Warum reden sich trotzdem viele heraus?
In Diskussionen sagen Vertreter dieser Interessengruppen häufig: «Selbstverständlich, sobald die Leute das wollen, werden wir umstellen.» Deshalb ist es so wichtig, dass die breite Bevölkerung den Ernst der Lage versteht, diese Umstellung fordert und selbst entsprechend handelt, wählt und abstimmt. Das Wohlergehen der Menschheit steht auf dem Spiel. Läuft es so langsam wie bisher, graut es mir bei der Vorstellung, wie es meinen Kindern und Enkeln ergehen wird, wenn sie mal so alt sind wie ich.
Wie schlimm kann es werden?
Der steigende Meeresspiegel wird viele Küsten unbewohnbar machen und Millionenstädte gefährden. Schon jetzt will keine Versicherung mehr Londons Innenstadt versichern, die nur ein Meter über dem Meeresspiegel liegt. Es wird mehr Unwetter geben, mehr Wassermangel, ganze Landstriche werden unbewohnbar sein. Selbst im Wasserschloss Schweiz werden wir Probleme bekommen, wenn wir nicht rechtzeitig neue Stauseen anlegen, welche die Funktion der Gletscher übernehmen. Es wird neue Krankheitserreger und Schädlinge geben. Millionen Menschen werden entwurzelt, was zu gewaltigen Flüchtlingsströmen führen wird, zu einer regelrechten Völkerwanderung. Soziale Unruhen werden unzählige Gesellschaften destabilisieren, womit das Kriegsrisiko steigt. Kurz: Ich fürchte, die humane Zivilisation, wie wir sie heute kennen, wird zusammenbrechen. Einstein sagte: «Ich weiss nicht, wie der dritte Weltkrieg gefochten wird, der vierte aber mit Stock und Stein.» Die Menschheit wird nicht aussterben, aber sehr lebenswert wird das Leben für die Verbleibenden nicht sein.
Übertreiben Sie da nicht ein bisschen?
Nein, wenn es uns nicht gelingt, den Klimawandel zu stoppen, dann sehe ich schwarz.
Dieses Jahr gab es einen heissen, viel zu trockenen Sommer in der Schweiz, Feuer in Kalifornien, Unwetter in Italien. Ein Vorgeschmack auf das, was noch kommt?
Richtig, und bisher ist die Temperatur gegenüber der vorindustriellen Zeit erst um ein Grad gestiegen. Bis zum Jahrhundertende werden es gegen fünf Grad sein, wenn wir so wenig unternehmen wie bisher. Wir haben heute eine CO₂-Konzentration in der Atmosphäre, wie wir sie zuletzt vor vier Millionen Jahren hatten – schon das reicht für ein eisfreies Grönland, nicht heute oder morgen, aber vielleicht in tausend Jahren. Das führt zu einem Anstieg des Meeresspiegels um fast sieben Meter. An diesem Punkt sind wir also schon jetzt. Und wenn wir nichts unternehmen, wird die CO₂-Konzentration Ende dieses Jahrhunderts so sein wie letztmals vor 40 Millionen Jahren. Das entspricht einem Zustand der Erde als sich der antarktische Eisschild zu bilden begann. Setzt sich der Klimawandel weiter fort, steuern wir auf einen Zustand wie im Erdmittelalter zu, als im Schweizer Mittelland lediglich Kakteen wuchsen – eine für uns Menschen unbewohnbare Erde. Erschwerend hinzu kommt die Unumkehrbarkeit jeglicher Erwärmung.