Navigation

Kaffeerösterei Delica

Wie der Kaffee in die Migros kommt

Honduras–Antwerpen–Birsfelden. Die Bohnen für den Migros-Kaffee kommen per Frachtschiff über den Atlantik, durchqueren halb Europa auf dem Rhein und landen schliesslich in der Rösterei in Birsfelden. Wir haben sie auf den letzten Kilometern begleitet.

Text Rahel Schmucki
Fotos Basile Bornand
Datum
unterwegs-auf-dem-rhein-1

Ein Matrose steht immer vorne auf dem Schiff und hält Ausschau nach Schwimmern oder kleinen privaten Booten. 

Langsam tuckert das 183 Meter lange Rheinschiff rückwärts aus dem Hafen. Die Ladeflächen sind fast leer, denn vom letzten Zwischenstopp am Dreiländereck in Basel bis nach Birsfelden fahren nur noch wenige Container mit. An diesem Tag sind es gerade mal 18 Stück. Einer davon ist mit einem blauen Stern gekennzeichnet. Er ist gefüllt mit Kaffeebohnen aus Kolumbien, die bereits seit einem Monat unterwegs sind: von Buenaventura in Kolumbien auf einem grossen Frachtschiff über den Atlantik nach Antwerpen in Belgien und von dort mit dem Rheinschiff über die Schweizer Grenze. Heute soll sein Inhalt in die Rösterei der Migros, zur Delica, gebracht werden. Endstation Birsfelden.

Kalt und nass ist es an diesem Wintermorgen, Schneeregen fällt vom Himmel. Im warmen Steuerhaus auf dem Motorschiff auf der Barke sitzen die beiden holländischen Kapitäne Johan Eleweld und Piet Putter.

Sie steuern das Schiff durch den Fluss. Das klingt einfacher, als es ist, denn auf ihrer Fahrt von Antwerpen bis Birsfelden gibt es 18 Schleusen, die sie in vier Tagen passieren. Ihr Schiff ist 11,45 Meter breit, die Schleusen jeweils 12. Das erfordert Präzisionsarbeit. Heute ist Putter der Steuermann. Er sitzt auf einem ledernen Sitz, umgeben von Knöpfen und Schaltern. Eleweld assistiert, indem er die Fahrt auf einem Bildschirm verfolgt und per Funk die Arbeit der vier Matrosen koordiniert. Einer von ihnen hält am Bug im Schneeregen Ausschau nach Booten, die in der Fahrrille unterwegs sein könnten. Kollisionsgefahr!

 

Zwölf Höhenmeter in zehn Minuten

Eine Stunde, nachdem es die Grenze passiert hat, erreicht das Schiff die letzte Schleuse bei Birsfelden. Seit Basel ist vorschriftsmässig ein Lotse der Schweizerischen Rheinhäfen mit an Bord, der den Weg in die enge Einfahrt weist. Das Tor schliesst sich, die Matrosen machen das Schiff an den Schleusenwänden fest. Mit Tauen, die so dick sind, dass sie sie nicht umfassen können. Das Wasser beginnt zu sprudeln, und innert knapp zehn Minuten spült das Flusswasser den Frachtkahn zwölf Meter in die Höhe.

«Schau, da vorne», sagt Eleweld, als das Schiff aus der Schleuse fährt. Er zeigt mit dem Finger auf den Kran und die gestapelten Container, die hinter der Flussbiegung erscheinen. Mit einem gekonnten Manöver legt der Kahn beim «Birs Terminal» an. Die Kapitäne haben ihr Ziel erreicht – der Container mit den Kaffeebohnen noch nicht ganz.

Mit einem leisen Surren schieben sich die mächtigen Ausleger des Hafenkrans nach unten und klicken sich im grauen Klotz ein. Die Maschine zieht ihre über 20 Tonnen schwere Beute in die Höhe, als wäre sie federleicht. Schon gleitet der Container auf der Kranschiene ins Innere des Terminallagers. Über unzählige gestapelte Container hinweg. Genau an den Platz, der ihm zugewiesen wurde. Hier wartet er auf den Lastwagen, der ihn in die Rösterei der Delica bringen wird. Die liegt knapp einen Kilometer flussabwärts.

Gesteigerte Lust auf Kaffee im Homeoffice?

In der Lagerhalle des Birsterminals wissen die Arbeiter genau, wo welche Container stehen und was drin ist. Hier werden Waren wie Schokolade, Käse oder Medikamente für den Export verladen und Importwaren wie Christbaumschmuck aus China oder Kaffee aus Kolumbien für den Weitertransport gelagert. «Am Anfang der Coronakrise ging die Containerzahl zurück, denn viele Industriegüter und Handelswaren stammen aus China, und dort wurden im Frühjahr ja viele Fabriken vorübergehend geschlossen», sagt eine Mitarbeiterin. Die Zahl sei aber bald wieder auf den üblichen Stand zurückgegangen, da auch viele Lebensmittel verschifft werden. «Die waren nie rückläufig.» Genauso beim Kaffee. «Es scheint, als hätten die Menschen in der Schweiz während des Lockdowns und im Homeoffice mehr Kaffee getrunken als sonst», bemerkt Andreas Kuklinski, der für die Delica den Kaffee-Import koordiniert.

Bedächtig rollt der LKW in die Lagerhalle und stoppt auf einer gelben Markierung. Ein kleiner Kran zieht den Container ein weiteres Mal in die Höhe und setzt ihn vorsichtig auf der Ladefläche des LKW ab. Fünf Minuten später sind die Kaffeebohnen bereits in der Einfahrt der Rösterei. Die kalte Luft ist erfüllt von Kaffeeduft, der Schneeregen hat sich verzogen.

Ein Mitarbeiter kappt die Plomben und öffnet den Container. Die Zollstelle hat die Frachtpapiere geprüft und ein Mitarbeiter den Container nach möglichen Schäden kontrolliert. Nach dem Öffnen kommt eine weisse Kunststoffhülle zum Vorschein – so voluminös wie der Container selbst. Sie ist prall gefüllt. «Wir transportieren die Bohnen nicht mehr in kleinen Säcken wie früher», sagt Kuklinski. Sind die Bohnen direkt in den ausgekleideten Container gefüllt, kann man sie schneller in die Anlage schütten.

Die perfekte Mischung

Der Kaffee, der aus unseren Maschinen kommt, besteht meistens aus einer Mischung verschiedener Sorten. Die genaue Komposition ist ein Geschäftsgeheimnis. «Wir verwenden hochwertige Kaffeebohnen aus mehreren Ländern wie Kolumbien, Kenia, Guatemala, Indien, Äthiopien, Brasilien und Honduras», erklärt Andreas Kuklinski von der Delica.

Mit einem hohlen, knapp zwei Meter langen Spezialstab aus Metall sticht der Mitarbeiter in die weisse Auskleidung hinein, um eine Probe der Bohnen zu nehmen. Er prüft die Temperatur und die Feuchtigkeit. Die Bohnen sind olivgrün und riechen nach frisch geschnittenem Gras. «Deshalb nennt man die rohen Bohnen im Englischen auch Greencoffee», erklärt Andreas Kuklinski. Die Werte stimmen, der Transporter kann mit seiner Ladung rückwärts zur Schüttanlage rollen und den Container langsam kippen. Die Bohnen purzeln in die Anlage, es steigt ein feiner Kaffeestaub auf.

Über hundert Tonnen pro Tag

Die Delica AG bezieht Kaffeebohnen aus 13 Ländern, pro Tag kommen hier fünf Container zu je 22 Tonnen Kaffeebohnen an. Für den Handel, aber auch für den Export, der stark wächst. In der Schüttanlage werden die Fremdkörper aussortiert, die nicht in den Kaffee gehören. «Da können sich auch mal Steine oder Holzsplitter in der Ladung befinden», weiss Kuklinski.

Sind die Bohnen gereinigt, werden sie ins Silo befördert, später geröstet und gemahlen oder als ganze Bohnen verpackt. Und schliesslich, nach fast zweimonatiger Reise, finden sie den Weg in die Regale der Migros-Filialen.

Zahlen aus der Delica

Facts & figures

  • 16 500 Tonnen Rohkaffee verarbeitet die Delica pro Jahr.
  • 5500 Tonnen Rohkaffee kann die Delica in ihren Silos lagern, bevor die Bohnen zur Verarbeitung in die Fabrik gelangen.
  • 66 Jahre gibt es die Delica bereits. Damals gehörte sie zur Migros Lagerhaus Genossenschaft AG.
  • 200 verschiedene Kaffeerezepturen und -sorten hat die Delica, die sie auch der Migros liefert. Dazu zählen u. a. Delizio, Café Royal, Cremesso-Kapseln, diverse Bohnen und gemahlener Kaffee.
  • 95 Prozent des importierten Rohkaffees transportiert die Delica per Rheinschiff. Nur die letzten Meter vom Terminal bis zur Fabrik übernimmt ein LKW.
  • 14 Länder beliefert die Delica mit Kaffee und anderen Produkten wie Mandeln und Nüssen.
  • 13 Länder aus Mittel- und Südamerika, Afrika und Asien liefern den Rohkaffee für die Delica.
  • 300 Kaffeebauern unterstützt die Delica AG mit dem Projekt «La Laguna» beim nachhaltigen Kaffeeanbau.

Lust auf Kaffee der Migros?

Schon gelesen?