
Noch diese Woche kommt das «Non»-Bier in die Filialen. Ein Besuch bei der St. Galler Brauerei Schützengarten, wo das ...
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Die Einführung des ersten Migros-Biers «Non» wirft Fragen auf. Bier-Sommelier Christian Jauslin und Braumeister Richard Reinart kennen die Antworten. Und zwar alle.
Hat eine Schaumkrone nur «schön» zu sein oder erfüllt sie irgendeinen Zweck? (Bild: Getty Images)
Richard Reinart: Bier enthält durch die Gärung Kohlensäure. Diese steigt in Form von Bläschen auf, sobald der Druck beim Öffnen der Flasche abfällt. Auf dem Weg nach oben im Glas nehmen sie Eiweisse mit und stabilisieren sich als Schaum.
Christian Jauslin: Hier spielt auch die Sauberkeit im Bierglas eine Rolle.
Richard Reinart: Richtig. Schaum mag kein Fett, sei das durch Lippenstift oder wenn man ein Schnitzel dazu isst. Wir kennen das alle: Das zweite Bier im selben Glas macht keine so schöne Schaumkrone mehr.
Richard Reinart: Wie das Wort «Krone» verdeutlicht, geht es hier vor allem um eine Ästhetik, die zum Bier gehört. Da gibt es allerdings kulturelle Unterschiede, in Belgien etwa wird der Schaum weggestrichen.
Christian Jauslin: Ich glaube, für die Bitterstoffe ist der Schaum auch noch wichtig, oder?
Richard Reinart: In der Tat. Die Alphasäure des Hopfens, die den Schaum stabilisiert, macht das Bier bitter. Der Schaum ist somit bitterer als das Getränk, wo die Alphasäure verdünnt ist. Aber eben, letztlich trinkt man ja das Bier, und nicht den Schaum.
Richard Reinart: Theoretisch ja. Wir brauchen aber die Enzyme im Braugerstenmalz, um diese Stärke erst in vergärbaren Zucker umzuwandeln. Man kann auch aus Kartoffeln oder Reis Bier machen. Beim Mais müsste man Cornflakes verwenden, da im ganzen Maiskorn der Fettgehalt zu hoch ist. Bei solchen «Exoten» ist aber immer ein Teil Gerstenmalz oder Braugetreide dabei, um diese wichtigen Enzyme dabeizuhaben.
Richard Reinart: Ich habe einmal in Mexiko ein Chilli-Bier probiert. Das war so scharf, dass man im Anschluss etwas zu trinken brauchte (lacht). Bei aller Begeisterung für Exotisches: Bier sollte für mich vor allem Genuss sein. Während meiner Ausbildung kam ich mit Sauerbieren in Kontakt. Das widerstrebt einem Braumeister zunächst, denn wir versuchen ja immer etwas mikrobiologisch Reines herzustellen. Aber da ging ein neues Universum für mich auf. Das «Duchesse de Bourgogne» zum Beispiel schmeckt nach Balsamico-Essig. Eine tolle, neue Erfahrung.
Christian Jauslin: Wir haben einmal versucht, etwas zu finden, aus dem noch niemand Bier gemacht hat. Das ist inzwischen wirklich schwierig. Von Marshmellows über Rinderhoden bis hin zu Gurken. Das will man nicht alles trinken, aber ich habe schon Hervorragendes entdeckt, zum Beispiel ein Curry-Stout (Stout ist ein Dunkelbier mit fester Schaumkrone wie zum Beispiel Guinness aus Irland, Anmerkung der Redaktion). Klingt grausam, ist aber grossartig. Eine kleine Brauerei aus Burgdorf macht Tannenbaumbier. Das schmeckt schön nach Wald.
Christian Jauslin (46) wuchs ganz in der Nähe der Brauerei Schützengarten auf und studierte an der Universität Zürich Medienwissenschaften. 2012 absolvierte er die Ausbildung zum Schweizer Bier-Sommelier und 2013 in München zum Diplom-Sommelier. Hauptberuflich berät er die Migros-Industrie in Kommunikationsfragen.
Christian Jauslin: Es gibt hier zwei Strategien, Verstärken oder Kontrast. Ich persönlich mag Ersteres. Dunkelbier und Tomaten. Beides hat Umami. Oder Stout mit mexikanischem Essen.
Richard Reinart: Ich bin selber Jäger und mag zu Wild gerne etwas stärkere Biere. Also Rehrücken mit selber gesammelten Pilzen, Rotkraut und Spätzli hausgemacht und dazu ein schönes Weizen-Doppelbock. Nachher Schokolade zum Dessert, begleitet von einem noch stärkeren Weizen-Eisbock.
Richard Reinart: Schweres Essen mit leichtem Bier passt in meinen Augen nicht, ebenso wenig wie umgekehrt. Wie in einer guten Partnerschaft sollten die beiden einander bereichern und den einzelnen besser machen. Das ist dann perfektes Food-Pairing.
Richard Reinart: Zu den Kombinationen gibt es etliche Theorien, die wissenschaftlich aber nicht bestätigt sind. Wein auf Bier, Bier auf Wein, und was es da alles gibt. Ich habe unterschiedliche Erfahrungen gemacht und lasse Wein lieber sein. Ich trinke höchstens einmal einen guten Whiskey. Ein wunderbares Produkt, das ja auch aus Malz hergestellt wird.
Christian Jauslin: Die vorher erwähnten Sauerbiere, die in Belgien populär sind, eignen sich sehr gut als Apéro-Getränk und Weisswein-Ersatz. Man kann zu verschiedenen Gängen Weine und Biere abwechseln…
Christian Jauslin: Das findet man heraus, je mehr man ausprobiert. In Norditalien wird Bier übrigens mit Trauben gemischt und vergärt. Das gibt dann das sogenannte Grape Ale. Es ist also nicht so, dass Wein und Bier überhaupt nicht miteinander können.
Richard Reinart (46) wuchs in der Eifel in Deutschland auf lernte Brauer und Mälzer bei der Bitburger Braugruppe. Später studierte er Brauwesen an der Technischen Universität Berlin. Heute ist er technischer Direktor bei der St. Galler Brauerei Schützengarten, die für die Migros das alkoholfreie Bier «Non» herstellt.
Christian Jauslin: Wie alt ich war, weiss ich nicht mehr. Vermutlich war es der Schaum vom Glas des Vaters. Und ich gehe davon aus, dass es mir schmeckte. Woran ich mich hingegen genau erinnere: Mit 21 war ich in Las Vegas und probierte ein Anchor Steam. Da merkte ich, es gibt noch mehr als Lager und Weizen. Und das bewog mich, mich näher mit Bier auseinander zu setzen.
Richard Reinart: Ich war 5. Ich sass mit meinem Vater in der Kneipe und bekam ein Biobit. Das war kein Biobier, sondern ein alkoholfreies Malzgetränk, das in einer Bierflasche serviert wurde. Nach der Sonntagsmesse beim Frühschoppen mit den Erwachsenen anzustossen, da fühlte ich mich natürlich als richtiger Kerl (lacht). Das erste alkoholische Bier hatte ich wohl mit 14 oder 15 und fand es zu bitter. Was ich hingegen immer schon mochte, ist der Geruch von Malz. Ich bin auf dem Bauernhof aufgewachsen und freute mich immer, wenn der Malztreber angeliefert wurde. Das ist ein Abfallprodukt aus der Bierbrauerei, das als Tierfutter verwendet wird.
Richard Reinart: Zunächst einmal gibt es eine Gemeinsamkeit: Frauen hier mögen angeblich kein Bier. Und das vielleicht sogar noch ausgeprägter in der Schweiz.
Christian Jauslin: Das wird tatsächlich in keinem anderen Land der Welt penetranter behauptet.
Richard Reinart: Man muss aber auch sehen, wie Bier früher konsumiert wurde. Eigentlich stillos, aus der Flasche, nicht einmal mit einem Glas gewürdigt. Dass das keine Frau wollte, kann ich gut verstehen. Wenn man hingegen sieht, wie Belgien das zelebriert: Für jedes Bier gibt es ein eigenes, schönes Glas. Und dort ist es seit jeher völlig normal, dass Frauen Bier trinken. Übrigens: Auch das Argument, Bier sei den Frauen zu bitter, ist haltlos: Apérol Spritz ist zehnmal bitterer.
Christian Jauslin: In Deutschland ist Bier ein Kulturgut, in der Schweiz hat es das Image eines Büezer-Getränks.
Richard Reinart: Mag sein, wobei in der Schweiz biermässig sehr viel passiert ist und immer noch passiert. Als Vertreter einer Brauerei müsste ich sagen, es wäre mir lieber, wir hätten nicht so viele Konkurrenten. Für mich als Berufsfachmann ist es aber eine unglaubliche Bereicherung. Dass man heute ein Curry-Stout machen kann, ohne gleich gesteinigt zu werden, das ist doch toll!
Christian Jauslin: Und diese Freude an der neuen Vielfalt erstreckt sich eben auch auf die alkoholfreien Biere. Früher trank man das aus der Not, weil man Auto fuhr und zur Auswahl stand genau eine Marke. Heute kann ich zwischen Lager, Weizen, Stout und IPA auswählen und aus Genuss alkoholfrei wählen, nicht weil ich muss.
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