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Nachhaltiger Bananenanbau

Es geht auch mit viel weniger Wasser

Im Norden Kolumbiens ist der wasserintensive Bananenanbau die wichtigste Einkommensquelle, aber Wasser wird zunehmend knapp. Zwölf Farmen, auf denen auch Migros-Bananen wachsen, haben unter Anleitung des WWF Massnahmen ergriffen. Ein Besuch

Text Martina Schäfer
Fotos Mauricio Marín
Datum
Hier wachsen die beliebten WWF-Bananen, die es in der Migros zu kaufen gibt: Die Farm Sami in der Nähe von Santa Marta in Kolumbien erntet im Schnitt jede Woche 114 Tonnen Bananen.

Hier wachsen die beliebten Bananen aus dem WWF-Projekt, die es in der Migros zu kaufen gibt: Die Farm Sami in der Nähe von Santa Marta in Kolumbien erntet im Schnitt jede Woche 114 Tonnen Bananen.

Am Nordzipfel Südamerikas treffen Gegensätze aufeinander: karibische Sandstrände und verschneite Berggipfel, Touristenstädte und arme Dörfer, Wüste und Dschungel. In dieser Ecke Kolumbiens, unweit der Stadt Santa Marta, befindet sich die Bananenzone, wo Bananen auf riesigen Farmen angebaut werden. Eine von ihnen ist «Sami». Die Farm produziert auf 133 Hektaren Bananen der Sorte Cavendish und beschäftigt 145 Mitarbeitende. Geleitet wird sie von Betsy Villanueva Granados, einer der wenigen Frauen in diesem Job.

Sami ist zusammen mit elf weiteren Farmen in Kolumbien Teil des WWF-Projekts für «eine bessere Banane», aus dem ein Grossteil der Migros-Bananen stammt. Auf rund 15 km2, einer Fläche so gross wie der Sempachersee, produzieren die Farmen Bananen für den Export. Begleitet von Expertinnen und Experten des WWF sind die Farmen seit sieben Jahren daran, die intensive landwirtschaftliche Produktion Schritt für Schritt nachhaltiger zu gestalten (siehe Box ganz unten).

Die ersten Bananenfarmen mit AWS-Standard

Für Betsy Villanueva und ihr Team gehören heute der Schutz von Biodiversität, Boden, Klima und Mitarbeitenden sowie ein geregeltes Abfallmanagement zum Alltag. Und ganz besonders tragen sie Sorge zum Wasser. Im März 2020 erhielten Sami und die anderen elf Farmen im Projekt als erste weltweit das Zertifikat der «Alliance for Water Stewardship» (AWS) für nachhaltige Wassernutzung (siehe Box).

Für Villanueva ein wichtiger Schritt: «Der AWS-Standard ist eine Investition in unsere Zukunft», sagt sie. «Der Standard gibt uns Werkzeuge in die Hand, um das Wasser zu schützen, damit es uns langfristig erhalten bleibt.» Der Klimawandel mache ihr grosse Sorgen, weil Wasser knapper werden könnte.

AWS-Standarad

Wasserverbrauch senken

Der internationale AWS-Standard, der allen Branchen offensteht, ist ein fünfstufiger Prozess, mit dem Wassernutzer ihren Verbrauch analysieren und ihre Wassernutzung optimieren können. Zudem zielt der Standard darauf ab, dass verschiedene Wassernutzer eines Gebiets gemeinsam an einer nachhaltigeren Süsswassernutzung arbeiten. So soll die Wasserqualität verbessert und der Wasserverbrauch reduziert werden. 

Um 6 Uhr, wenn es noch frisch ist, beginnt die Arbeit auf der Farm. Die Mitarbeitenden kommen mit dem Motorrad auf staubigen Naturstrassen angefahren. 220'000 Bananenstauden wachsen hier. Die Bananen stecken in blauen Plastikhüllen, die sie vor Insekten, Wind und Wetter schützen. Ein Fruchtstand heisst «Büschel» und besteht aus mehreren «Händen». Jede Hand hat zehn bis zwanzig «Finger», also Bananen. Im Durchschnitt werden hier jede Woche 114 Tonnen Bananen geerntet – das ganze Jahr hindurch.

Präzise Bewässerung dank modernster Technik

Unsere Gummistiefel versinken in der nassen Erde. Es ist inzwischen 8 Uhr und die Stauden wurden von Wassersprengern bewässert. Nur an wenigen Tagen im Jahr braucht es das nicht. «Der letzte Regen fiel vor vier Monaten», sagt Villanueva.

In den letzten Jahren hat sich die Art der Bewässerung grundlegend verändert. «Früher haben wir die Farmen mit so viel Wasser aus dem Fluss versorgt, wie uns richtig erschien», erklärt Villanueva. «Wir dachten, das sei das beste und effizienteste, aber es war ein falsches Konzept. Heute bewässern wir nur soviel, wie die Pflanzen tatsächlich brauchen.»

Eine der Wetterstationen auf Sami, die präzise Daten zum Wasser liefern. Dank der Technik konnte die Farm den Verbrauch für die Wässerung der Bananen markant senken.

Eine von zehn Wetterstationen, die präzise Daten zum Wasser liefern. Dank der Technik konnte die Farm den Verbrauch für die Wässerung der Bananen markant senken.

Wie gross der Wasserbedarf ist, wird täglich für jede der zwölf Farmen neu berechnet. Denn obwohl jede Banane der anderen gleicht, hat jede Bananenfarm andere Bedingungen: Verdunstungsraten, Bodenbeschaffenheit, Anzahl Bewässerungsmotoren, Leitungskapazität etc. Zehn Wetterstationen liefern zusätzliche Daten wie Lufttemperatur, Windgeschwindigkeit, Sonneneinstrahlung und Regenmengen und ermöglichen eine präzisere Prognose.

Morgens um 5 Uhr bekommen die Farmen ein automatisiertes E-Mail mit Wassermengen und Bewässerungszeitraum. Die Software dahinter ist eine Eigenentwicklung des Bananenproduzenten Tecbaco, zu dem die Farmen gehören. 

«Der AWS-Standard verlangt eine detaillierte Analyse auf jeder Farm. So haben wir unsere Bewässerungsdaten weiter verfeinert und sparen jetzt bei allen 12 Farmen gegenüber der ursprünglichen Methode 40 Prozent Wasser ein», sagt Fernando Gonzalez, Umweltverantwortlicher bei Tecbaco. Er und Kelis Navarro Salcedo, verantwortlich für Umwelt und Zertifizierungen der zwölf Projektfarmen, haben eineinhalb Jahre an der Umsetzung des Standards gearbeitet.

Viele Massnahmen, die Wasser schützen

Auf dem Weg durch die Felder kommen wir zum Wasserreservoir. In dem grossen, naturnahen Teich wird Grundwasser, das wegen der Nähe zum Meer einen zu hohen Salzgehalt aufweist, mit Flusswasser vermengt und ins Bewässerungssystem gepumpt. Im Pumphäuschen stehen leere Tanks und Fässer.

«Hier haben wir früher Düngerzusätze ins Wasser gemischt», erklärt Betsy Villanueva. Heute wird das Unkraut auf den Feldern mit einer Motorsense geschnitten und liegen gelassen. Gleiches passiert mit Bananenstauden am Ende ihres Lebenszyklus. Der Boden erhält so zusätzliche Nährstoffe und trocknet weniger schnell aus. Im Gegenzug wird auf Unkrautvertilger verzichtet.

Betsy Villanueva leitet die Farm Sami, sie ist eine der wenigen Chefinnen im Bananen-Geschäft.

Betsy Villanueva leitet die Farm Sami, sie ist eine der wenigen Chefinnen im Bananen-Geschäft.

Und auch mit Insektiziden und Fungiziden gehen die Farmen heute zurückhaltender um. Nur bestimmte Stoffe sind zugelassen und nur so viel wie nötig. Der grösste Gegner ist ein Pilz: die Schwarze Sigatoka. Er schwächt die Pflanzen, die Produktion bricht ein. Wie im biologischen Anbau ganz auf Pestizide zu verzichten, ist auf grossen Farmen wie Sami nicht möglich. Aber auch mit manuellen Methoden wird gegen den Pilz vorgegangen. Kranke, dunkle Blattteile werden täglich von Hand weggeschnitten.

Die Bananen sind von blauem Plastik umhüllt. Dieses schützt sie vor Wetter und Insekten.

Die wachsenden Bananen sind mit blauem Plastik umhüllt, der sie vor Insekten und Wetter schützt.

Am Eingang der Farm und zwischen den einzelnen Sektoren gilt: Stiefel waschen und desinfizieren. Damit wird die Ausbreitung eines noch gefährlicheren Pilzes vermieden, des Tropical Race 4, abgekürzt TR4. Die von TR4 ausgelöste Pflanzenkrankheit bedroht den Anbau der Cavendish-Banane weltweit. Der Pilz hat auch Kolumbien erreicht, nicht aber die Projektfarmen.

WWF-Projekt

Für eine «bessere Banane»

Die Banane ist die beliebteste Frucht in der Schweiz. Ihr Anbau geht mit einer Vielzahl ökologischer und sozialer Probleme einher, insbesondere im konventionellen Anbau. Die Früchte werden auf riesigen Farmen angebaut, mit viel Wasser und Dünger «gefüttert» sowie mit Pflanzenschutzmitteln geschützt.

Die bessere Alternative zu herkömmlichen konventionellen Bananen sind Bio-Bananen. Doch auf Farmen dieser Grösse kann auf Pestizide nicht ganz verzichtet werden (siehe Text). Hier setzt das WWF-Projekt für einen verantwortungsvolleren Bananen-Anbau an. Es zielt darauf ab, die Produktion von Bananen aus Nicht-Bio- und Nicht-Fairtrade-Anbau sozialverträglicher und ökologischer zu machen. Derzeit nehmen knapp zwanzig Farmen aus Ecuador und Kolumbien teil.

Sieben Themenfelder werden bearbeitet: 

  • Natürliche Ökosysteme: zum Beispiel ökologische Schutzzonen zwischen Anbaufläche und Flüssen einrichten
  • Wassermanagement: zum Beispiel Aufbereitung von Waschwasser, die Wassernutzer-Plattform und Umsetzung des AWS-Standards
  • Integrierter Pflanzenbau und Bodenmanagement: zum Beispiel Pestizide und Insektizide reduzieren, Verbot von Herbiziden
  • Klimaschutz: zum Beispiel Düngemittel reduzieren
  • Abfallmanagement: zum Beispiel Schutzmaterial der Mitarbeitenden sicher entsorgen
  • Soziales: zum Beispiel Programme für Gesundheit und Arbeitssicherheit der Mitarbeitenden sowie feste Anstellungsverhältnisse und die Sicherstellung der Einhaltung des nationalen Arbeitsrechts
  • Schulung der Mitarbeitenden in Bezug auf Arbeitssicherheit und -recht sowie auf die Themenfelder des Projekts. 

Das WWF-Projekt setzt auf kontinuierliche Verbesserungen. Unabhängige Expertinnen und Experten kontrollieren die Massnahmen der Farmen, auf denen auch Migros-Bananen wachsen, zweimal im Jahr.  

Bananen an Seilbahnen

Vom Reservoir geht es zurück zwischen die Bananenstauden. Ein metallenes Scheppern ist zu hören. Es kommt von einer horizontalen Seilbahn, mit der Bananenbüschel transportiert werden. Für die Ernte steigt ein Arbeiter auf eine Bambusleiter, schneidet das Büschel ab und lässt es an einer Kette hinuntergleiten. Seine Kollegen transportieren es zwischen sich an einer Stange zur Seilbahn, wo sie es einhängen. Hat der «Zug» eine bestimmte Länge erreicht, wird er zum Verpackungsbereich gezogen.

Nach der Ernte werden die Bananenbüschel vom Feld in den Waschbereich transportiert.

Nach der Ernte werden die Bananenbüschel vom Feld in den Waschbereich transportiert.

Dort werden die Büschel zuerst gewogen. Sie sind im Schnitt 24 Kilo schwer. Danach kommt die Reifekontrolle: Eine Banane wird längs durchgeschnitten. Gibt das Fruchtfleisch auf Fingerdruck nach, wird das ganze Büschel aussortiert, weil die Bananen auf ihrer Reise ins Ausland zu früh reifen würden. Früchte, die durch die strengen Kontrollen fallen, werden in der Region gegessen, wo auch grüne Bananen ein Grundnahrungsmittel sind. «Sie werden gekocht, frittiert, gemahlen – es gibt so viele Rezepte», sagt Villanueva.

Wasser als Förderband

Den überdachten Verpackungsbereich dominieren grosse Wasserbecken. Die feuchte Frische lockt Vögel und Frösche an. Laut trällert Musik. Rund zwanzig Mitarbeitende mit Schürzen, Handschuhen, Haarnetzen und den obligatorischen Pandemiemasken zerteilen die Bananenhände, prüfen und sortieren sie, stutzen sie zurecht, etikettieren sie oder umwickeln sie mit Klebeband, je nach Kundenwunsch.

Die frisch geernteten Bananenbüschel auf dem Weg zu den Wasserbecken, in denen sie gewaschen werden.

Die frisch geernteten Bananenbüschel auf dem Weg zu den Wasserbecken, in denen sie gewaschen werden.

Wasser ersetzt das Förderband zwischen diesen Arbeitsschritten. Es reinigt die Bananen und transportiert sie schonend von Station zu Station. Das Wasser wird dabei immer wieder verwendet dank der Aufbereitungsanlage, die 2017 in Betrieb genommen wurde.

«Die Farm Sami verbraucht fürs Waschen normalerweise zwischen 2800 und 3000 Kubikmeter Wasser pro Woche», erklärt Kelis Navarro, der Umweltverantwortliche der Projektfarmen, über den Lärm der Pumpe hinweg. «Mit der Aufbereitung haben wir den Verbrauch auf 140 bis 150 Kubikmeter Wasser pro Woche gesenkt. Das sind 95 Prozent weniger. Ein riesiger Unterschied!»

Wirkung weit über die Farm hinaus

Nachhaltiges Wassermanagement braucht nicht nur Investitionen in die Infrastruktur. Genauso wichtig ist das Engagement von der Führung bis auf Stufe Arbeiterin und Arbeiter. «Es brauchte einen Kulturwandel in den Köpfen der Farm-Verantwortlichen», sagt Navarro. «Wir mussten sie vom Standard erst überzeugen.»

Mit einem Ausbildungsplan wurde auch allen Mitarbeitenden das Thema vermittelt. «Wir haben ihnen erklärt, dass wir nicht mehr einfach im Jetzt leben können», sagt Farm-Leiterin Betsy Villanueva. «Die nächsten Generationen sollen noch gleich viel von der Ressource zur Verfügung haben wie wir.» Die Botschaft ist bei den Angestellten angekommen. «Wenn zum Beispiel jemand ein Leck entdeckt, melden wir das sofort, damit es schnell geschlossen werden kann», erklärt Verpackerin Nely Garcia. «Was wir hier lernen, setzen wir auch zuhause um».

Auf regionaler Ebene hat sich zudem eine Wasserplattform etabliert, über die öffentliche, private und kommunale Wassernutzer im gleichen Einzugsgebiet dreimal pro Jahr zusammenkommen. Der AWS-Standard fordert Vernetzung. Obwohl die Teilnahme und die Umsetzung von Massnahmen auf freiwilliger Basis erfolgt, sind die Dialogplattformen wichtig. «Gerade in Trockenperioden kommt es auch zu Konflikten zwischen den Nutzern», sagt Fernando Gonzalez von Tecbaco. «Solche Konflikte können dank der Plattform besser gelöst werden. Es ist kein einfacher Prozess, aber insgesamt ist er sehr positiv und wir haben viel dabei gelernt.»

Bananen-Bad: Das Wasser, um die Früchte vor der Verpackung zu waschen, wird mehrmals wiederverwendet.

Bananen-Bad: Das Wasser, um die Früchte vor der Verpackung zu waschen, wird mehrmals wiederverwendet.  

Nächste Verbesserungen schon im Visier

Auch auf Villanuevas Farm Sami und den anderen Projektfarmen geht die Arbeit zum Schutz des Wassers nicht aus. Das Netz der Wetterstationen und Niederschlagsmesser wird ausgebaut und das Bewässerungssystem automatisiert. Ausserdem werden die Schutzzonen an den Flussufern auf dreissig Meter erweitert. Und in zwei Jahren steht die Erneuerung des AWS-Zertifikats an.

«El agua es vida», sagt Mitarbeiterin Nely Garcia. «Wasser ist Leben. In der Zukunft, für unsere Kinder, für unsere Enkel, für alles braucht es Wasser. Ohne Wasser sind wir nichts.»

Podcast Chrut und Rüebli

Nichts krumm mit diesen Banane‪n‬

Die Banane ist die Nummer 1 auf der Waage in der Migros und die beliebteste Frucht. Dafür, dass wir sie alle lieben, wissen wir gar nicht so viel über dieses krumme, gelbe Ding. Wo wachsen Bananen? Wie kommen die zu uns? Und wichtig für unseren Podcast: Wie nachhaltig ist eine Banane? Wann ist überhaupt Bananen-Saison?

Dafür sprechen wir in unserem Podcast «Chrut und Rüebli» mit dem WWF Schweiz und besuchen wir die Bananenreiferei der Migros Luzern.

Bananen? Gibts in Ihrer Migros nicht nur als reine Frucht:

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