Die Menschen der westlichen Welt sind polarisiert und gehässig wie selten – dies zeigt sich jetzt auch in den heftigen Debatten um die Corona-Massnahmen. Viele Leute haben bereits resigniert: Sie fürchten das Ende von Respekt und Rationalität in einer Welt der Hassattacken und der bizarren Verschwörungstheorien – eine Ära, in der Fakten nicht mehr entscheidend sind.
Gleichzeitig stehen wir vor grossen globalen Herausforderungen. Vieles steht und fällt damit, ob wir trotz allem Wege finden, uns zu verständigen und gemeinsame Lösungen zu entwickeln. «Die Kunst des Miteinander-Redens ist deshalb kein Luxus-, sondern ein Überlebensthema», sagen Bernhard Pörksen und Friedemann Schulz von Thun in ihrem neuen Buch, das sie als «Beitrag zur Entgiftung der öffentlichen Debatte» sehen. Die Entwicklung einer fruchtbaren Streitkultur sei allerdings eine Jahrhundertaufgabe.
Bernhard Pörksen, weshalb haben sich die Diskussionsfronten in den vergangenen Jahren so verhärtet? Warum ist da plötzlich so viel Wut?
Dies ist die Folge mehrerer Entwicklungen. Die Digitalisierung der Kommunikation über Internet und soziale Medien hat den Qualitätsjournalismus und seine Glaubwürdigkeit geschwächt. Gelesen und geklickt wird das Populäre, Emotionale und Extreme – darauf reagieren auch die Medien, nach dem Motto «Relevant ist, was interessiert». Auch hat die Digitalisierung die jederzeit verfügbare Information vervielfacht. Das jedoch macht uns nicht automatisch mündiger, sondern erhöht die Chancen für effektive Desinformation. Und je bedrohlicher die eigene Situation erscheint, desto anfälliger sind wir dafür, denn Menschen sind Gefühlswesen. In diesen Mix hinein kommt nun noch die politische Polarisierung der letzten Jahre.