Rolf Hiltl, Nicole Hasler und Daniel Tinembart über ihren ersten Eindruck von kultiviertem Poulet – und was man noch verbessern könnte.
Hätten Sie gedacht, dass das kultiviertes Fleisch ist, wenn Sie es nicht gewusst hätten?
Rolf Hiltl: Nein.
Daniel Tinembart: Ich auch nicht.
Nicole Hasler: Beim Würstchen habe ich mich allerdings gefragt, ob man das nicht auch mit einem pflanzenbasierten Ansatz hinkriegen würde.
Hiltl: Könnte schon sein, ist aber nicht so einfach. Die Struktur hier ist eben schon gut; wenn man das Würstchen bricht, knackt es ein bisschen wie bei einem Wienerli. Das ist pflanzenbasiert schwer zu erreichen.
Hasler: Klar, aber das entwickelt sich ja noch und wird stetig besser. Und die etwas weicheren Würstchen im angelsächsischen Raum bekommt man pflanzenbasiert schon ganz gut hin.
Und die Frühlingsrollen?
Tinembart: Die waren überzeugend verpackt, und man musste das Poulet erst mal rausfiltern. Aber wenn man das gemacht hat, schmeckte es wie es sollte.
Hiltl: Das fand ich auch, die Struktur hat mich aber noch nicht ganz überzeugt, es hat zu sehr geflockt, fiel zu leicht auseinander.
Hasler: Mir hat gerade gefallen, dass es nicht so pappig aneinander klebte.
War der Burger der Höhepunkt?
Tinembart: Ganz klar, der war wirklich überzeugend.
Hiltl: Ja, tiptop. Das Fleisch hatte die richtige Konsistenz und Struktur, der Geschmack stimmte. Aus meiner Sicht hätte es keine Panade gebraucht, und statt in der Fritteuse hätte ich ihn lieber auf dem Grill gehabt. Aber das Produkt als Ganzes überzeugt.
Hasler: Sehe ich genauso. Umso mehr als kultiviertes Fleisch auf dem Grill besser schmeckt als pflanzenbasierte Ersatzprodukte. Die Maillard-Reaktion, dank der beim Grillieren von Fleisch das typische rauchige Aroma entsteht, können diese derzeit noch nicht imitieren.
Hiltl: Und bei keinem der drei gab es diesen leichten Nachgeschmack, den es bei pflanzenbasierten Produkten ab und zu gibt.
Hasler: Es ist eben nicht wie Fleisch, es ist Fleisch. Punkt.
Wo sehen Sie noch Verbesserungspotenzial?
Tinembart: Vor allem bei der Rezeptur. Der Wurst hätte ich noch mehr Zutaten beigemischt, Kräuter und anderes, das noch etwas Farbe und Geschmack gibt. In dieser Form ist es kein Produkt, das in der Schweiz allzu gut ankäme, glaube ich.
Hasler: Die Wurstpräferenzen sind von Land zu Land sehr unterschiedlich, in der Schweiz bevorzugt man knackige Wienerli…
Hiltl: …oder eine Bratwurst wie vom Sternen-Grill in Zürich. Die hier hat mich eher an eine dieser Billig-Hotdogs aus den USA erinnert.
Tinembart: Oder an irische Frühstückswürstchen.
Hiltl: Aber so verschieden die Geschmäcker bei der Zubereitung sind, der Punkt hier war ja die Struktur des Fleischs. Und die war gut, diesbezüglich gibt’s keinen Verbesserungsbedarf.
Hasler: Ich sehe hier grosses Potenzial für die Zusammenarbeit mit Metzgern. Die können aus dem Grundprodukt jene Würste machen, die bei ihrer Kundschaft gefragt sind.
Haben Sie Bedenken wegen der künstlichen Herstellung? Oder hat das Zukunft?
Hasler: Diese Startups haben noch einen langen Weg vor sich – neben der Akzeptanz geht es vor allem um die Skalierung der Technologie, damit die Produkte bezahlbar werden.
Tinembart: Ich denke, das wird künftig einen relevanten Teil des Fleischkonsums ausmachen.
Hiltl: Ich war lange skeptisch, und ich probiere ja viel im pflanzenbasierten Bereich. Aber angesichts von dem, was ich nun hier gehört und probiert habe, denke ich: Das hat eine grosse Zukunft. Gerade auch, wenn man schaut, wie klein der Anteil der Weltbevölkerung ist, der auf Fleisch verzichtet. Wenn man es aber rein pflanzlich genauso gut hinkriegt, finde ich das besser.
Tinembart: Spannend ist auch, wie Vegetarier damit umgehen. Denn eigentlich ist es ja Fleisch, aber weil kein Tier dafür gestorben ist, könnte es ein Vegetarier im Grunde bedenkenlos essen. Es entsteht eine ganz neue Option für sie.
Hiltl: Das sehe ich ähnlich. So wie das hier hergestellt wird, ist das eigentlich ein vegetarisches Produkt.
Und wie schätzen Sie die Akzeptanz bei den Leuten ein?
Hiltl: Die wird wohl kommen, das ist auch eine Gewöhnungsfrage, wie bei vielen Lebensmitteln.
Hasler: Bei uns sind die Ansprüche und das Vertrauen ins Lebensmittelsystem hoch, von daher ist es in der Schweiz vielleicht eine grössere Herausforderung als anderswo.
Hiltl: Solange die Grundlagen bei der Herstellung natürlich sind, pflanzenbasiert und ohne genetische Manipulationen, wird das funktionieren.
Hasler: Es dürfte wohl zu einem Wettlauf kommen zwischen pflanzenbasierten Fleischersatzprodukten und kultiviertem Fleisch. Und ich bin nicht sicher, wer dann das Rennen macht.
Hiltl: Die grosse Mehrheit der Menschen isst auch Fleisch. Von daher dürfte das kultivierte Fleisch langfristig die Nase vorn haben.
Wenn solche Produkte in ein paar Jahren bei uns auftauchen, werden Sie sie konsumieren?
Hasler: Auf jeden Fall. Ich unterstütze diese Herstellungsmethode, denn gerade beim Poulet steht die Branche vor der Herausforderung, dass westliche Konsumenten nur noch Brustfleisch essen möchten. Warum also das ganze Tier produzieren?
Tinembart: Ja, man kann da sicher viel Gutes tun, wenn man auf kultiviertes Fleisch umstellt.
Wird es kultiviertes Fleisch irgendwann gar in den Hiltl-Restaurants geben?
Hiltl: Ganz persönlich würde ich sagen: Ja. Aber das müssen wir im Team anschauen, und auch die Bedürfnisse unserer Gäste berücksichtigen. Das Produkt ist zwar aus meiner Sicht vegetarisch, aber was wir in den Restaurants servieren, ist inzwischen zu 80 Prozent vegan. Wenn sich das in diese Richtung weiterentwickelt, wird es schwierig. Wenn wir aber das vegetarische Angebot behalten, würde kultiviertes Fleisch aus meiner Sicht passen.