Navigation

Garten

Wer die Nachtigall hört

Von der Gras-Einöde zum bunten Vogelparadies: Andreas Schild hat seinen Garten in Spiez BE in eine blühende Oase für gefiederte und andere Tiere verwandelt. Die Nachtigall dankts ihm dafür regelmässig mit ihrem Gesang.

Text Christine Zwygart
Fotos Monika Flückiger
Datum
Von der Hängematte aus Vögel beobachten: In ganz besonders schönen Momenten gelingt das Andreas Schild in seinem Garten.

Von der Hängematte aus Vögel beobachten: In ganz besonders schönen Momenten gelingt das Andreas Schild in seinem Garten.

Bevor er morgens zur Arbeit geht, schlendert Andreas Schild durch seinen Naturgarten. Das Bijou legt sich wie ein grüner Mantel rund um das Haus am Hang in Spiez BE. Bei seinen Rundgängen hat der 63-Jährige kaum einen Blick für den Thunersee oder das Niederhorn übrig, denn seine Aufmerksamkeit gilt den Sprösslingen und Lebewesen: den Regenwürmern und Blindschleichen, den Weinberg-Schnecken (über 500 Stück!) und Haselmäuschen, den Fröschen und Ringelnattern – und Vögeln: «61 verschiedene Arten habe ich in meinem Garten bereits beobachtet». Darunter Besonderheiten wie eine Nachtigall, einen Wiedehopf oder gar einen Eisvogel – alle drei sind nur selten in Gärten zu beobachten. Damit sich die gefiederten Tiere bei Schild wohlfühlen, hegt er viele einheimische Blumen, Bäume und Büsche. Diese schaffen zusammen mit einer naturnahen Gartenpflege den Lebensraum für Insekten und andere Tiere, die den Vögeln als Nahrung dienen. «Das ist ein in sich geschlossener Kreislauf.»

 

Andreas Schild hat einst Gärtner gelernt, sich dann zum Naturgärtner weitergebildet und selbstständig gemacht. Heute arbeitet er einerseits als Naturgartenfachmann, andererseits als Cranio Sacral-Therapeut. Sein Tipp für alle, die etwas für Vögel und Biodiversität tun möchten: «Nicht glänzen wollen mit einer herausgeputzten Grünanlage – sondern weniger jäten und stutzen.» Sein Rasenmäher ist ausser Betrieb, dafür gibt’s rund ums Haus eine natürliche Dynamik mit bunten Blumen. «Distelfinke fressen die Samen der Kardendisteln», erklärt er. Die Pflanzen dürfen deshalb auch nach dem Verblühen stehen bleiben, ebenso die Königskerzen. Von den Samen des Löwenzahns naschen Spatzen, die dürren Stängel des Waldgeissbarts dienen als Nistmaterial, und die Löcher in den Blättern des Knotigen Braunwurzes weisen auf Raupen hin, «daraus werden sich Schmetterlinge und andere Insekten entwickeln».

Nebeneinander von Mensch und Tier

Als Andreas Schild hier vor 19 Jahren einzog, war das Haus umgeben von akkurat gestutzten Rasenflächen. Also zeichnete der Naturgärnter einen Plan, schaute, wie Schatten und Licht fielen – und begann dann frisch zu gestalten und zu pflanzen.  Exoten wie etwa eine Goldzypresse mussten weichen. «Man lässt sich bei so einem Projekt auf einen längeren Prozess ein», erklärt er. Heute gedeihen hier jede Menge einheimische Wildpflanzen, Haufen aus Ästen bieten Tieren einen Unterschlupf, im Kompost wohnen Blindschleichen, Steinmauern sorgen für warme Sonnenplätzchen und Wasserstellen bieten Bademöglichkeiten für Vögel: Metallwannen, kleine Teiche und natürliche Vertiefungen im Boden, die sich bei Regen mit Wasser füllen.

 

Die Hecke, die das Grundstück gegen die Strasse hin abgrenzt, hat in 19 Jahren ein einziges Mal eine Schere gesehen. Hier wachsen Kornelkirschen, Weiss- und Schwarzdorn wie auch Vogelbeeren, die von mehr als vierzig Vogelarten gefressen werden. «Der Garten soll aber auch für mich eine Oase sein», betont Andreas Schild. Deshalb stehen hier 16 Obstbäume und 12 Beeren-Sträucher, es gibt Beete mit Salat, Zwiebeln und Kartoffeln, dazu Kräuter – und eine lauschige Nische für die Hängematte.

Das können Hobbygärtner tun

  • Soll ich Vogelfutter anbieten?
    Dies ist eine gute Möglichkeit, um die Tiere zu beobachten. Doch Vögel füttern ihre Jungen mit Insekten. Also macht es mehr Sinn, das Nahrungsangebot durch einheimische Pflanzen wie Weissdorn, Vogelbeere, Wilde Karde, Klettendistel oder
     
  • Hilft ein Vogelbad?
    Vögel können nicht schwitzen. Wer ihnen einen Gefallen tun möchte, füllt am besten eine kleine Schale oder einen Blumentopfuntersetzer mit Wasser. Der Hygiene zuliebe das Wasser täglich wechseln.
     
  • Wie vertreibe ich Katzen?
    Baumstämme unter dem Nistkasten mit einer Drahtsperre oder einer Plexiglasverkleidung katzensicher machen. 
    Tipp: Dornige Äste von Himbeeren oder Brombeeren abschneiden und um das Vogelbad auf den Boden legen.
     
  • Kann ich auch auf dem Balkon etwas tun?
    Mit einheimischen Sträuchern oder Blumen in Töpfen lassen sich Insekten fördern, die den Vögeln als Nahrung dienen.
    Tipp: Auf einem hoch gelegenen Block-Balkon kann man auch Nistkästen für Höhlenbrüter wie Meise, Spatz, Kleiber, Wendehals, Gartenrotschwanz, Star oder Dohle anbringen.
     
  • Wie sieht eine gute Nisthilfe aus?
    Wer selber einen Kasten zimmern möchte, muss auf die richtige Grösse achten. Denn in vielen herkömmlichen Nistkästen lassen sich vor allem Spatzen und Meisen nieder.
    Tipp: Eine Bauanleitung der Schweizerischen Vogelwarte herunterladen.
     
  • Was muss ich tun, wenn ich einen jungen Vogel finde?
    Meistens ist ein Eingreifen nicht nötig, da ihn die Eltern auch ausserhalb des Nestes betreuen. Nur wenn das Junge noch nicht voll befiedert ist oder nicht hüpfen kann, bitte in eine entsprechende Pflegestation bringen.


Weitere Infos und Tipps hat die Schweizerische Vogelwarte. 


Das Neudorff-Insektenhotel bietet Unterschlupf für Insekten, und diese helfen wiederum der Vögelpopulation. 

Meistens gehört in einen Familiengarten auch eine Spielwiese, dagegen ist nichts einzuwenden. «Aber ungenutzte Flächen darf man ruhig sich selber überlassen», erklärt Livio Rey, Biologe an der Schweizerischen Vogelwarte in Sempach LU. Denn nur wenn Tiere einen Raum zum Leben und Nahrung fänden, könne ihr Bestand erhalten werden. «Die aktuelle Situation reicht je nach Art von bis ». So geht es den meisten Waldvögeln gut, in Feuchtgebieten dagegen sind viele Bestände klein und durch Störungen gefährdet – und im Kulturland nehmen sie wegen intensiver Landwirtschaft ab. Rund 40 Prozent der Schweizer Brutvögel sind bedroht, dreimal mehr als im weltweiten Durchschnitt. «Vor allem wegen übermässigem Einsatz von Düngern und Pestiziden fehlt es an Nahrung für die Vögel», erklärt der Experte. Was man tun kann? Naturfreundlich produzierte Ware kaufen, Schutzgebietsgrenzen respektieren und sich bei Wahlen und Abstimmungen für die Natur aussprechen.

 

Retter in der Not

Von seinem Bürofenster aus im Erdgeschoss hat Andreas Schild einen Teil seines Gartens im Blick. Immer parat liegt da auch seine Kamera, damit er die gefiederten Besucher fotografieren kann. Und es kommt schon mal vor, dass er als «Vogelbeobachter» junge Tiere im Auge behält, die noch nicht fliegen können. «Einmal habe ich stundenlang auf kleine Gartenrotschwänze aufgepasst, so dass ich bei einem Katzenangriff hätte dazwischen gehen können.» Seine Bemühungen werden mehr als belohnt, hat sich die grüne Oase doch von der einstigen Raseneinöde zu einem Pflanzen-, Tier- und Vogelparadies gemausert. Andreas Schild erzählt mit Begeisterung vom Pirol («gelb und gross»), vom Neuntöter («mit schwarzem Band über den Augen») und dem Wendehals («der liebt Ameisen»). Einer dieser Hühnerhaut-Momente ist für ihn stets, wenn die Nachtigall es sich in der Hecke gemütlich macht: «Sie singt wirklich so schön, wie man ihr nachsagt.»

Hilf Insekten. dann hilfst du auch Vögeln

Schon gelesen?