Lebensmittel haben die französisch-schweizerische Doppelbürgerin seit jeher interessiert. Im Elsass aufgewachsen, studierte Lucie Rein Betriebswirtschaft in Lille (F) und Mannheim (D). «Eigentlich wollte ich mein eigenes Unternehmen gründen – wie mein Vater», sagt sie. Er hat im Elsass ein altes Industrieareal in eine Art Technopark verwandelt. «Gleich nach dem Studium fühlte ich mich dafür aber noch zu jung.» Sie wollte zuerst Grossfirmenluft schnuppern und kam in die Schweiz, um für verschiedene Nahrungsmittelhersteller zu arbeiten. Es war in ihrer Zeit in einem Industriebetrieb, als sie hautnah mitbekam, was Vergeudung bedeutet. «Ich musste einen Camion voller geniessbarer Ware wegwerfen lassen, nachdem dieser, wegen Verzögerungen an der Grenze, zu spät beim Kunden eintraf und der Kunde die Ware nicht mehr annahm», sagt die junge Frau. Es widerstrebte ihr so sehr Lebensmittel wegzuwerfen, dass sie ihren Job kündigte und nach etwas Sinnvollem suchte. «‹Too Good To Go› kannte ich aus Frankreich und von den Start-up-Konferenzen, an denen ich teilgenommen hatte.» Sie schrieb den dänischen Gründern von «Too Good To Go», und schlug ihnen eine Zweigniederlassung in der Schweiz vor.
Einige Monate später war sie «Waste Warrior in Chief», wie in ihrer E-Mail-Signatur zu lesen ist, oder: Chefkämpferin gegen Verschwendung. «Wir sehen uns als Bewegung, die sich für die Umwelt einsetzt.» Alle, die eine Tüte kauften und Lebensmittel retteten, seien «Waste Warrior».
Zu Beginn war sie als Einzelkämpferin unterwegs. «Ich musste mein Netzwerk ausbauen und Unternehmen finden, die ihre überschüssige Ware auf der App anbieten.» Eine Bäckerei in Genf war der erste Betrieb, den sie überzeugen konnte. Bei anderen Unternehmen blitzte sie anfangs ab. «Viele Leute waren überrascht, dass ich als junges Mädel das einfach so mache.» Der Jungen und Unerfahrenen habe man einfach mal abgesagt. «Doch ein Nein akzeptiere ich nicht als Antwort», sagt sie, die in ihrem Umfeld als äusserst hartnäckig bezeichnet wird.