Brugger beschäftigt sich schon lange mit der Wirkung von Placebos und dem Zusammenhang zwischen Glaube und gesundheitlicher Wirkung. Er engagiert sich zudem, die Machenschaften von Scharlatanen im Gesundheitsbereich offenzulegen.
Sind für die Wirkung solcher Behandlungen primär Glaube und Placeboeffekte verantwortlich?
Ja, etwas anderes als das konnte bis heute nicht überzeugend nachgewiesen werden. Die Forschung dazu ist jedoch weiter im Gang. Sehr gut untersucht ist die Homöopathie, und auch dort wurde nie ein Wirkmechanismus gefunden, der über den Placeboeffekt hinausgeht.
Aber auch die können einiges bewirken.
Absolut. Wenn ich glaube, dass mir etwas hilft, dann wirkt sich diese Zuversicht tatsächlich positiv auf das gesundheitliche Problem aus. Auch wenn man schwer krank ist, macht es einen Unterschied, ob man zuversichtlich ist oder das Schlimmste befürchtet.
Hält eine eingebildete Wirkung tatsächlich auch länger an?
Ja, weil die Einbildung eben auch eine reale Wirkung hat – mitunter sogar eine stärkere, als wenn ein Medikament unwissentlich eingenommen wird. Das gilt für rote Kügelchen genauso wie für Erdstrahlen oder Gesundbeten. Es geht halt schon in Richtung von «Der Glaube versetzt Berge». Und auch die Schulmedizin bedient sich der Einbildungskraft des Patienten. Problematisch wird es, wenn man sich bei jedem gesundheitlichen Problem nur auf Heiler verlässt und glaubt, die naturwissenschaftliche Medizin sei auf dem Holzweg.
Die Grenze einer komplementärmedizinischen Behandlung liegt bei richtig ernsthaften körperlichen Problemen, etwa einem Knochenbruch, richtig? Der heilt durch nichts von heute auf morgen.
Das tut er nicht, aber der Heilungsprozess kann gefördert oder behindert werden. Wenn ein Patient depressiv ist und das Schlimmste befürchtet, schwächt das sein Immunsystem, und das verzögert die Heilung des Bruchs. Ist der Patient aber zuversichtlich, dass alles bald gut kommt, beschleunigt das die Heilung. So gesehen kann da auch die Komplementärmedizin eine durchaus positive Wirkung haben. Und Heiler mit ihrem empathischen Umgang haben da gegenüber gestressten Ärzten im Akutspital vielleicht sogar einen Vorteil, weil sich die Patienten besser betreut fühlen.
Aber es gibt sicher auch viele Scharlatane.
Garantiert. Die Dunkelziffer von Leuten, die mit Heilsversprechen Geld verdienen und kaum etwas bewirken, ist riesig.
Ist es da nicht problematisch, dass solche Behandlungen von den Krankenkassen vergütet werden?
Ja, das finde ich tatsächlich bedenklich. Vor allem im Fall der Homöopathie, von der viele noch immer glauben, sie wirke über den Placeboeffekt hinaus, was erwiesenermassen nicht der Fall ist. Ich finde, eine Krankenkasse sollte nur dann für Placeboeffekte aufkommen, wenn die behandelnde Instanz nicht mehr verspricht, als sie leisten kann. Wenn ein Heiler weiss, dass sein Stein keine Kräfte hat, aber dessen Auflegen bei seinen Patienten erfahrungsgemäss dank Placeboeffekt eine positive Wirkung auf ihr Problem hat, dann finde ich eine Vergütung in Ordnung.