Gibt es ein weiteres Beispiel für Modernisierungen?
«Jim Knopf»: Das Buch hat Michael Ende Ende der 50er-Jahre geschrieben, damals war die Friedenserziehung in der deutschen Kinderliteratur das grosse Thema, so auch hier. Jim Knopf selbst ist schwarz, wird als Waisenkind in Lummerland aufgenommen, reist durch die Welt, trifft auf Chinesen – die Botschaft der friedlichen Koexistenz ist unübersehbar. Später kamen dann politisch «korrektere» Zeiten, man monierte Endes Sprache («Negerkind») und gewisse Stereotypisierungen, etwa bei den Chinesen. Dem Buch wurde gar Rassismus vorgeworfen, was ich etwas unfair fand, denn es ist halt in einer anderen Zeit entstanden. Sehr schön kann man die Modernisierungen an den beiden Versionen der Augsburger Puppenkiste sehen, die erste von 1961 war noch schwarz-weiss, die zweite von 1976 dann in Farbe. Dort haben sie bereits Pommes frites mit Ketchup gegessen, die es weder im Buch noch in der Schwarz-weiss-Version gab. Danach verschwand die Geschichte für eine Weile, und als sie in Form einer TV-Animationsserie 1999 wieder auftauchte, hatte bei den Motiven eine ziemliche Komplexitätsreduktion stattgefunden. Im Roman ging es auch um Logik und Philosophie, nicht nur beim Scheinriesen, einem Riesen, der immer kleiner wird, je näher man ihm kommt. Davon war nicht mehr viel übrig, der Fokus lag auf Handlung und Spannung.
Und Jim Knopf wurde vom typischen 50er-Jahre- zum 90er-Jahre-Kind?
Es ist eine Mischung, ein bisschen muss der alte Kern schon erkennbar sein. Aber im neuen Film hat Jim dann bestimmt ein Smartphone. (lacht)
Es gibt auch Figuren, die verschwunden sind, zum Beispiel Pan Tau. Weshalb hat der stumme Tscheche mit dem magischen Hut den Sprung in die heutige Zeit nicht geschafft?
«Pan Tau» gehört in die Tradition der tschechischen Märchenfilme. Und dort wird gern mit allen möglichen Themen gespielt, die bunt durcheinandergewürfelt werden, oft haben die Geschichten Brüche. Für Kinder ist das alles vermutlich weniger interessant als für Leute, die Spass an postmodernen, intellektuellen Spielereien haben – ich kann mich erinnern, dass ich das damals mit Studienkollegen geguckt und grossartig gefunden habe. Es geht zwar um die Sicht des Kindes auf die Erwachsenenwelt, aber Pan Tau bietet Kindern kein so grosses Identifikationspotenzial. Er ist zu wenig greifbar, zu poetisch. Was er mit seinem Zauberhut tut, ist irgendwie witzig, aber eigentlich versteht man nicht so genau, was das alles soll.