Alle zwei Wochen tötet ein Mann in der Schweiz seine aktuelle oder frühere Partnerin. Was macht diese Zahl mit Ihnen?
Einerseits macht mich das immer wieder fassungslos, wenn jemand sich das Recht herausnahm, über ein Leben zu entscheiden. Andererseits ist es auch immer wieder ein Ansporn für meine Arbeit. Wie können wir diese Frauen besser erreichen? Wie können wir sie besser unterstützen? Und ich frage mich: War das vielleicht eine unserer Klientinnen? Haben wir alles gemacht? Ich bin auch nach vielen Jahren nicht abgebrüht oder zynisch, sondern immer noch tief betroffen. Diese Traumata, die die Opfer erleben, kriegt man zu einem gewissen Grad auch ab.
Frauen wollen in einem neu lancierten Projekt Morde an Frauen, sogenannte Femizide, zählen. Ist denn die Dunkelziffer so hoch?
Femizide meistens nicht, da Morde genau untersucht werden. Aber die Dunkelziffer der Frauen, die häusliche Gewalt erleben und sich keine Hilfe holen, ist riesig. Nur etwa 15 Prozent der Betroffenen machen eine Anzeige, die zu einem Strafverfahren führt. Bei Sexualdelikten ist die Zahl noch kleiner, da Beweise schwieriger zu erbringen sind. Verschiedene Studien belegen, dass weltweit jede fünfte Frau irgendwann in ihrem Leben häusliche Gewalt erlebt. Es ist also auch eine Pandemie.