Navigation

Wenig Schnee 

Welche Folgen hat der milde Winter für die Tiere?

Steinbock, Fledermaus und Storch erfreuen sich an den warmen Temperaturen und wenig Schnee.  Langfristig könnte es ihnen zum Verhängnis werden. 

Text Deborah Bischof
Datum
Für Steinböcke ist der Winter in der Regel eine sehr harte Zeit, weil sie nur wenig oder keine Nahrung finden. In diesem Winter war es für sie bisher leichter.  (Bild: Keystone)

Für Steinböcke ist der Winter in der Regel eine sehr harte Zeit, weil sie nur wenig oder keine Nahrung finden. In diesem Winter war es für sie bisher leichter.  (Bild: Keystone)

Das Telefon für in Not gera­tene Fledermäuse klingelte ­diesen Winter bisher selten. Das milde Wetter komme den Tieren zugute, sagt Hubert Krättli von der Stiftung Fledermausschutz, die das Not­telefon betreibt. Einige Fledermäuse überwintern in Fassaden­spalten, Baumhöhlen oder Holzbeigen. Verstecke, die nur ­bedingt vor Kälte schützten: «Wenn die Temperaturen in ihrem Winterquartier unter null Grad sinken, werden die Tiere aus ihrem Winterschlaf auf­geschreckt, damit sie nicht erfrieren.»

Auch in diesem Winter schwärmten erste Fleder­mäuse bereits aus. Jedoch nicht, weil es zu kalt war. «Steigen die Temperaturen über zehn Grad, kann es sein, dass einzelne Tiere bereits für die Jagd nach Insekten ausfliegen.» Genau das war der Fall rund um den Jahreswechsel.

Wenig Schnee, viel Nahrung

Eine Zeit, die in der ganzen Schweiz aussergewöhnlich mild ausfiel. Laut Meteo­ Schweiz war es zwischen dem 20. Dezember und dem 9. Januar ­sogar noch nie so warm seit Messbeginn. In Bern lag die Durchschnittstemperatur in dieser Zeit bei 6,6 Grad, 1,7 Grad über dem bisherigen Höchstwert von 1925/26. Auch Genf, Basel und Zürich erlebten von den Weihnachtstagen bis zum Januarbeginn eine Rekordwärme.

Vom milden Winter profitieren zurzeit viele Tierarten, sagt der Wildtierbiologe Kurt Bollmann von der Eidgenös­sischen Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft (WSL). Dazu gehören neben ­vielen Vogelarten auch Steinböcke, Gämsen, Rehe, Hasen oder Rothirsche. Für sie ist der Winter in der Regel eine sehr harte Zeit, weil sie ihre Körpertemperatur stabil halten müssen und nur wenig oder keine Nahrung finden.

Weil der Schnee vielerorts noch immer fehle, sei der Zugang zu Nahrung einfacher, sagt Bollmann. «Die Todesrate vieler Tierarten wird daher dieses Jahr kleiner ausfallen.» Und zwar auch dann, wenn der Winter doch nochmals kalt wird. «Dank der aktuellen Wetterlage haben die Tiere Fettreserven gespart und sind optimal gerüstet für die zweite Winterhälfte.»

Der Igel schläft zurzeit noch

Bisher unberührt lässt das ­milde Wetter die meisten Tiere im Winterschlaf wie Igel, Siebenschläfer und Murmeltier. «Das Einschlafen der Tiere wird in der Regel über Hor­mone ausgelöst, und die werden hauptsächlich vom Tag-Nacht-Rhythmus gesteuert», erklärt Bollmann. In der ­ersten Winterhälfte spielen die Temperaturen daher eine ­untergeordnete Rolle.

Auch beim Igelzentrum in Zürich gibt es derzeit keine Hinweise, dass vermehrt Tiere aufgrund der milden Wetterphase früher auf­wachen. «Die Zahl betreuter ­Tiere auf unserer Station und die Meldungen zu wachen Igeln befinden sich nach wie vor im für diese Jahreszeit ­normalen Rahmen», bestätigt Annekäthi Frei vom Igel­zen­trum. Dass einige Winter­schläfer dieses Jahr aber etwas ­früher erwachen, hält Biologe Bollmann für möglich. «Je mehr sich der Winterschlaf dem Ende zuneigt, desto wichtiger wird die Temperatur.» Das würde allerdings bedingen, dass die nächsten zwei Monate ähnlich warm ver­laufen wie der Jahreswechsel.

Frost als grosse Gefahr

Dass sich der Frühling vorverschiebt, beobachte man in der Pflanzenwelt schon länger, sagt Pflanzenökologin Yvonne Willi von der Universität ­Basel. Aufgrund der frühlingshaften Temperaturen treiben einige Buscharten bereits aus, und die Hasel ist in tieferen Lagen in voller Blüte. «Pflanzen, die schon immer früh ausgetrieben haben, sind ­normalerweise recht frost­resistent», sagt Willi. Problematisch werde es erst, wenn auch andere früher zu wachsen ­beginnen. Frosttage bis in den April können ihnen schnell zum Verhängnis werden.

Ähnliche Gefahren sieht Bollmann bei den Winterschläfern. «Wenn sie früher aufwachen, ist das nicht per se ein Problem. Wenn sie aber in einer Kaltphase erwachen und nicht genügend Nahrung in Form von Insekten oder Pflanzen finden, hingegen schon.»

Bedrohungen nehmen zu

Der milde Winter bringt langfristig auch andere Gefahren mit sich. Gebirgstiere könnten unter Druck geraten, weil ­andere Tierarten vermehrt in höhere Lagen vordringen. Ein Beispiel sei der Feldhase, so Bollmann. «Er dürfte sich ­immer mehr das Gebiet des Schneehasen erschliessen, ist aber dominanter.» Er könnte den Bestand der Schneehasen daher langfristig schmälern. Auch Tiere mit starren Überwinterungsstrategien könnten künftig benachteiligt sein. Das zeige sich etwa bei Zugvögeln: «Diejenigen, die früher zurückkehren oder gar nicht mehr wegfliegen, haben in der Regel bessere Brutplätze und mehr oder vitalere Jungtiere.»

Hubert Krättli von der ­Stiftung Fledermausschutz rechnet damit, dass auch Fledermäuse langfristig zu den Verlierern des Klimawandels gehören. «Kurzfristig könnten sie zwar von milden Wintern profitieren. So breiten sich einige Arten, die bisher nur südlich der Alpen vorgekommen sind, zunehmend auch im Norden aus.» Extreme Hitzesommer oder anhaltende Regenperioden machen ihnen aber zunehmend zu schaffen.

Schon gelesen?