Momentan ist es also so, dass wir zwar kein Züchtigungsrecht mehr haben, aber auch kein ausdrückliches Verbot? Ist es also nach wie vor erlaubt, Kinder zu schlagen?
Im Prinzip ja, auch wenn Politikerinnen und Politiker immer wieder das Gegenteil behaupten. Kein Parlamentarier, der ein entsprechendes Votum nicht mit den Worten einleitet, dass es heute unbestritten sei, dass Gewalt in der Erziehung keinen Platz mehr habe. Tatsächlich? Die Zahlen, die ich Ihnen genannt habe, sprechen eine andere Sprache.
Auch Bundesrätin Karin Keller-Suter hat kürzlich im Parlament konstatiert, dass unser Zivilgesetzbuch ZGB zwar kein ausdrückliches Verbot enthalte. Daraus aber lasse sich auch kein Züchtigungsrecht ableiten.
Das ist falsch, wie das Bundesgericht 2003 betont hat. Es hielt fest: Unser Gesetz lasse einen gewissen Spielraum für Züchtigungen zu, die das gesellschaftlich akzeptierte Mass an Gewalt – was auch immer das ist – nicht überschreiten. Was zu denken gibt, ist auch die Tatsache, dass die UNO die Schweiz bereits zweimal gerügt hat, weil sie 1997 zwar die UN-Konvention für die Rechte des Kindes unterzeichnet habe, die konkrete Umsetzung, beispielsweise in Form eines gesetzlich verankerten Rechts auf gewaltfreie Erziehung, aber noch nicht erfolgt sei.
Warum hinkt die Schweiz dermassen hinterher? Inzwischen haben mehr als 50 Länder die fortschrittliche Lösung Schwedens übernommen.
Bei uns herrscht vor allem in konservativen Kreisen immer noch die Überzeugung vor, dass Erziehung Privatsache sei, die nicht gesetzlich geregelt werden dürfe. Der Staat habe sich da nicht einzumischen.