Aber all das hilft nicht, wenn wir die Klimakrise nicht in den Griff bekommen?
Richtig. Und das wird uns eben nur mit Hilfe der Marktwirtschaft gelingen. Wir können doch von den Milliarden von Menschen in Asien oder Afrika nicht verlangen, auf das zu verzichten, was wir paar Millionen Europäer und Amerikaner schon längst haben. Stattdessen müssen wir mithelfen, dass dort neue, CO2-neutrale Technologien zum Einsatz kommen. Das ist der um Dimensionen grössere Beitrag, den wir leisten können, als weniger zu heizen oder mit dem Rad statt dem Auto zu fahren. Deshalb ist es so wichtig, dass wir uns mit mutigen Reformen die Akzeptanz der Marktwirtschaft erhalten.
Corona hat bereits einiges verändert – was wird bleiben?
Vieles. Kriege, Krisen und Katastrophen – so furchtbar sie sind – führen immer zu Innovationsschüben. Die Pandemie hat sich abzeichnende Veränderungen beschleunigt. Geradezu ein Erweckungserlebnis waren die letzten Monate für die Digitalisierung und die Auswertung von Daten für wirtschaftliche oder andere Nutzung. Homeoffice, Online-Treffen und -Shopping werden nicht mehr verschwinden. Unterrichtsformen werden sich verändern. Geschäftsreisen wird es nur noch geben, wenn es wirklich wichtig ist.
Die letzten Jahre waren aber auch geprägt von Handelskonflikten, Strafzöllen, Protektionismus, Sanktionen. Hat die Globalisierung ihren Zenit überschritten?
Ganz klar. Produkte im Ausland herzustellen, war lange billiger, verursachte jedoch häufig menschenunwürdige Zustände oder Umweltschäden. Weil das immer weniger akzeptiert wird, steigen die Produktionskosten nun auch in den bisherigen «Billiglohnländern». So haben sich die Vorteile der Arbeitsteilung deutlich reduziert, und es dürfte bald wieder mehr Fertigungsstätten bei uns geben. Hinzu kommt die Deglobalisierung durch Technologie: Früher hat man Bauteile aus aller Welt physisch importiert, heute lädt man nur noch schnell ein paar Daten runter – und druckt sie auf dem 3D-Drucker selber aus.
Was löst die Globalisierung ab?
Die Glokalisierung, die das beste aus zwei Welten kombiniert. Wissen und Technologie wird man global nutzen und austauschen, aber lokal anwenden und produzieren.
Zum Beispiel?
Man hat jederzeit und überall Zugang zu den besten Herzspezialisten der Welt, kann sie sogar online live für eine Operation dazu schalten. Aber das nötige Implantat wird direkt lokal im Nebenraum massgeschneidert hergestellt und gleich passgenau eingesetzt.