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Künstliche Riffe

So wollen zwei Frauen die Korallen retten

Mit Tonelementen, die sich wie Legosteine zusammenbauen lassen, will ein Schweizer Start-Up ein künstliches Korallenriff bauen – und so die Ozeane retten. Noch müssen die Gründerinnen jedoch zittern.

Text Dario Aeberli, Patricia Brambilla 
Datum
Marie Griesmar (links) und Ulrike Pfreundt wollen mit Tonbausteinen ihre eigenen Korallenriffe bauen.

Marie Griesmar (links) und Ulrike Pfreundt wollen mit Tonbausteinen ihre eigenen Korallenriffe bauen.

Die Zeit wird langsam knapp. In 25 Tagen sollten 230 Bausteine aus Ton per Schiff auf der kolumbianischen Insel San Andrés im Karibischen Meer ankommen und versenkt werden. Spätestens. Doch aktuell hängt der Container mit den Tonelementen noch am Zoll in Rotterdam fest. Rund 8'600 Kilometer vom Ziel entfernt. «Wir zittern im Moment, ob die Bausteine rechtzeitig ankommen. Wir können den Logistikprozess aber nicht mehr beeinflussen», sagt Ulrike Pfreundt. Die 35-jährige Meeresbiologin hat 2019 zusammen mit Marie Griesmar, einer befreundeten Künstlerin, die NGO «Rrreefs» gegründet.

Ihr Ziel ist ehrgeizig: Sie wollen die Korallenriffe auf dieser Welt retten. Dazu haben sie eine Art ausgehöhlten Legostein aus Terrakotta-Ton entwickelt. Mit diesen Bausteinen möchten sie ihre eigenen Riffe bauen.
 

Auch für die Korallen wird die Zeit langsam knapp. Denn Klimaerwärmung, Überfischung und Wasserverschmutzung setzten ihnen arg zu. Forscher gehen davon aus, dass die Menschheit bereits ein Drittel aller Korallenriffe in den Ozeanen zerstört hat. Das ist Laut Greenpeace aus mehreren Gründen ein Problem: Erstens leben in den sogenannten «Regenwälder der Meere» ein Viertel aller marinen Lebewesen weltweit. Millionen von Menschen aus dem Tourismus und der Fischerei sind von den Korallenriffen abhängig. Zweitens dienen die Riffe dem Küstenschutz. Indem sie die Wellen brechen, verhindern sie, dass an den Küsten Sand abgetragen wird und Land verloren geht. Genau das passiert aber gerade bei der kolumbianischen Insel San Andrés, weil ein Teil des Korallenriffs zerstört ist. Noch. In der entstandenen Lücke möchte «Rrreefs» ihre durch Spenden finanzierten Bausteine platzieren und verankern.

Andockmöglichkeit für Korallen

«Wir versuchen, die Meeresströmungen zu verstehen und organische Formen zu schaffen, damit sich die Korallenlarven an der Oberfläche festhalten können», erklärt Marie Griesmar. Die 29-jährige Künstlerin hat die gerillten Tonelemente kreiert. Sie liebt es, Kunst und Ozeanographie zu verbinden, an der Schnittstelle zwischen Wissenschaft und Emotion zu stehen und sich in den Kopf der Fische zu versetzen. Erst einmal angedockt, sollen so Lebensräume für ein reichhaltigeres Ökosystem entstehen. Das sei auch vorteilhaft für Fische, Muränen, Schildkröten oder Muscheln.

Griesmar taucht seit ihrem 8. Lebensjahr. Damals noch mit ihrem Vater in den Tiefen des Genfersees. Sie hätte Biologie studieren können, aber sie brauchte einen anderen Ansatz, eine andere Ausdrucksform. So absolvierte sie ihre Ausbildung in bildender Kunst am Head in Genf und anschliessend an der Zürcher Hochschule der Künste. In Zürich lernte sie ihre Kollegin Ulrike Pfreundt kennen. Ihre Interessen stimmten überein und ihre Ansätze ergänzten sich. «Ich habe die Ideen, die Vision, die Inspiration. Sie das technische Knowhow, um das umzusetzen», sagt Griesmar.

Ein langsamer Prozess

Die ausgehöhlten Terrakotta Legosteine stellt ein 3D-Drucker in Zürich her. Aber zuvor muss die Erdmasse vorbereitet, in eine zähflüssige Konsistenz gebracht und geknetet werden, um die Luft herauszuziehen. Dann wird die Masse in einen Zylinder gepresst, den der Drucker nach dem programmierten Muster in Fadennudeln ausspuckt. Der rohe Baustein muss dann zwei bis drei Wochen lang trocknen, bevor er über Nacht in einem Ofen mit niedriger Temperatur gebrannt wird. «Man muss mit Geduld arbeiten und die Materialien genauso respektieren wie die Organismen», sagt Griesman.

Pfreundt will den Prozess in Zukunft deutlich effizienter machen. «Im Moment kostet die Herstellung einer dieser drei Kilogramm schweren Bausteine 80 Franken», sagt sie. Wenn das Experiment in San Andrés Erfolg habe, sollen die Tonelemente künftig gleich dort produziert werden, wo man sie braucht. «Zum Beispiel mittels sogenannter Extrusion. Das ist, wie wenn man mit einer Form Guezliteig aussticht», sagt Pfreundt. Das Herstellen vor Ort hätte auch den Vorteil, dass man nicht auf die träge Schiffslogistik angewiesen wäre. Am 10. September wollen Pfreundt und Griesman beginnen, ihr Korallenriff unter Wasser zu bauen. 12 Taucherinnen und Taucher – die Hälfte davon aus der Schweiz –, die kolumbianische Marine und die Umweltorganisation Corales de Paz stünden dann bereit. Jetzt müssten in Rotterdam nur noch bald einmal die Tonbausteine verschifft werden.

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