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Cannabis

Bald ganz legal high werden?

Demnächst starten in einigen Städten Pilotversuche mit Cannabis für den Freizeitkonsum. Die medizinische Variante ist schon länger legal. Wir beantworten die drängendsten Fragen.

Text Ralf Kaminski
Datum
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Der berauschende Stoff entsteht aus den getrockneten Blüten der Hanfpflanze. (Bild: istockphoto)

Was ist in der Schweiz legal, was nicht?
Cannabis-Produkte mit CBD (Cannabadidiol) oder mit weniger als einem Prozent THC (Tetrahydrocannabinol) sind legal. Alles andere nicht. «Normales» THC-Cannabis als Medikament gibt es nur auf ärztliches Rezept und nach einer Sonderbewilligung des Bundesamts für Gesundheit, die der Arzt beantragen muss.

Was ist der Unterschied zwischen THC und CBD?
THC wirkt berauschend, CBD nicht. THC fördert den Schlaf, CBD die Konzentration. CBD ist der am zweitmeisten vorkommende Wirkstoff in der Cannabispflanze und hat einige positive medizinische Eigenschaften. THC ist der psychoaktivste Wirkstoff der Pflanze: Je nach Qualität, Menge, Sorte und individuellen physischen und psychischen Gegebenheiten können unterschiedliche Effekte auftreten, von Heiterkeit über intensive Sinneswahrnehmungen bis zur Unruhe und Panikzuständen.

Sollte Cannabis für den Freizeitkonsum legalisiert werden?

Was ist der Unterschied zwischen Hanf, Cannabis, Marihuana und Haschisch?
Hanf ist der Name einer Pflanzengattung, Cannabis der lateinische Name dafür. Die getrockneten Blüten und blütennahen Blätter der weiblichen Hanfpflanze heissen Marihuana – sie werden als Rausch- und Arzneimittel genutzt. Umgangssprachlich auch Gras, Weed, Pot oder Ganja genannt. Haschisch heisst das gepresste Harz, das aus der  Hanfpflanze gewonnen wird. Der THC-Gehalt von Haschisch liegt meist über dem von Marihuana, weshalb auch die Wirkung stärker ist.

Was bekommt man wo?
CBD-Cannabisprodukte gibt es in rund 140 Läden im ganzen Land. Auf dem Schwarzmarkt lässt sich aber auch THC-Cannabis erwerben. 

Wie viele Cannabiskonsumierende gibt es in der Schweiz?
Laut eine Studie der Stiftung Sucht Schweiz aus dem Jahr 2019 werden in der Schweiz pro Tag eine halbe bis eine Million Joints geraucht. Dabei vermischen sich das legale und das illegale Angebot zusehends. Pro Jahr werden 40 bis 60 Tonnen illegaler Cannabis konsumiert, das entspricht einem Umsatz von bis zu 500 Millionen Franken. Laut der letzten Befragung in der Schweiz haben 7,7 % der Bevölkerung innerhalb des letzten Jahres Cannabis konsumiert. Im Vergleich zu den anderen europäischen Ländern ist diese Zahl eher hoch, aber deutlich tiefer als etwa in den USA.

Wird Kiffen immer noch bestraft?
Der Besitz von bis zu zehn Gramm Cannabis für den Eigenkonsum ist straffrei, der Stoff kann jedoch bei einer Kontrolle eingezogen werden. Und wenn man beim Konsum erwischt wird, kann man mit einer Busse von 100 Franken bestraft werden. Wer mehr als zehn Gramm auf sich trägt, muss mit einer Strafverfolgung rechnen.

Wieso kommt man in der Schweiz trotz Verbots so leicht an illegale Drogen?
«Kein demokratisches Land hat es bisher geschafft, den Drogenhandel zu unterbinden», sagt Frank Zobel von Sucht Schweiz. «Es gibt eine Nachfrage, der Markt ist lukrativ, also gibt es auch Anbieter. Zudem geniesst das Thema bei der Strafverfolgung nicht die allerhöchste Priorität.»

Darf man Hanf im Garten oder auf dem Balkon anpflanzen?
Ja, es muss sich aber um eine Sorte ohne berauschende Wirkung handeln, der THC-Wert muss weniger als ein Prozent betragen. Hanfprodukte, die daraus entstehen, dürfen auch verkauft werden.

Können die Behörden zwischen einem Anbau von Cannabis mit einem Anteil von mehr oder weniger als 1 Prozent THC unterscheiden?
Ja, die Strafverfolgungsbehörden verfügen über Schnelltests, mit denen sich das feststellen lässt.

Ist Cannabis gefährlich?
Je nach dem schon. Die Gefahren des täglichen Konsums würden stark unterschätzt, sagte Boris Quednow Mitte März im «Tages-Anzeiger». Der Professor an der psychiatrischen Universitätsklinik Zürich erforscht Drogen und ihre Wirkung. Seine Erkenntnis: Wer in der Jugend viel und regelmässig konsumiere, habe ein erhöhtes Risiko, eine Psychose, Suchterkrankungen oder kognitive Beeinträchtigungen zu entwickeln. Diese Risiken schwächten sich im Erwachsenenalter aber deutlich ab. Cannabis habe zudem etwa dasselbe Abhängigkeitspotenzial wie Alkohol, sagt Quednow: «Mindestens 30 Prozent der täglichen Cannabiskonsumenten sind abhängig.» Zudem werde aktuell auf dem Schwarzmarkt viel CBD-Cannabis mit synthetischen Cannabinoiden verkauft, ergänzt Sucht Schweiz. Diese können ebenfalls gefährliche Effekte haben.

Welche medizinischen Effekte hat Cannabis?
THC und CBD haben unterschiedliche Wirkungen. Beide können je nach Dosierung gewissen Patienten bei der Linderung chronischer Schmerzen, Entzündungen, Migräne, Arthritis, Krämpfe und Epilepsie und Schizophrenie helfen. Die Wirkstoffe von Cannabis werden zudem zur Behandlung von Übelkeit, Erbrechen oder Appetitlosigkeit eingesetzt.

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CBD-Öl soll auch gewisse medizinische Effekte haben. (Bild: Getty Images)

Wieviel Geld entgehen Unternehmen und dem Staat durch die Illegalität von Drogen?
Die Drogenhändler Europas machten im Jahr 2017 nach Schätzungen der Europäischen Beobachtungsstelle für Drogen und Drogensucht mindestens 30 Milliarden Euro Umsatz mit illegalen Drogen. Den grössten Anteil darunter hatte Cannabis mit gut 11 Milliarden, gefolgt von Kokain mit gut 9 Milliarden. Hochrechnungen von Sucht Schweiz kamen 2018 für den hiesigen Markt auf einen Umsatz von 340 bis 500 Millionen Franken allein für Cannabis. Der European Cannabis Report schätzt das Marktpotenzial von Cannabis in der Schweiz allein für den medizinischen Gebrauch auf bis zu fünf Milliarden Franken. Diverse Startups ebenso wie die Pharmaindustrie sind bereits aktiv – eine gesetzliche Liberalisierung würde ihre Optionen enorm erweitern.

Welche Länder haben Cannabis bereits legalisiert?
Es ist rechtlich seit einigen Jahren viel in Bewegung. Legalisiert ist Cannabis in Uruguay und Kanada, Mexiko steht wohl kurz davor. Auch in 17 US-Bundesstaaten ist die Droge nicht nur für medizinische Zwecke, sondern auch für den Freizeitkonsum legal. Doch auch in diesen Ländern gibt es sehr unterschiedliche Abgabemodelle mit Beschränkungen, zudem ist der Jugendschutz streng. In weiteren Ländern gibt es ähnliche Lösungen wie in der Schweiz, dass also ein eigentliches Verbot je nach dem locker gehandhabt wird. Amsterdam in den Niederlanden ist berühmt für seine Cannabis-Lokale, mittlerweile sollen diese aber nur noch von Einheimischen genutzt werden können.

Wozu die geplanten Pilotversuche?
Ab 15. Mai können beim Bundesamt für Gesundheit Gesuche für Pilotversuche mit nicht-medizinischem Cannabis eingereicht werden. Ziel dieser Studien ist laut dem Bund, «die Kenntnisse zu den Vor- und Nachteilen eines kontrollierten Zugangs zu Cannabis zu erweitern». Beobachten will man dabei vor allem die Konsequenzen für die Gesundheit und die Konsumgewohnheiten der Nutzerinnen und Nutzer, aber auch Auswirkungen auf den lokalen Drogenmarkt, den Jugendschutz und die öffentliche Sicherheit. Mehrere Städte planen solche Pilotversuche. Die Teilnehmenden müssen volljährig sein, bereits Cannabis konsumieren und dürfen nur eine beschränkte Menge pro Monat beziehen. Der Konsum muss zudem privat stattfinden. In der Stadt Zürich dürfte der Pilotversuch in der ersten Jahreshälfte 2022 starten und maximal 5000 Personen umfassen.

Warum nutzt man nicht einfach die Erkenntnisse anderer Länder oder US-Bundesstaaten, die Cannabis bereits legalisiert und reguliert haben?
«Man will wohl einfach seine eigenen Erfahrungen im Schweizer Kontext machen», sagt Frank Zobel von Sucht Schweiz. «Die gesellschaftlichen Voraussetzungen in der Schweiz können anders sein und damit auch die Auswirkung von Modellen.»

Ist Cannabis für den Freizeitkonsum bald auch in der Schweiz legal?
«Vieles deutet darauf hin, dass der rechtliche Status von Cannabis sich in der Zukunft ändern wird», sagt Zobel. «Die grosse Frage ist, für welches Regulierungsmodel man sich entscheidet und wie man dabei die gesundheitlichen und sozialen Schäden so gering wie möglich halten kann.»

Quellen und weitere Infos: suchtschweiz.ch, greenpassion.ch, medcan.ch, highgarden.ch, dr-greenthumb.com

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