Wo entsteht das grösste Tierleid: bei der Jagd, der Forschung, der Zoohaltung oder der industriellen Lebensmittelherstellung?
Ganz klar bei letzterem. Dort ist das Leid auch völlig akzeptiert. Dabei liegt etwa in Deutschland, wo viel geschlachtet wird, die Fehlerquote bei der Betäubung bei etwa fünf Prozent. Das heisst Hundertausende der etwa 55 Millionen geschlachteten Schweine pro Jahr sind dabei nicht richtig betäubt. Schwein zu sein in Deutschland, das ist die Hölle. Und nicht wenige Schweizerinnen und Schweizer kaufen dort Fleisch ein, weil es noch billiger ist als bei uns.
Ist es noch umstritten, ob und wie viel Schmerz ein Tier fühlt?
Alle Wirbeltiere spüren Schmerz, von der Forelle bis zum Menschen. Umstritten ist, wie schlimm sie diesen Schmerz erleben. Einige scheinen sich bei Verletzungen überraschend schnell zu erholen, vor allem Fische.
Empfinden Tiere Angst? Ahnen sie im Lastwagen auf dem Weg zur Schlachtbank, dass etwas Schlimmes passieren wird?
Stellen Sie sich vor, Sie werden mit ganz vielen Leuten in einem stinkenden, überhitzten Wagen stundenlang irgendwohin gekarrt – da ahnen Sie wohl schon, dass am Ziel dieser Reise nichts Gutes wartet. Ob das Kühe oder Schweine genauso ahnen, wissen wir nicht. Bestimmt verspüren sie Angst, aber sie ist zeitlich limitierter als unsere; sie richtet sich nicht so weit in die Zukunft.
In Basel forderte eine Initiative Grundrechte für Menschenaffen. Würde das etwas bringen?
Oh ja. Allerdings widersprach die Initiative dem nationalen Recht, weshalb sie für ungültig erklärt wurde, was derzeit angefochten wird. Laut heutigem Recht gilt, dass Tiere keine subjektiven Rechtsträger sein können. Sie haben zwar gewisse Rechte, können diese aber nicht selbst einfordern. Genau das wollte die Initiative allen Affen vom Zwergmaki bis zum Orang-Utan zugestehen.
Saskia Stucki, eine Schweizer Juristin, die in Harvard forscht, fordert Grundrechte für alle Tiere – ähnlich wie bei den Menschenrechten.
Für Wirbeltiere, nicht für alle Tiere. Ich finde das völlig richtig. Sie hätten dann das Recht auf körperliche Unversehrtheit und dürften nicht getötet werden. Das würde bedeuten, dass wir uns nicht mehr von den Produkten dieser Tiere ernähren könnten. Es blieben künstliches Fleisch, Insekten sowie Fleisch von Tieren, die eines natürlichen Todes starben. Aber eigentlich brauchen wir tierisches Protein gar nicht, es gibt ausgezeichnetes pflanzliches Protein.