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Beschneier Pep Garcia

Herr Holle

Während andere schlafen, fabriziert er Schnee: Pep Garcia ist in Sattel-Hochstuckli für die künstliche Beschneiung zuständig. Ein Knochenjob mit ungewisser Zukunft. 

Text Anne-Sophie Keller
Fotos Basil Stücheli
Datum
In einem Auslandjahr in Norwegen verliebte sich Pep Garcia aus Barcelona in den Schnee. Seit Ende 2020 arbeitet er als Beschneier auf dem Hochstuckli. 

In einem Auslandjahr in Norwegen verliebte sich Pep Garcia aus Barcelona in den Schnee. Seit Ende 2020 arbeitet er als Beschneier auf dem Hochstuckli. 

Nur der weisse Untergrund reflektiert etwas Licht, ansonsten ist es stockdunkel. Es ist der Beginn einer kühlen Januarnacht. Durch einen Nebel aus Eiskristallen stapft eine verhüllte Person mit Helm und Taschenlampe. Für Pep Garcia (32) ist es der Beginn eines ganz normalen Arbeitstages. Garcia ist Beschneier und stellt sicher, dass die Skipisten am nächsten Morgen für die Gäste bereit sind. 

Aufgewachsen ist Garcia an einem wärmeren Ort in der Nähe von Barcelona. Für ihn stand immer fest: alles ausser ein Bürojob. Nach dem Geografiestudium verbrachte er ein Austauschjahr in Norwegen, wo er sich in den Schnee verliebte. Im spanischen Skiresort Masella wurde er während drei Jahren in der technischen Schneeherstellung ausgebildet, später folgten Kurse bei Technoalpin im Südtirol. Ende 2020 zog Pep Garcia nach Brunnen SZ und arbeitet seither auf dem Hochstuckli als Berufs-Schneemann.

Pep Garcia bei der Arbeit auf dem Hochstucki, Der regelmässige Check der Beschneiungsmaschinen gehört zum nächtlichen Ritual. 

Pep Garcia bei der Arbeit auf dem Hochstucki, Der regelmässige Check der Beschneiungsmaschinen gehört zum nächtlichen Ritual. 

Denn ohne Kunstschnee geht hierzulande bald nichts mehr: Seit Ende der 60er-Jahre haben die Tage, an denen Wintersport betrieben werden kann, um 20 bis 30 Prozent abgenommen.  Die Schneegrenze wird bis zum Ende des 21. Jahrhunderts um mehrere Hundert Meter steigen, was die Skisaison um bis zu zwei Monate verkürzen wird. Um die Schneesicherheit für Skigebiete weiterhin zu gewährleisten, müsste die künstliche Beschneiung bis Ende des Jahrhunderts verdreifacht werden.

Nichts für schwache Nerven

In Sattel-Hochstuckli wird vom ersten Dezemberwochenende bis Mitte Februar beschneit. Das Wasser wird aus der Steiner Aa, dem Flüsslein am Fusse der Drehgondelbahn, gefiltert und von dort zu den 38 Schneekanonen und -lanzen den Berg hochgepumpt. Sobald es oben kalt genug ist, fängt Peps Arbeit an. Der Beschneier kontrolliert die Maschinen, wechselt Ersatzteile aus, repariert Leitungen, überwacht die Technik. Die Natur ist dabei allgegenwärtig: Blitze beschädigen das Kommunikationssystem, Starkregen überflutet Schächte, Frost gefriert das Flusswasser, Stürme beschädigen Stahlträger. 

Fakten und Zahlen zur Beschneiung

54
Schweizweit gibt es rund 22500 ha Pisten, davon waren 2021 54 Prozent technisch beschneibar. In Österreich waren es 70 und in Südtirol gar 90 Prozent.

15500
Die in der Schweiz beschneite Fläche entspricht rund 15500 Fussballfeldern.

500
Um einen einzigen Kubikmeter Schnee herzustellen, benötigt eine Beschneiungsanlage 500 Liter Wasser.

4700
Ein durchschnittliches Skigebiet gibt laut Seilbahnen Schweiz für die Beschneiung pro Tag 4700 Franken aus, ein grosses 43000 Franken.

60
In der Schweiz werden 60 Gigawattstunden Strom zur Beschneiung benötigt, das entspricht 0,1 Prozent des gesamten Stromverbrauchs des Landes.

Langweilig wird es dabei nie. «Löcher buddeln ist um 22 Uhr noch lustig»,  sagt Pep, «aber nicht nach drei Uhr, wenn die Jacke nicht mehr so richtig trocknen will.» Zudem sei der Job gefährlich: Man arbeitet mit schweren Maschinen unter widrigen Umständen; in den Schächten donnert das Wasser mit 65 Bar durch. Via Radio besteht jeweils eine direkte Verbindung mit der Rega.  

Auch Peps Kollegin Jodie Schwarz (20) kennt die richtig harten Nächte. Einmal froren ihr bei minus zehn Grad während der Reparatur einer Wasserpumpe die Hände an. Dazu kommt die Einsamkeit bei der Arbeit. «Manchmal ist man stundenlang alleine im Dunkeln. Der Schlafmangel befeuert da manche Hirngespinste.» An diesen Momenten sei sie aber enorm gewachsen. «Du bist so oft alleine mit deinen Gedanken. Irgendwann kommen Ruhe und Weitsicht.» Für sie sei der Job eine Lebensschule.  

Die Beschneiungsmaschinen surren und sorgen dafür, das die Pisten am frühen Morgen für die Skifans bereit sind. 

Die Beschneiungsmaschinen surren und sorgen dafür, das die Pisten am frühen Morgen für die Skifans bereit sind. 

 «Niemand hat im ersten Jahr nicht geweint», erzählt Garcia später. Und am Ende der Saison sehe er jeweils aus wie ein Vampir. «Durch die Kälte braucht man viel Energie, aber man kann nachts nicht gleich essen wie tagsüber.» Zudem gewöhnen sich die Augen an die Dunkelheit. «Ich trage tagsüber meistens eine Sonnenbrille. Da machen sich die Leute manchmal etwas lustig über mich», sagt der Schneemann. 

Kunstschnee und die Klimakrise

Die Kritik am Kunstschnee nimmt zu. In Sattel-Hochstuckli steht auf 800 Metern eine der tiefstgelegenen Beschneiungsanlagen der Schweiz. «Im oberen Bereich von 1200 bis 1600 Metern macht die künstliche Beschneiung mehr Sinn», räumt Simon Bissig, Geschäftsführer der Bahnen, ein. «Vielleicht ist in einigen Jahren aufgrund der Wirtschaftlichkeit und Nachhaltigkeit nur noch ein Teilbetrieb möglich. Etwas beim Skilift Engelstoc, der in einem schattigen Gebiet steht, das leicht zu beschneien ist.»

Den Gästen das gewohnte Skierlebnis zu bieten, werde immer anspruchsvoller. Auch weil oft das Bewusstsein für die Umstände fehlt. «Wir hatten Tage mit zwei, drei Zentimetern Schnee. Auf der Webcam sieht das weiss aus. Dann rufen Leute an und sagen, es habe doch Schnee, warum wir nicht beschneien und kein Skibetrieb herrscht.» Zudem wollen viele in den Weihnachtsferien skifahren, obschon die Bedingungen dazu eigentlich erst ab Februar optimal sind. 

Im Büro an der Wärme klärt Pep Garcia die Besucher übers Beschneien auf und erklärt, wieso er die Arbeit draussen so mag. 

Im Büro an der Wärme klärt Pep Garcia die Besucher übers Beschneien auf und erklärt, wieso er die Arbeit draussen so mag. 

Vom Wintertourismus allein kann auf dem Sattel niemand mehr leben. Bereits jetzt wird mehr als die Hälfte der Einnahmen durch den Sommertourismus generiert. In den 90er kam eine Rodelbahn dazu, dann wurden die Wanderwege ausgebaut, später folgten eine Hängebrücke und weitere Attraktionen. 

Was heisst das für den Beschneier? Niemand mache diese Arbeit für eine lange Zeit, sagt Pep Garcia. Aber für ihn ist eines klar: «Der nächste Job muss wieder an der frischen Luft sein.» Mitten in einer eiskalten Nacht von einem Bauern mit dem Traktor abgeschleppt werden zu müssen, sei schlicht ein spannenderes Problem als Papierstau in einem Drucker.

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