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Frauen in Musikgeschäft

Endlich raus ins Rampenlicht!

Frauen sind in der Jazz-, Rock- und Popszene deutlich weniger präsent als Männer. Helvetiarockt, die Schweizer Koordinationsstelle für Musikerinnen, ergreift nun die Initiative und lanciert eine Datenbank, die Frauen auf und hinter der Bühne sichtbar machen soll.

Text Anne-Sophie Keller
Datum
la-nefera

Jennifer Perez, Rapperin aus Basel, kämpft schon seit Jahren für ein besseres Standing von Frauen in der Musikbranche.

Schaut man auf Festivalbühnen, sind Frauen immer noch Mangelware. Und auch hinter den Kulissen sieht es nicht viel besser aus: Auf zehn Männer kommen im Musikgeschäft im besten Fall zwei Frauen. 2017 wurden erstmals die Quoten von Festivals ermittelt. Ergebnis: Nur 17 Prozent der Performenden waren weiblich. Der Rockförderverein Basel hat im selben Jahr 900 lokale Bands auf ihren Frauenanteil hin untersucht. Das Resultat war auch hier ernüchternd: Nur jede zehnte Person, die zwischen 2008 und 2017 in Basel Musik machte, war weiblich. Trotz vieler Bemühungen hat sich die Situation bis heute nicht verändert. Sind die Frauen im Musikgeschäft etwa nicht gut genug? Oder gibt es einfach zu wenige von ihnen? Keineswegs. Doch sie haben ein Manko: Man sieht sie nicht.

Was sich Musiker*innen von der Schweizer Musikbranche wünschen

Prominente Unterstützung

Helvetiarockt, die Koordinationsstelle für Musikerinnen, will dies unbedingt ändern. Am 20. Oktober lanciert sie musicdirectory.ch, eine Datenbank für Frauen sowie inter, trans und non-binäre Menschen, die in der Schweizer Musikszene aktiv sind. Musikerinnen, Tontechnikerinnen und Labelverantwortliche sind eingeladen, sich hier zu registrieren. Mit dabei sind unter anderem Steff la Cheffe, Sophie Hunger, Black Sea Dahu, Brandy Butler und KT Gorique. Unterstützt werden die Projekte von Helvatiarockt vom Migros-Kulturprozent.

In den Musikschulen sind Mädchen noch mit über 50 Prozent vertreten. Danach verschwinden jedoch die meisten. «Es fehlen Vorbilder, an denen sich Mädchen orientieren können», sagt Regula Frei von Helvetiarockt. Und diejenigen, die ernsthaft eine Karriere als Musikerin anstreben, müssten einige hohe Hürden meistern. Viele der Verantwortlichen mit Schlüsselfunktion in der Szene sind Männer – oder Frauen, die nicht auf das Thema sensibilisiert sind. Zudem sind Frauen schlechter vernetzt und betreiben weniger Marketing (siehe Box unten). Als Mama eine Tournee zu bestreiten, ist auch nicht eben einfach. Dazu kommt, dass viele Frauen nach jahrelangen Sexismuserfahrungen ernüchtert sind und sich deshalb zurückziehen.

Eine, die sich nicht einschüchtern liess, ist Florina Diemer (30). Sie arbeitet seit 13 Jahren als Tontechnikerin. «Wenn ich mit einem Mann am Mischpult stehe, wird zuerst er angesprochen, auch wenn er mein Assistent ist», erzählt die Zürcherin. Der Umgangston hinter der Bühne sei oft sehr rau. «Viele denken, damit könne eine Frau nicht umgehen.» In den letzten Jahren habe sich die Situation jedoch verbessert. Den Spruch, dass sie ihren Job «für eine Frau noch gut macht», habe sie lange nicht mehr gehört.

«Was du als Frau zu hören kriegst …»

Andere Erfahrungen hat Jennifer Perez alias La Nefera gemacht. «Als junge Frau im Rap hast du es besonders schwer, viele brüsten sich sogar mit ihrem Sexismus», sagt die Basler Rapperin. Als die 31-Jährige beim SRF-Format «Bounce Cypher» auftrat, wurde sie in den Kommentarspalten des Senders zu sexuellen Handlungen aufgefordert. Perez: «Es ist so krass energieraubend, was du als Frau zu hören kriegst.» Umso wichtiger sei es für alle in der Branche aktiven Frauen, gut vernetzt zu sein und sich untereinander auszutauschen. Sie selbst hat 2012 mit «Vybezbilder» ein Kollektiv für Basler Hip-Hop-Künstlerinnen mitaufgebaut. «Wie ergeht es den Kolleginnen? Und wie gehen sie damit um, wenn sie von Sexismus betroffen sind? Wir können voneinander lernen und uns gegenseitig unterstützen», sagt Perez.

Ein Spiegel der Gesellschaft

Mit «Königinnen der Zürcher Nacht» hat auch Shibo Tschäppeler (31) vor zwei Jahren ein Netzwerk für Frauen gegründet. Tschäppeler war als Bookerin und in der Eventproduktion tätig. «Hinter der Bühne sind Frauen nach wie vor untervertreten. Es gibt nur wenige Bookerinnen. Viele arbeiten lieber an der Bar oder im Marketing.» Einen positiven Wandel stellt sie bei den jüngeren Bands fest, die vermehrt auch Tourmanagerinnen buchten.

Mit der Datenbank musicdirectory.ch wird nun ein erster Schritt unternommen, Frauen im Musikgeschäft sichtbarer zu machen. Für Regula Frei, Bassistin und Co-Präsidentin von Helvetiarockt, ist klar, dass das allein nicht reichen wird: «In der Musikszene spiegelt sich wider, was in der Gesellschaft als Ganzes nicht funktioniert. Es ist aber ein wichtiger Anfang.»

RegFry

Regula Frei (45) ist Helvetiarockt-Urgestein und Bassistin aus Bern.

Wo liegt das Problem, Regula Frei?

  • Es hat zu wenig greifbare und erlebbare Vorbilder. Es gibt die grossen Popikonen. Aber es braucht solche, die man auf Schweizer Bühnen erleben kann. Solche, die in der selben Stadt wohnen.
  • Je technischer das Musikschaffen wird, desto weniger sind Frauen vertreten. Sie (und ihr Umfeld) denken immer noch, Technik würde ihnen nicht liegen.
  • Stereotype: Wir konnotieren Dominanz als männlich und Sanftheit als weiblich. Also werden die Männer Schlagzeuger und die Frauen Sängerinnen.
  • Fehlendes Selbstvertrauen: Wer Musik macht, muss sich irgendwann zeigen – auch wenn man noch nicht hundert Prozent sicher ist.
  • Rock ’n’ Roll hat einen schlechten Ruf. Also zögern Eltern, ihre Töchter in einen Probekeller oder Klub zu schicken.
  • Viele Mädchen beschäftigen sich nach wie vor viel mit ihrem Aussehen. Sie investieren viel Zeit und Geld dafür, statt Beats zu produzieren.
  • Viele Musikerinnen scheitern an ihren eigenen Ansprüchen: Sie zerbrechen sich den Kopf darüber, ob ihre Arbeit perfekt ist, anstatt zu experimentieren, zu machen, zu rocken.

Bilder: Samuel Bramley, zVg

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