Welches Ergebnis dieser Umfrage hat Sie am meisten überrascht?
Dass 20 Prozent ein Elektroauto kaufen wollen und 10 Prozent gar keines. In beiden Gruppen hätte ich noch höhere Werte erwartet. Auch die generell geringen Unterschiede zwischen Stadt und Land haben mich überrascht. Dieser vielbeschworene Graben zeigt sich einzig beim Thema CO2-Ausstoss, und auch hier eher bescheiden.
In welchem Ergebnis erkennen Sie die grösste Brisanz?
Das relativ geringe Interesse am CO2-Ausstoss. Die Hälfte der Befragten gibt an, beim Konsum nicht darauf zu achten.
Wie erklären Sie sich diesen tiefen Wert?
Ich sehe vor allen zwei mögliche Gründe: Während es für Tierwohl verschiedene Labels gibt und für Schweizer Herkunft eine kleine Fahne auf der Verpackung, fehlen solche Hilfestellungen für den CO2-Ausstoss. Die Migros hat hier zwar mit dem M-Check ein Instrument geschaffen, das gemäss Umfrage aber noch wenige kennen. Und selbst wenn man es kennt: Ich kann zum Beispiel sagen, ich kaufe jetzt nur noch Schweizer Erzeugnisse. Aber ich kann nicht sagen, ich stosse kein CO2 mehr aus. Vielleicht weniger, aber wieviel ist weniger? Für den Konsumenten ist es sehr schwierig, hier eine Linie zu finden.
Und der zweite Grund?
Ich könnte mir vorstellen, dass viele Menschen ihre Einflussmöglichkeiten in der CO2-Thematik als beschränkt einschätzen. Und das stimmt in manchen Bereichen auch. Die Ölheizung in der Mietwohnung kann man sich nicht aussuchen und ein öffentliches Netz an Elektroladestationen baut man sich auch nicht selbst. Der Begriff des «persönlichen CO2-Fussabdrucks» macht aber glauben, dass das Individuum selbst verantwortlich ist. Hier gibt es ein Spannungsfeld …
… und auch Widersprüche. Drei von vier Personen sagen in der Umfrage, der Mensch trage mit seinem Handeln massgeblich zur Klimaerwärmung bei.
Und die gleiche Menge sagt auch, Nachhaltigkeit sei ihr wichtig. In einer Umfrage suchen sie nach Gründen, weshalb sie tatsächlich ökologisch handeln. Und sie werden Beispiele finden: In den Ferien haben sie statt des Flugzeugs den Zug genommen oder sie erinnern sich, letzthin ein vegetarisches Produkt probiert zu haben. Aber wahrscheinlich beurteilen wir uns nachhaltiger, als wir es wirklich sind. Und auch nachhaltiger als unsere Mitmenschen.
Wie beim Foodwaste.
Dort sehen wir das Phänomen sogar in den Zahlen. Die grosse Mehrheit schätzt die eigenen Lebensmittelabfälle als unterdurchschnittlich ein und liegt damit ziemlich sicher falsch. Ein weiterer Grund für die (zu) positive Selbstwahrnehmung ist der Wunsch nach einem stimmigen Selbstbild. Die Meisten kaufen mal ein Bioprodukt und dann aber wieder ein Steak aus Argentinien. In einer Umfrage sucht man nach Gründen, warum man eigentlich ökologisch ist. Da fällt vor allem das Bioprodukt ein, nicht das Steak. So klappt es mit dem stimmigen Selbstbild und der unangenehme Widerspruch wurde erfolgreich vermieden. Dabei sind wir alle widersprüchlich.
Welchen Handlungsbedarf sehen Sie in den Ergebnissen?
Die Schweiz hat internationale Verpflichtungen wie das Pariser Klima-Abkommen und deshalb wäre es falsch, einfach alles der Selbstverantwortung des Konsumenten zu überlassen. Unternehmen und Politik sind gefordert, Angebote und Strukturen zu schaffen. So dass etwa das Elektroauto wirklich die attraktivere Variante gegenüber dem Benziner ist.
Jakub Samochowiec ist Senior Researcher und Speaker am Gottlieb Duttweiler Institut. Der promovierte Sozialpsychologe analysiert gesellschaftliche, wirtschaftliche und technologische Veränderungen mit den Schwerpunkten Entscheidung, Alter, Medien und Konsum.