Markus Freitag, 2017 sagten Sie, die Unterschiede zwischen Stadt und Land verschwänden zunehmend. Sehen Sie das immer noch so?
Der Graben ist trotz allem immer noch da, in einigen Bereichen grösser, in anderen weniger. Deutliche Unterschiede gibt es etwa bei Demokratiezufriedenheit, Vertrauen in den Bundesrat, Abschaffung der Armee, Verhältnis zur EU, Atomenergie oder Frauenförderung. In der Stadt sind die Leute in den letzten Jahren tendenziell sogar noch etwas linker und progressiver geworden, die Menschen auf dem Land dagegen etwas rechter und konservativer.
Aber es gibt auch Annäherungen?
Ja, auch weil die Mobilität Stadt und Agglo näher zusammenbringen. Viele können sich das Leben in der Stadt nicht mehr leisten – und nehmen ihre Einstellungen in die Vororte mit. Interessant ist auch, dass vor 20 Jahren die Leute auf dem Land mehr Kontakte zu ihren Nachbarn hatten als in der Stadt – heute ist es eher umgekehrt. Allerdings werden diese Kontakte in der Stadt oberflächlicher eingeschätzt als auf dem Land.
Lässt sich verallgemeinern, in welchen Bereichen der Graben bleibt und in welchen er schwindet?
Nein, dafür ist das Bild zu verschiedenartig. Klar ist: die Einstellungen und Werte sind in den letzten zwanzig Jahren auf beiden Seiten des Grabens ziemlich stabil geblieben.

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