die Demokratie. Aber einige Experten zweifeln, dass unsere westlichen Demokratien dieser Herausforderung gewachsen sind. Während China diskussionslos Tausende von Windrädern und auf riesigen Flächen Sonnenkollektoren installiert, verhandeln wir hier noch immer, wie genau wir das CO₂-Gesetz ausgestalten sollen.

Screenshot MM 3.12.2018

Dieser Artikel stammt aus dem Migros-Magazin vom 3. Dezember 2018 (Nr. 49)

Was müssen wir tun?

Der letzte Bericht des Weltklimarats war unmissverständlich: Wenn wir das in Paris 2015 gesetzte Ziel erreichen wollen, müssen wir eine historisch noch nie dagewesene Veränderung unserer Gesellschaft und unseres Lebensstils erreichen. Konkret müssen wir den globalen CO₂-Ausstoss bis 2050 netto auf null bringen. Nur so können wir den Temperaturanstieg gegenüber der vorindustriellen Zeit auf 1,5 Grad begrenzen. Und auf eine Begrenzung mindestens deutlich unter 2 Grad haben sich sämtliche Regierungen der Welt in Paris verpflichtet, auch die USA. Als Rechtsstaat muss sie diese Verpflichtungen einhalten, ob sich Donald Trump dazu bekennt oder nicht. Fast zwei Drittel der Amerikaner wünscht sich, dass die USA nicht austritt.

Andreas Fischlin, Biologe und Klimaexperte

Biologe und Klimaexperte

Andreas Fischlin (69) ist Umweltwissenschaftler, emeritierter ETH-Professor für Systemökologie und noch bis 2022 Vizepräsident der Arbeitsgruppe für Klimafolgen und -anpassung im Weltklimarat (IPCC) . Zudem ist er leidenschaftlicher Musiker; bis vor Kurzem war er Bassist in einer Rockband und einst Mitbegründer der Band Terrible Noise, aus der 1975 Krokus entstanden ist. Fischlin ist verheiratet, hat zwei erwachsene Kinder und lebt in Zürich.

Aber vielleicht ist diese Diskussion um 1,5 oder 2 Grad vielen Leuten zu abstrakt?

Es ist eigentlich ganz einfach: Bis 2050 muss die Welt ihr ganzes Energiesystem umstellen – weg von Kohle, Erdöl und Erdgas, hin zu Wasserkraft, Sonne, Wind und Geothermie. Das heisst etwa, dass man in Neubauten keine Ölheizungen mehr einbaut. In der Schweiz wird derzeit über ein entsprechendes Verbot diskutiert – je schneller es kommt, desto besser. Ausserdem sollten moderne Häuser auch Energie produzieren: Jede Wohnüberbauung müsste eine Fotovoltaikanlage auf dem Dach haben.

Die Schweizer Demokratie ist also doch zu langsam?

Ich finde, dass der Bundesrat sein Bestes tut. Er versucht, die Übereinkunft von Paris umzusetzen, die das Parlament nun auch ratifiziert hat. Leider sind sich noch nicht alle Parteien der Dringlichkeit der Lage bewusst: Es gibt Stimmen, besonders unter den bürgerlichen Parteien, die sie herunterspielen. Doch wer das tut – und das gilt auch für die Erdölvereinigung und andere Teile der Wirtschaft –, handelt unethisch. Wir können uns heutzutage nicht mehr herausreden, denn dank der Wissenschaft wissen wir, was wir mit dem Treibhausgasausstoss anrichten.

Warum reden sich trotzdem viele heraus?

In Diskussionen sagen Vertreter dieser Interessengruppen häufig: «Selbstverständlich, sobald die Leute das wollen, werden wir umstellen.» Deshalb ist es so wichtig, dass die breite Bevölkerung den Ernst der Lage versteht, diese Umstellung fordert und selbst entsprechend handelt, wählt und abstimmt. Das Wohlergehen der Menschheit steht auf dem Spiel. Läuft es so langsam wie bisher, graut es mir bei der Vorstellung, wie es meinen Kindern und Enkeln ergehen wird, wenn sie mal so alt sind wie ich.

Wie schlimm kann es werden?

Der steigende Meeresspiegel wird viele Küsten unbewohnbar machen und Millionenstädte gefährden. Schon jetzt will keine Versicherung mehr Londons Innenstadt versichern, die nur ein Meter über dem Meeresspiegel liegt. Es wird mehr Unwetter geben, mehr Wassermangel, ganze Landstriche werden unbewohnbar sein. Selbst im Wasserschloss Schweiz werden wir Probleme bekommen, wenn wir nicht rechtzeitig neue Stauseen anlegen, welche die Funktion der Gletscher übernehmen. Es wird neue Krankheitserreger und Schädlinge geben. Millionen Menschen werden entwurzelt, was zu gewaltigen Flüchtlingsströmen führen wird, zu einer regelrechten Völkerwanderung. Soziale Unruhen werden unzählige Gesellschaften destabilisieren, womit das Kriegsrisiko steigt. Kurz: Ich fürchte, die humane Zivilisation, wie wir sie heute kennen, wird zusammenbrechen. Einstein sagte: «Ich weiss nicht, wie der dritte Weltkrieg gefochten wird, der vierte aber mit Stock und Stein.» Die Menschheit wird nicht aussterben, aber sehr lebenswert wird das Leben für die Verbleibenden nicht sein.

Übertreiben Sie da nicht ein bisschen?

Nein, wenn es uns nicht gelingt, den Klimawandel zu stoppen, dann sehe ich schwarz.

Dieses Jahr gab es einen heissen, viel zu trockenen Sommer in der Schweiz, Feuer in Kalifornien, Unwetter in Italien. Ein Vorgeschmack auf das, was noch kommt?

Richtig, und bisher ist die Temperatur gegenüber der vorindustriellen Zeit erst um ein Grad gestiegen. Bis zum Jahrhundertende werden es gegen fünf Grad sein, wenn wir so wenig unternehmen wie bisher. Wir haben heute eine CO₂-Konzentration in der Atmosphäre, wie wir sie zuletzt vor vier Millionen Jahren hatten – schon das reicht für ein eisfreies Grönland, nicht heute oder morgen, aber vielleicht in tausend Jahren. Das führt zu einem Anstieg des Meeresspiegels um fast sieben Meter. An diesem Punkt sind wir also schon jetzt. Und wenn wir nichts unternehmen, wird die CO₂-Konzentration Ende dieses Jahrhunderts so sein wie letztmals vor 40 Millionen Jahren. Das entspricht einem Zustand der Erde als sich der antarktische Eisschild zu bilden begann. Setzt sich der Klimawandel weiter fort, steuern wir auf einen Zustand wie im Erdmittelalter zu, als im Schweizer Mittelland lediglich Kakteen wuchsen – eine für uns Menschen unbewohnbare Erde. Erschwerend hinzu kommt die Unumkehrbarkeit jeglicher Erwärmung.

Was heisst das?

Die meisten Leute denken, wir hätten noch Zeit. Sie glauben, wir könnten auch noch etwas tun, wenn uns das Wasser schon bis zum Hals steht. Aber das ist nicht so. Selbst wenn wir morgen weltweit den CO₂-Ausstoss stoppen, sinkt die globale Temperatur nicht – sie steigt bloss nicht mehr. Aber für mindestens 1000 Jahre würde das Klima so bleiben, wie es jetzt ist. Und wenn wir erst bei einem Temperaturanstieg von fünf Grad aufhören, CO₂ auszustossen, bleibt das dann herrschende, vermutlich katastrophale Klima ebenfalls für lange Zeit bestehen. Nur wenn es uns gelänge, darüber hinaus noch CO₂ aus der Atmosphäre zu entfernen und zum Beispiel im Boden einzulagern, würde sich die Lage wieder verbessern. Aber uns fehlen die Mittel, um dies mit solch riesigen Mengen zu bewerkstelligen.Beim heutigen Stand der Technologien ist bloss der BECCS-Ansatz (Bio-Energy Carbon Capture and Storage) genügend vielversprechend: Dabei wird das CO₂ beim Verbrennen von Holz aus nachhaltiger Waldwirtschaft abgefangen und auf Dauer im Untergrund eingelagert. Bei einer Erwärmung von fünf Grad werden die CO₂-Mengen aber derart gross, dass es mehr Waldflächen dazu bräuchte, als uns auf der Erde zur Verfügung stehen.

Was kann man von der laufenden Klimakonferenz in Polen erwarten?

In Paris wurde beschlossen, dieses Jahr eine erste Bestandsaufnahme vorzunehmen, wie die 2015 gefassten Ziele zu erreichen sind. Was die Länder damals an Massnahmen zugesagt haben, reicht ja nicht, um die Erwärmung auf deutlich unter zwei Grad zu halten. Es würden wohl eher 3,5 Grad werden. Aber einen grossen Durchbruch erwarte ich nicht, denn diese Konferenzen bewegen sich in kleinen, harzigen Schritten. Was die langfristige Entwicklung betrifft, bin ich aber zuversichtlich; ich erwarte, dass die grosse Mehrheit der Nationen dafür sorgen wird, dass wir vorwärtskommen. Auch wenn es jetzt schon in vielerlei Hinsicht spät ist, bin ich der Meinung, dass jedes halbe Grad den enormen Aufwand wert ist, der dafür betrieben wird. 

Ist die Schweiz bei der Umsetzung der Pariser Ziele auf guten Wegen?

Sie tut einiges, aber ein Musterknabe ist sie nicht. Zum Glück haben wir Berge und dank Wasserkraft viel erneuerbare Energie. Ansonsten würden wir nicht sonderlich gut dastehen – etwa im Vergleich zu Norwegen, das schon 2030 landesweit CO₂-neutral sein will. Laut unserem CO₂-Gesetz sollten wir die Emissionen bis 2020 bereits um 20 Prozent reduziert haben. Das schaffen wir nicht – wir schaffen vielleicht die Hälfte. Und gemäss unserem eigenen Gesetz sollten wir dies allein im Inland erreichen. Um unsere internationalen Verpflichtungen gemäss Kyoto-Protokoll einzuhalten, müssen wir auch weiterhin im Ausland Zertifikate kaufen.

Überall schmilz das Eis: «Die Schweizer Gletscher sind schon jetzt nicht mehr zu retten», sagt Andreas Fischlin.

Überall schmilz das Eis: «Die Schweizer Gletscher sind schon jetzt nicht mehr zu retten», sagt Andreas Fischlin.

Die «Gletscherinitiative», die der Umweltaktivist Marcel Hänggi nächstes Jahr lancieren will, ist also ein Schritt in die richtige Richtung?

Ja. Sie fordert, dass in der Schweiz ab 2050 keine fossilen Energieträger mehr verbrannt werden dürfen. Genau dazu haben wir uns in Paris verpflichtet. Die Gletscher wird das allerdings nicht retten. 

Die sind schon jetzt verloren?

Ja. Nur bei hoch gelegenen oder grossen Gletschern wie dem Aletsch wird es ganz oben ein paar kümmerliche Überbleibsel geben. Der Rest ist leider dem Untergang geweiht. 

Braucht es andere finanzielle Anreize?

Ja, unbedingt. Die Sonne liefert jedes Jahr rund das 10 000-Fache der Energie, die wir global benötigen. Da müssen wir ansetzen und die Nutzung erneuerbarer Energien fördern, wo wir nur können. Die Verwendung fossiler Energieträger wird ja immer noch stark subventioniert – laut Schätzungen mit rund 600 Milliarden Franken pro Jahr. Erneuerbare Energien hingegen werden bloss mit etwa 200 Milliarden gefördert. Derweil bei uns gefordert wird, auf keinen Fall die Marktkräfte zu verzerren und die Förderung von alternativen Energien sofort einzustellen. Die Förderung fossiler Brennstoffe kommt dabei in vielerlei Gestalt daher, etwa wenn man in der Steuererklärung den Gebrauch eines Autos abziehen darf. Hier könnte man ansetzen, indem einen Abzug nur noch für Elektroautos ermöglicht.

Es gibt noch immer Leute, die den Klimawandel für ein Hirngespinst halten ...

Das ist aber nur noch eine kleine Minderheit. Selbst in den USA zweifeln nur noch 6,3 Prozent der Bevölkerung. Leider er­halten diese Leute von den Medien eine übertriebene Aufmerksamkeit, aber wir dürfen uns von diesen Zweiflern nicht ins Bockshorn jagen lassen. Es gibt eigentlich keine ernstzunehmenden Wissenschaftler, die eine solche Position vertreten. Und während die Republikanische Partei in den USA sich in dieser Frage völlig verrannt hat, besteht in Europa zum Glück immer noch eine gewisse Sachlichkeit.

Aber auch hier glauben viele, dass die Menschheit für den Klimawandel nicht verantwortlich ist – oder dass man ohnehin nichts mehr tun kann, um die Katastrophe zu verhindern.

Leider. Die Wahrscheinlichkeit, dass der Mensch für den beobachteten Klimawandel nicht verantwortlich ist, wird vom Weltklimarat bloss noch auf 1 bis 5 Prozent geschätzt. Da nicht gemäss Vorsorgeprinzip zu handeln, erscheint mir verantwortungslos. Ich schliesse ja eine Brandversicherung auch nicht bloss dann ab, wenn ich zu hundert Prozent sicher bin, dass mein Haus abbrennen wird. Und dass ohnehin alles verloren sei, ist eine Position, die nicht nur geradezu suizidal ist, sondern ignoriert, dass wirklich jedes bisschen hilft. Denn das Klima ändert sich zum Glück nur allmählich. Zudem sind wir zwar alle Teil des Problems, damit jedoch auch alle Teil der Lösung. Zugegeben, die Herausforderung ist gross. Und nur wenn wir alle das Problem gemeinsam angehen, können wir es auch lösen. 

Zum Beispiel, indem man diesen Winter nicht auf die Seychellen in die Ferien fliegt?

Fliegen ist weit weniger wichtig, als viele meinen. Wissen Sie, wie viel es zum globalen CO₂-Ausstoss beiträgt? Raten Sie.

Acht Prozent?

Gar nicht schlecht, ich höre immer wieder, es seien 50 oder mehr. Zurzeit sind es zwei Prozent, mit einer Tendenz Richtung drei. Verstehen Sie mich richtig: Wenn man schnell zum Shoppen für ein Wochenende nach Dubai fliegt, ist das obszön. Aber wenn man ab und zu in die Ferien fliegt und den CO₂-Ausstoss kompensiert, könnte die Erde das vermutlich verkraften. Heute ist Kompensieren sehr einfach, etwa beim ETH-Spin-off MyClimate. Ich muss in meiner jetzigen Tätigkeit leider viel fliegen, kompensiere aber alles: Das Geld, das ich zusätzlich zahle, fliesst in Klimaschutzprojekte, etwa Aufforstungen oder technische Weiterentwicklungen. Ich versuche generell, meinen CO₂-Ausstoss zu minimieren – einzig auf die Gasheizung in unserer Mietwohnung habe ich leider kaum Einfluss.

Was kann jeder Einzelne noch tun?

Wählen Sie die klimafreundlichen Politiker in Ihrer Partei und stimmen Sie für die CO₂-armen Vorlagen. Berücksichtigen Sie bei jeder Anschaffung – ob Haus, Auto, Kühlschrank oder Lebensmittel – die Klimawirkung. Es gibt bei allem CO₂-arme oder -freie Alternativen. Installieren Sie in Neubauten keine fossile Heizung, ersetzen Sie beim Renovieren die Ölheizung durch erneuerbare Energien. Kaufen Sie Nahrungsmittel aus der Region. Wichtig wäre auch, dass Lebensmittel wie Erdbeeren aus Übersee transparent deklariert und nur mit einem zusätzlichen Kompensationsbeitrag erhältlich sind – und entsprechend teuer. Überhaupt sollte man in jedem Bereich viel bewusster konsumieren, weniger verschwenden; so kann man gut sparen, ohne sich einzuschränken. Das gilt auch fürs Fliegen und Autofahren. Eigentlich sollte man gar kein Flugticket kaufen können, ohne dass der Kompensationsbeitrag reingerechnet ist.

Aber bewirke ich als Einzelperson damit wirklich etwas?

Ja, vorausgesetzt andere ziehen mit. Aber dazu müssen Sie eben auchhandeln. Wichtig ist allerdings, den Einzelnen nicht zu überfordern. Die gesetzten Ziele lassen sich letztlich nur gemeinsam erreichen und benötigen dazu geeignete politische Rahmenbedingungen. Gemeinde, Kantone, der Bund und die internationale Ländergemeinschaft müssen Anreize zu einem CO2-armen Handeln schaffen.

Und das geht alles, ohne unseren Wohlstand aufs Spiel zu setzen?

Ja. Wir werden künftig weder kalt duschen noch uns in Höhlenbewohner zurückverwandeln müssen. Wenn wir auf erneuerbare Energien umstellen, können wir unseren heutigen Wohlstand problemlos erhalten. Aufs Spiel setzen wir ihn eher, wenn wir der Klimaerwärmung weiter tatenlos zuschauen. Uns in den reichen Ländern fällt die Umstellung vielleicht schwerer, weil wir uns so sehr an die bestehende Infrastruktur gewöhnt haben. Da haben es Entwicklungsländer teilweise leichter, die solche Strukturen erst noch aufbauen: Sie können es gleich von Anfang an richtig machen.

Weniger Kinder kriegen würde auch helfen, nicht?

Kommt darauf an, wo. In den Industrieländern haben Kinder einen viel grösseren ökologischen Fussabdruck als in den Entwicklungsländern. Deshalb ist es auch fragwürdig, von hier aus unbedacht auf jene Länder zu zeigen, wo Familien noch immer fünf oder mehr Kinder haben. Alles in allem ist die globale Bevölkerungsentwicklung zum Glück auf relativ guten Wegen, mit Ausnahme des afrikanischen Kontinents.

Einige Ihrer Berufskollegen gehen weiter und fordern eine Umstellung unseres gesamten Wirtschaftssystems – eine Abkehr von der Ideologie des Wachstums.

Das ist nicht mein Fachgebiet. Was ich aber sagen kann: Unser jetziges Wirtschaftssystem war bisher offensichtlich nicht in der Lage, das Klimaproblem zu lösen. Wir haben es wohl mit einem Marktversagen zu tun. Trotzdem gibt es noch immer Stimmen aus Politik und Wirtschaft, die behaupten, es komme dann schon von selbst gut. Aber das wird es nicht. Unsere Studienergebnisse sind eindeutig: Es braucht staatliche Eingriffe, Regulierungen und Anreize, es braucht Abgaben und Steuern. Gemäss dem Verursacherprinzip sollte jeder für das bezahlen, was er anrichtet. Sonst wird der Schaden in unfairer Weise der Allgemeinheit aufgebürdet.

Und doch wehren sich gewisse Parteien und Unternehmen mit Händen und Füssen gegen all das: Es koste zu viel.

Leider ein weit verbreiteter Irrtum, der den wissenschaftlichen Erkenntnissen widerspricht. Kollegen an der ETH Zürich und Lausanne haben zum Beispiel für die Schweiz abgeschätzt, wie sich ein ambitionierter Klimaschutz auf das jährliche Wirtschaftswachstum auswirken würde. Es sind Beträge, die unter Berücksichtigung der üblichen wirtschaftlichen Schwankungen unterhalb der Nachweisgrenze liegen. Laut Weltklimarat liegen die Kosten dafür bei maximal 0,06 Prozent des durchschnittlichen jährlichen Wirtschaftswachstums. Trotz aller gegenteiligen Behauptungen scheint mir der notwendige Wandel also durchaus finanzierbar zu sein. 

Weshalb dann dieser Widerstand?

Aus ungerechtfertigter Angst vor Verlusten oder grundsätzlich ideologischen Gründen, fürchte ich. Manchmal auch aus Profitgier, obschon sich mit erneuerbaren Energien auf Dauer wohl mehr Gewinn erzielen liesse.

Auch in der Schweiz wird es immer wärmer – sogar stärker als im globalen Schnitt.

Auch in der Schweiz wird es immer wärmer – sogar stärker als im globalen Schnitt. Während sich die Erde insgesamt gegenüber vorindustriellen Verhältnissen um ungefähr 1 °C erwärmt hat, betrug die Erwärmung in der Schweiz im selben Zeitraum das Doppelte, also rund 2 °C. Die Infografik zeigt für jedes Jahr die Abweichung von der Durchschnittstemperatur in den Jahren 1961 bis 1990 (seit Messbeginn 1864). Quelle: Meteo Schweiz. 
 Die Grafiken grösser ansehen (1200 x 800 px, JPG)

Wie bewahren Sie Gelassenheit gegenüber solchen Leuten? Immerhin setzen die aus Eigennutz das Wohlergehen der gesamten Menschheit aufs Spiel.

Ich bin diese Argumente seit Jahren gewohnt. Und in Krisensituationen sollte man einen kühlen Kopf bewahren. Wichtig ist, dass wir als Wissenschaftler zu Lösungen beitragen, indem wir in unserer eigenen Arbeit immer besser und genauer werden. 

Zum Ausgleich spielen Sie Bass in einer Rockband …

Nicht mehr, leider. Unser Gitarrist ist vor Kurzem gestorben. Und so haben wir beschlossen, die Band aufzulösen. Aber ich kann ohne Musik nicht leben und bin nun auf der Suche nach einem neuen Projekt. 

Im Weltklimarat sind Sie noch bis 2022. Ist danach Schluss?

Ja, definitiv. Dann bin ich 72 und will nur noch mein Privatleben geniessen.

Migros-Massnahmen fürs Klima

Die Treibhausgasemissionen im genossenschaftlichen Detailhandel reduzierten sich zwischen 2010 und 2017 um 21,2 Prozent. Verantwortlich dafür sind hauptsächlich der Einsatz von LED-Beleuchtung, CO2-Kälteanlagen mit Abwärmenutzung und Optimierungen bei der Gebäudetechnik in den Filialen.

Insgesamt 280 Fotovoltaikanlagen besass die Migros-Gruppe Ende 2017. Sie produzieren 26 960 Megawattstunden Strom pro Jahr, was einem Verbrauch von 8990 Durchschnittshaushalten entspricht. 

Die Migros-Filiale in Zuzwil SG ist der erste Supermarkt in der Schweiz, der seinen gesamten Energiebedarf selbst deckt und sogar noch Strom ins Netz einspeist. 

Im Detailhandel ist die Migros bezüglich Umsatz die Nummer eins im Schienengüterverkehr in der Schweiz.

Bis Ende 2019 wird die Migros ihr Netz an Parkplätzen mit Elektro-Tankstellen auf 200 erweitern. Bereits heute bietet die Migros von allen Schweizer Detailhändlern am meisten öffentlich zugängliche Ladestationen für Elektroautos an.

Die Genossenschaft Migros Zürich hat 2017 und 2018 je einen elektrischen 12-Tonnen-LKW in Betrieb genommen und damit einen ersten Schritt in Richtung neuer Antriebstechnologien gemacht.

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