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Früher jubelte ihm die ganze Schweiz zu, heute tun das höchstens seine Kinder. Ex-Fussballer Tranquillo Barnetta ist Hausmann – und wird immer wieder gefragt, ob das alles ist, was er macht.
Auf dem Panoramaweg oberhalb von St. Gallen geht Tranquillo Barnetta gerne spazieren mit seinen Kindern.
Wenn ich in einem Café bin, halte ich ständig Ausschau nach Gefahren. Die Tischkanten hier etwa hätten eine blöde Höhe. Da wäre ich während des Gesprächs immer wie auf Nadeln.
Ich kann mich nicht daran erinnern, wann ich das letzte Mal durchgeschlafen habe. Auch wenn die Kinder weg sind, wache ich in der Nacht auf. Das sind die schlimmsten Momente, wenn ich denke: «Jetzt könnte ich endlich durchschlafen, es aber nicht klappt.»
Offenbar, davon hatte ich am meisten Respekt. Als Fussballprofi musste ich nie früh aufstehen und erst so um halb neun, neun Uhr auf dem Trainingsplatz sein. Seit gut drei Jahren geht es nun um halb sechs, sechs Uhr los. Immer wenn ich das Gefühl habe «Jetzt bin ich am Anschlag», kommt meistens noch etwas obendrauf wie Fieber oder so. Und es geht dann trotzdem immer irgendwie, das ist noch spannend.
Genau. Ich will, dass ich ein Interview zu dem Thema gar nicht mehr geben muss. Dass es nichts Spezielles ist, wenn ich hinstehe und sage: «Ich bin Hausmann.» Solange das nicht so ist, stehe ich gerne hin. Eigentlich sollte es keinen Aufschrei deswegen geben, schliesslich gibt es ja auch keine Interviews mit Hausfrauen.
Nein, es ist bei uns in der Schweiz noch immer so, dass mehrheitlich die Mamis zuhause bleiben. Manchmal aus finanziellen Gründen. In vielen Familien wäre es wohl auch möglich, dass der Mann zuhause bleibt, trotzdem haben viele noch das Bild verinnerlicht, dass die Frau daheim bleibt. Auch in meinem Umfeld bin ich der einzige, der zu hundert Prozent Hausmann ist.
Wenn ich gefragt werde, was ich jetzt mache nach dem Fussball. Wenn ich antworte: Ich bin Hausmann, fragen sie: «Und wann machst du wieder etwas Richtiges?»
Mich erfüllt es im Moment, mit den Kindern zusammen zu sein. Für mich ist das ein Luxus, dass ich das erleben darf. Vielleicht müsste ich auch anders reagieren und sagen: «Das ist doch etwas Richtiges.» Ich will die Leute aber nicht belehren, sondern schmunzle und denke: «Wenn die mal zwei Wochen mit den Kindern zuhause wären…»
Lustigerweise eher Mütter, die auch zuhause bei den Kindern sind. Da denke ich: «Du kennst das doch selbst.» Manchmal fragen mich aber auch Männer. Ich glaube nicht, dass das despektierlich gemeint ist. Niemand glaubt wirklich, ich mache nichts. Es ist einfach so in den Menschen drin, dass Hausmann nicht so einanerkannter Job ist, wie eine Anstellung, für die man monatlich einen Lohn bekommt.
Mein Vater war berufstätig und viel unterwegs. Meine Mutter war daheim. Heute sagt sie, dass sie sich erhofft hatte, ihr Mann würde mehr mithelfen zuhause. Sie will sich aber nicht beklagen, das war eine andere Zeit. Aber auch sie sieht, dass gerade ein Wandel stattfindet.
Viele Väter machen einen Papitag. Das ist schon viel wert. Das ist etwas anderes, als wenn man die Kinder nur am Wochenende hat. Wenn man das Haus verlässt, ist man verantwortlich dafür, dass alles dabei ist. So schätzt man mehr, was der Partner die restliche Zeit macht.
Beim FC St. Gallen hat Tranquillo Barnetta (36) seine Karriere im Profifussball 2002 lanciert und 2019 auch wieder beendet. Dazwischen lief er 75-mal für die Schweizer Nationalmannschaft auf, nahm an drei Welt- sowie drei Europameisterschaften teil und spielte in den höchsten Ligen in Deutschland und den USA. Barnetta ist verheiratet und hat zwei Kinder, um die er sich als Vollzeitpapa gerne kümmert.
Nein, meine Frau war das erste Jahr zuhause. Wir hatten eher Mami-Papi-Tage – ausser wenn ich Auswärtsspiele hatte, dann war ich jeweils zwei Tage fort. Ich wusste schon von Anfang an, dass ich eine wichtige Rolle bei der Erziehung der Kinder spielen wollte. Dadurch gab es eigentlich nie Situationen mit dem Grossen, in denen nur das Mami ihn trösten konnte. Wir waren diesbezüglich von Anfang an gleichgestellt, was mir wichtig war.
Nein. Für mich war schon vorher klar, dass ich bald aufhören würde. Ich kann Yann aber gut verstehen. Mit 20, 25 war es immer mega cool, für zehn Tage in ein Trainingslager zu fahren. Wenn man Familie und Kinder hat, ist man lieber zuhause.
Das war ein Prozess, den meine Partnerin und ich gemeinsam durchgemacht haben. Mir half, dass ich schon eine gewisse Reife hatte. Ich merke trotzdem – obwohl ich einiges erlebt habe – dass ich manchmal an meine Grenzen komme.
Jeder Tag ist eine neue Herausforderung. Vielmals weiss ich, wie ich mit Situationen umgehen kann. Wenn ich aber zum Beispiel einen Termin habe und mein Sohn sich nicht anziehen will, muss ich immer aufs Neue herausfinden, wie ich ihn überreden kann.
Ich versuche ihn abzuholen, indem ich sage: «Moll, jetzt machen wir das, dann können wir später XY machen.» Ich versuche nicht einfach zu sagen: «Doch, jetzt müssen wir das machen.» Gerade bei wichtigen Terminen bin ich dann ziemlich gestresst. Und es bleibt dann nicht bei dem Problem. Sobald er draussen ist, will er dann auch nicht mehr heim. Ich glaube nicht, dass ein junger Tranquillo mit 25 Jahren solche Situationen hätte handeln können.
Geduldig war ich eigentlich schon immer.
Nein, ich habe mich auf solche Situationen gefreut. Ich gehe einmal in der Woche mit den Kindern und der Spielgruppe in den Wald. Dort denke ich: «Wow, so cool.» Oder das erste Mal mit den Kindern in den Schnee gehen. Vielleicht kommen noch solche Was-mach-ich-da-Momente. Ich bin zum Beispiel nicht sehr musikalisch. Mit den Kindern mal ein Instrument zu lernen, obwohl ich es nicht kann, stelle ich mir lustig vor.
Auf das erste Mal mit den Kindern in den Schnee gehen hat er sich schon lange gefreut.
Ich habe eine Situation im Kopf, die ich mal beobachtete: Ein Kind hatte etwas falsch gemacht und der Papi nahm es zuerst zur Seite. So haben die anderen nicht mitbekommen, wie er sein Kind zurechtgewiesen hat. Das fand ich eine elegante Lösung. Ich hoffe, dass meine Kinder mit mir Spass haben können, aber sich trotzdem an meine Regeln halten. Ich will meinen Kindern lieber erklären, warum sie etwas machen sollten, als einfach Befehle zu erteilen.
Nein. Erstens müssen sie das lernen und zweitens gehört das Nein genauso dazu wie das Ja.
Das traurige ist: Die Kinder kennen die Welt gar nicht anders. Für sie ist es ganz normal, dass alle überall Masken tragen. Mein Sohn war eineinhalb, als die Pandemie los ging. Mit zwei hat er mir dann schon gesagt: «Papi, Maske vergessen.»
Die Familie hat mir geholfen, durch diese Zeit zu kommen. Als Single im Homeoffice, ohne Kontakte, stelle ich mir die Situation noch etwas härter vor. Wir hatten eine spannende Zeit mit der zweiten Schwangerschaft und der Geburt.
Ja, aber man merkt zum Beispiel bei den Kindern, dass sie nicht den selben Kontakt zu anderen Kindern haben wie in normalen Zeiten. Wenn ich während des Lockdowns mit dem Grossen auf den Spielplatz ging und es zu viele Leute hatte, sind wir wo anders hingegangen. Mein Sohn ist auch nicht in der Kita, wo er lernen würde, seine Spielsachen zu verteidigen. Ich klaue ihm ja selten Spielsachen.
Ja, das fängt gerade an. Das ist für beide noch relativ schwierig.
Das war wahnsinnig spannend – im negativen Sinn. Die Regeln haben alle zwei Wochen geändert. Zuerst hiess es, ich könne mit. Dann nur bis zum Kreissaal, aber nicht rein. Dann, dass ich rein dürfe, aber ich und meine Frau Masken tragen müssten. Und dann durfte man doch wieder nicht rein.
Ich konnte dabei sein. Das war emotional. Beim Gedanken, nicht dabei sein zu können, war ich aus allen Wolken gefallen. Mütter haben ab Beginn der Schwangerschaft einen Bezug zum Kind, Väter weniger. Als das Kind plötzlich da war, realisierte ich auf einen Chlapf: Das ist mein Fleisch und Blut. Wenn ich das nicht miterlebt hätte, würde mir etwas fehlen.
Es ist schwierig, Zeit zu finden – seit dem zweiten Kind noch mehr. Unser Vorteil ist, dass die Kinder am Morgen zwar früh wach sind, dafür am Abend schon zwischen sieben und acht Uhr ins Bett gehen. Dann haben wir etwa zwei Stunden für uns, um normale Gespräche zu führen – all zu spät wollen wir dann aber auch nicht ins Bett. Es geht ja am nächsten Tag früh wieder los. Uns ist es auch nicht so wichtig, auswärts essen zu gehen. Ein Kinoabend hat auch nicht mehr den gleichen Stellenwert wie früher, obwohl wir vor den Kindern wahnsinnig gerne ins Kino gingen.
Tranquillo Barnetta im Dress des FC St. Gallen. Der Ex-Natispieler spielte in der Bundesliga bei Leverkusen, Hannover, Schalke und Frankfurt sowie in Philadelphia (USA). 2019 beendete er seine Karriere und wurde Hausmann. (Bild: Keystone/Gian Eherenzeller).
Ich habe sie zwischendurch versucht abzufragen, das war aber schwierig, weil ich die Hälfte der Wörter auf den Karteikarten nicht verstand.
Leider nicht, dort hätte ich auftrumpfen können! Die grösste Hilfe war ich ihr, wenn ich mit den Kindern nach draussen ging. Denn wenn sie hört, wie sie nach Mami schreien, kann sie nicht einfach weiterlernen.
Nein. Wir wussten, dass sie ihr Studium abschliessen wollte. Sie hat aber nicht gesagt: «Du bleibst jetzt zuhause und ich mach Karriere.» Ich glaube, der grosse Vorteil bei uns ist, dass ich meine Karriere hatte und jetzt nicht zurückstecken muss. Sie zu unterstützen und Hausmann zu sein, erfüllt mich gerade total.
Nein. Ich habe mich nie über das Fitsein definiert. Ich habe aber Tribut dafür bezahlt mit meinem Körper, den Knien. Wenn ich mit den Kindern abwärtsspaziere und zu hinken anfange, spüre ich die 17 Jahre Profifussball. Meine Essgewohnheiten musste ich nicht gross umstellen. Heute esse ich mehr Süssigkeiten und Chips als früher.
Die Adventszeit mit dem Kalender war sehr schön. Am einen Tag durfte der Grosse, am nächsten Tag die Kleine ein Türchen öffnen. Wir machen das alle zusammen am Morgen und diese Freude zu sehen, ist wunderschön. Immer wenn sie ein Türchen öffnet, sagt er: «Das ist glaube ich etwas für uns beide, oder?» Bei solchen Momenten dabei sein zu können, macht mir grosse Freude.
Das geht wahnsinnig schnell. Schon nach so einem Nachmittag wie heute ist die Freude gross, wieder nach Hause zu kommen. Und das Schöne ist: Es beruht auf Gegenseitigkeit. Die Kleine beginnt gerade zu reden. Und wenn sie Papa ruft, merkt man, das kommt aus tiefstem Herzen, obwohl ich gar nicht so lange weg war.