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Fan Michaël Duc

Er begleitet die Fussball-Nati bei jedem Spiel

Die Fussballeuropameisterschaft findet über ganz Europa verteilt statt. Nati-Fan Michaël Duc kümmert das nicht. Er begleitet sein Team auch 2021. Corona hin oder her.

Text Dario Aeberli
Fotos Nik Hunger
Datum
Die Fan-Utensilen sind gepackt, die Nationalhymne kennt Duc ebenfalls auswendig – bloss die Weltpolitik kann ihn jetzt noch aufhalten.

Die Fan-Utensilen sind gepackt, die Nationalhymne kennt Duc ebenfalls auswendig – bloss die Weltpolitik kann ihn jetzt noch aufhalten. 

Öffnet Michaël Duc seine Wohnungstür in Lucens VD, erkennt man, welchen Stellenwert der Sport in seinem Leben hat. An der ersten Wand in seinem Büro hängt ein weisses Retro-Trikot des FC Lausanne-Sport aus den 90er-Jahren. Gleich gegenüber davon hängt ein blau-gelbes Shirt des HC Davos. Und im Türrahmen hat er einen Wimpel, der beweist, dass Duc seinen Lieblingsteams überall hin folgt. Darauf zu sehen sind die Vereinslogos von ZSKA Moskau, US Palermo und Sparta Prag – die Gruppengegner von Lausanne-Sport im Jahr 2010 in der Fussball Europa League. Der 30-Jährige war an jedem der drei Heimspiele in der Schweiz und an zwei Auswärtsspielen in Russland und Tschechien.

Seine dritte Sportliebe ist die Schweizer Fussball-Nati. Ihr erstes Spiel verfolgte er 2005  in Paris gegen Frankreich. Der Teenager fuhr mit seiner Mutter und seinem Bruder in die französische Hauptstadt. Seit er erwachsen ist, versucht er so viele Auswärtsspiele wie möglich zu besuchen.

«Darum war für mich und meine Freunde sofort klar, dass wir auch an dieser speziellen Europameisterschaft live dabei sein wollen», sagt Duc. Speziell war die Europameisterschaft schon bevor es die Coronapandemie gab. Weil der europäische Fussballverband 2020 sein 60-jähriges Bestehen feiern wollte, sollte die EM zum ersten Mal statt in einem einzigen Land in ganz Europa plus Aserbaidschan ausgetragen werden. Das führte zum absurden Spielplan der Schweizer Nationalmannschaft. Das Team von Vladimir Petkovic wird in der Gruppenphase für das erste Spiel von Zürich nach Baku, für das zweite von Baku nach Rom und für das dritte von Rom wieder nach Baku reisen. Das sind über 13'000 Kilometer. Duc grinst und beginnt von der kompliziertesten Reiseplanung seines Lebens zu erzählen.

 

Dezember 2019 – Das erste Problem

Einen Tag, nachdem der Spielplan für die EM veröffentlicht wurde, begann Duc damit, die Flüge zu buchen. Das Covid19-Virus schlummerte da noch irgendwo im Zentrum Chinas. Von Zürich sollte es am 10. Juni via Doha in die Hauptstadt Aserbaidschan gehen. Das Visum hätte der gelernte Buchhalter bequem für 20 bis 30 Dollar bei der Ankunft am Flughafen in Baku bezahlen können. Doch die Einreisebestimmung für Schweizerinnen und Schweizer sieht vor, dass der Reisepass zum Zeitpunkt der Ankunft in Aserbaidschan noch sechs Monate lang gültig sein muss. Ducs Pass wäre jedoch statt im Januar 2021 bereits im September 2020 abgelaufen. Er rief beim Passbüro in Lausanne an und erfuhr, dass es möglich ist, einen Pass früher als vorgesehen zu erneuern.

Erleichtert bucht er die Flüge von Zürich nach Baku, nach Rom, wieder nach Baku und zurück in die Schweiz. «Am Tag nach dem letzten Gruppenspiel der Schweiz gegen die Türkei wären wir zurück zuhause gewesen und hätten schauen können, wo es als nächstes hin geht», sagt Duc. Würde die Schweiz die Gruppenphase überstehen, fände das nächste Spiel entweder in London oder in Amsterdam statt. Je nachdem, ob die Schweiz Gruppenerster oder Gruppenzweiter wird. Doch dann beginnt sich das Coronavirus von China aus über die ganze Welt zu verbreiten. Die EM wird um ein Jahr verschoben und Duc muss alle Flüge wieder annullieren.

April 2021 – Trotz Corona können Fans in die Stadien

Duc bezeichnet sich selbst als Optimisten. Für ihn kam deshalb nicht überraschend, als der Europäische Fussballverband im April 2021 bekannt gab: Nach einem Jahr coronabedingter Geisterspiele sollen an der EM wieder Fans ins Stadion gelassen werden. Im Nationalstadion in Baku mit 70'000 Plätzen dürfen 35'000 Zuschauerinnen und Zuschauer die Spiele verfolgen. Aserbaidschan, das sich während der Pandemie abgeschottet hat, lässt Fans mit Tickets ohne Quarantäne einreisen, wenn sie einen negativen PCR-Test vorweisen können, der nicht älter als 48 Stunden ist. Duc, der mittlerweile zweimal gegen Corona geimpft ist, beginnt zu rechnen. Die Reise von Zürich nach Baku dauert ungefähr 12 Stunden. Auf das Resultat des PCR-Tests muss man momentan zwischen 24 und 48 Stunden warten. «Wenn man sich aber direkt bei einem Labor testen lässt, geht es schneller», sagt Duc. Er wird am Mittwochmorgen, 9. Juni, den Test machen, dann sollte er bis am Donnerstagmittag das Resultat erhalten und kann am Abend ins Flugzeug steigen. «Das wird eng. Wenn alles klappt und ich am Freitag in Baku ein Bier in der Hand habe, bin ich extrem erleichtert.» In Aserbaidschan werden die Restaurants und Bars geöffnet haben.

Michaël Duc plant seit Dezember 2019, wie er die Schweizer Nati an der Europameisterschaft unterstützen kann.

Michaël Duc plant seit Dezember 2019, wie er die Schweizer Nati an der Europameisterschaft unterstützen kann.

In Rom wiederum sollen nur etwa 15'000 Zuschauer zugelassen werden. Duc wird keiner von ihnen sein. «Viele Schweizer Fans wollen nach Rom. Da die wenigen Tickets per Losverfahren verteilt werden, war mir das zu riskant», sagt Duc. Stattdessen bleibt er mit zwei Freunden zehn Tage lang in Baku, um die Spiele gegen Wales und die Türkei zu schauen. Falls sich die Schweiz für die Achtelfinals qualifiziert, schauen sie spontan, wie sie an die Spielstätten kommen und Tickets organisieren. Sein Arbeitgeber ist bereits vorgewarnt, dass Duc seine Ferien wieder einmal verlängern könnte. Für das runde Leder reist er gerne durch Europa. «So komme ich auch an Orte, wie etwa Gibraltar im Jahr 2019, die ich sonst nie besuchen würde.»

Mai 2021 – Weissrussland kapert ein Flugzeug

In Aserbaidschan wird mit relativ wenigen Schweizer Fans gerechnet. Fanarbeit Schweiz, der Verein der Nati-Supporter, geht von etwa 1'300 Personen aus. Ende Mai beginnt Optimist Duc daran zu zweifeln, ob er es tatsächlich nach Baku schafft. Denn seine Reise hätte einen Zwischenstopp in Minsk beinhaltet. Doch gerade hat der weissrussische Diktator Lukaschenko ein Passagierflugzeug dazu gezwungen, in Minsk zu landen, um den regierungskritischen, weissrussischen Journalisten Roman Protassewitsch festnehmen zu lassen. Die Europäische Union hat daraufhin Sanktionen verhängt. Unter anderem soll der weissrussische Luftraum umflogen werden. «Vor wenigen Stunden wurde mein Flug gecancelt», sagt Duc. Die Planerei kann von neuem beginnen.

Duc wurde schon an Matches der Nati mehrmals von TV-Kameras eingefangen. Auf den Bildern sieht man, der 30-Jährige die Nationalhymne inbrünstig mitsingt. Ducs Freunde schicken ihm dann jeweils Fotos von des Gesangseinlage. Sollte er es trotz allem am 12. Juni die Europameisterschaft schaffen, wird er die Hymne vor Erleichterung wohl nochmals deutlich lauter als sonst singen.

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