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Zimmerpflanzen

Die Königin des Dschungels

Alles begann vor fünf Jahren mit einer serbelnden Monstera. Sue Klominkova päppelte sie auf – und kam auf den Geschmack. Heute stehen in ihrer Wohnung mehr als 350 Zimmerpflanzen.

Text Yvette Hettinger
Fotos Anna-Tina Eberhard
Datum
Die ­Arbeit im Homeoffice  ist für sie ein  Segen: Inmitten ihrer Pflanzen fühlt sich  Sue Klominkova ­«ruhig und glücklich».

Die ­Arbeit im Homeoffice ist für sie ein Segen: Inmitten ihrer Pflanzen fühlt sich Sue Klominkova ­«ruhig und glücklich».

«Die hier», sagt Sue Klominkova (36) und öffnet vorsichtig einen mannshohen, gläsernen Kasten, «die ist mein Liebling.» Behutsam entnimmt sie dem Schrank ein etwa 50 Zentimeter hohes Gewächs und betrachtet die langen, samtigen Blätter. «Ein Anthurium Warocqueanum», erklärt die junge Frau. 

Diese Anthurie war nicht mehr als ein daumengrosser Stummel, als sie vor einem knappen Jahr den Weg aus Grossbritannien in die Ostschweiz fand. Per Kurier kam sie, und sie war für Sue Klominkova ein Glücksfall: «Ein ganzes Jahr lange habe ich versucht, ein Anthurium von diesem seltenen Typ zu bekommen», erklärt sie. Bei einem Plant Sale auf Instagram hat es dann endlich geklappt. «Da muss man schnell sein, solche Raritäten sind begehrt.»

Raritäten:  Philodendron Florida Ghost(links) und Anthurium Warocqueanum (rechts)

Raritäten wie Philodendron Florida Ghost (links) und Anthurium Warocqueanum (rechts) sind bei Pflanzensammlern heisst begehrt.

Und nicht gerade billig. 250 Euro hat Klominkova für diese hier hingeblättert. Sie stellt das kostbare Stück zurück in die Vitrine, wo es zusammen mit anderen tropischen Gewächsen still vor sich hin grünt. Dann führt die Pflanzenfreundin weiter durch den Dschungel, den sie in einem 300-jährigen Bauernhaus in Waldkirch SG angelegt hat. Vorbei an schlanken, filigranen, mächtigen und üppigen Pflanzen mit dreieckigen oder runden, tellergrossen oder winzigen Blättern, rosafarben, gefleckt, gefranst, glänzend oder matt schimmernd. Darunter sind mehrere Monsteras.

Mit der Monstera  fing alles an.

Den Anfang machte eine Monstera. «Es war ein armes, verkümmertes Ding», erinnert sich Sue Klominkova.

Mit einer Monstera fing auch alles an, vor rund fünf Jahren. «Es war ein armes, verkümmertes Ding, das hier im Haus in einer Ecke stand, als ich bei meinem Freund einzog», erzählt Klominkova. Sie päppelte die traurige Kreatur auf und war ganz angetan von dem Gefühl, das das gedeihende Gewächs in ihr auslöste. Inzwischen nennt die kaufmännische Angestellte über 350 Zimmerpflanzen ihr eigen.

Ganz schön exotisch: Oxalis Triangularis

Ganz schön exotisch: Oxalis Triangularis. Der rote Dreiecksklee, der auch Glücksklee genannt wird, ist vor allem in Nord- und Südamerika zu finden. 

Pflanzen senken den Stress

Gut 600 Franken pro Monat gibt die Pflanzenliebhaberin für ihr Hobby aus. «Mittlerweile stehen hier Gewächse im Wert eines Kleinwagens.» Eine Investition, die sie allemal lohnend findet. «Wenn ich ins Wohnzimmer komme, fühle ich mich sofort ­ruhig und glücklich», erklärt Klominkova. Das Homeoffice ist deshalb für sie ein Segen. «Meist setze ich mich mit dem Laptop an die Bar dort drüben», sagt sie und zeigt in eine Ecke der Stube, «da habe ich fast alle meine Pflanzen im Blickfeld.» 

Dass ihr das guttut, bildet sich Sue Klominkova nicht ein. Zimmerpflanzen wirken sich positiv auf Körper und Geist aus, wie Martina Föhn (58), wissenschaftliche Mitarbeiterin der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften in Wädenswil ZH, erklärt. Gerade im Winter würden sie das Raumklima verbessern, für feuchtere Haut und Augen sorgen und sogar Kopfweh verhindern. «Ausserdem», so die Forscherin, «nehmen wir Zimmerpflanzen über mehrere Sinne positiv wahr: Augen, Nase, Tastsinn. Das hat Auswirkungen auf den Körper und auf die Psyche.» Die Präsenz von Pflanzen, so hat man herausgefunden, ­aktiviert im Hirn Wellen, die ein Wohlgefühl auslösen. Sie senken den Blutdruck und den Cortisolspiegel – beides kann die nega­tiven Auswirkungen von Stress auf den Körper auffangen. 

Das Erstaunliche dabei: Selbst Menschen, die sich mit den Gewächsen nicht befassen, nehmen sie passiv wahr. «Studien an Arbeitsplätzen haben gezeigt, dass Arbeitnehmende in Büros mit Pflanzen leistungsfähiger sind als in Büros ohne», sagt Föhn. Wer Pflanzen zusätzlich auch auch pflege, verstärke den positiven Effekt.

Sue Klominkova hat ihren Zimmerdschungel in einem 300-jährigen Bauernhaus angelegt.

Sue Klominkova hat ihren Dschungel in einem 300-jährigen Bauernhaus angelegt. Einmal pro Woche verteilt sie 50 bis 80 Liter Wasser an die Gewächse. Das dauert dann jeweils vier Stunden. 

In Waldkirch wirken die Gewächse auch positiv auf die Partnerschaft. Sue Klominkovas Freund Florian Weber (36), Sanitärinstallateur und leidenschaftlicher Motorradfahrer, hatte einst so gar nichts mit Grünpflanzen am Hut. Seine Partnerin unterstützte er anfänglich aus purer Liebe. Er baute Vitrinen zusammen, verlegte Kabel, in­stallierte Leuchten mit Schalt­uhren und begleitete seine Freundin in Gartencenter. Zeitweise argwöhnte er, ihre Sammelwut sei etwas krankhaft.

«Heute erwische ich mich immer öfter dabei, wie ich selber die Luftfeuchtigkeit überprüfe», gesteht er lachend. Er giesst und sprayt und pflegt. Unternimmt mit seiner Partnerin Wald- und Wiesenausflüge, um Gewächse zu studieren oder Teile davon nach Hause zu holen. Oder er schwingt sich mit ihr auf den Töff und fährt sie in die Tropenhäuser und Botanischen Gärten der Schweiz.

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Florian Weber hat sich bei seiner Freundin Sue mit dem Grünpflanzenvirus infisziert. Heute begleitet er sie sie in Tropenhäuser und Botanische Gärten der Schweiz.

«Flo ist mein Jackpot», erklärt Sue Klominkova. Und die Gewächse seien – zusammen mit drei Hunden und einer ­Katze – ihre Babys. Wenn die ­beiden verreisen, bitten sie die Eltern respektive Schwiegereltern um Betreuung der Pflanzen und beobachten diese aus der Ferne über Webcams. 

Natürlich würden sie ihren Lieblingen nie etwas anderes als weiches Wasser zumuten, deshalb hat Florian Weber in der Scheune nebenan einen Tank aufgestellt, in dem Regenwasser gesammelt wird. Einmal pro Woche verteilt Sue Klominkova 50 bis 80 Liter davon an die Gewächse. Das dauert dann jeweils vier Stunden. Jede Kanne wird von Hand herangeschleppt. 

«Manchmal ist es mir zu viel», gesteht die junge Frau. «Es kommt vor, dass ich am Abend von einem Ausflug nach Hause komme und viel zu müde für alles bin.» Doch dann betritt sie ihre Stube, zurrt die Stirnlampe am Kopf fest, streift durch den Dschungel, und dann ist da nichts anderes mehr als Freude. 

Sue Klominkova auf Instagram: sue_cleo_amazonia

Ein Grossteil der Pflanzen wächst in hübschen Stoffsäcken.

Tipps und Ticks

Das kleine Zimmerpflanzen-ABC

Wie fange ich an? 
Am besten mit pflegeleichten Pflanzen wie Monstera, Yucca, Geldbaum, Grünlilie, Bogenhanf, Zamioculcas oder Dracaena. 

Hat es genug Licht? 
Pflanzen mit hellen oder gefleckten Blättern haben einen höheren Lichtbedarf als dunklere. In der lichtarmen Zeit gehören alle Pflanzen direkt an ein Fenster mit südlicher Ausrichtung. Den Rest des Jahres dürfen sie etwas weiter weg stehen. Tipp: Ein Pflanzen­hocker bringt kleine Pflanzen näher ans Fenster.

Dunkle Ecken 
Mit wenig Licht kommen klar: Grünpflanzen wie Zamioculcas, Sansevieria, Spathiphyllum, Dracaena, Calathea, Kentiapalme. Blühpflanzen: Flamingoblume, Usambaraveilchen, Einblatt. Tipp: Mit Kunstlicht, zum ­Beispiel mit speziellen Pflanzenlampen, kann man lichthungrigen Exemplaren helfen.

Wie Giessen?
Pflanzenetiketten geben einen Hinweis auf den Wasser­bedarf. Pflanzen nie in nasser Erde stehen lassen. Erde ab und zu fast ganz austrocknen lassen. Pflanzgefässe mit Wasserablauf und Unterteller benutzen. Tipp: Den Finger tief in die Erde stecken. Ist sie im Bereich der Fingerspitze trocken, giessen. Diese App hilft, ans Giessen zu denken: Vera, Plant Care made simple. Kostenlos für Android und iOS

Pflege
Blätter regelmässig reinigen, tropische Gewächse besprayen. Im Frühling düngen. Umtopfen, wenn die Pflanze zu gross für den Topf geworden ist, in der Regel erstmals zwei bis drei Jahre nach dem Kauf. 

Weitere Tipps: www.migmag.ch/zimmerpflanzen

Gut ausgerüstet für den Indoor-Dschungel

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