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Patti Basler

«Ich begegne auch Hass nur mit Liebe»

Viola Amherd oder Alain Berset? Macht oder Geld? Lachen oder Canceln? Die Satirikerin Patti Basler über Comedy, Politik und die Schlagfertigkeit von SVP und SP.

Text Dinah Leuenberger, Ralf Kaminski
Datum
patti basler

Sie sei auf der Bühne mehr oder weniger dieselbe wie hinter der Bühne, sagt Patti Basler. (Bild: Gerry Nitsch)

Comedy oder Drama?

Dramedy. Es hat immer Drama in der Comedy. Comedy wird allerdings mit einer Pointe aufgelöst, Drama nicht zwingend.

Respektlosigkeit oder Ehrfurcht?

Beides nicht. Vor allem: Kein falscher Respekt!

Grenzen einhalten oder überschreiten?

Auf der Grenze balancieren. Das gelingt nicht immer, meist aber relativ gut. Manchmal zieht es mich auf die rechte Seite, manchmal auf die linke.

Lachen oder Canceln?

Lachen. Was das Canceln betrifft, hilft es, vorher zu überlegen, welche Menschen man beleidigen will. Erwischt man die richtigen, ist es kein Problem, weil die wissen, dass es nicht darauf ankommt, wie über sie gesprochen wird, sondern dass über sie gesprochen wird. Die Währung ist Aufmerksamkeit.

Die Kabarettistin

Patti Basler (46) ist Autorin, Kabarettistin und Satirikerin. Sie ist regelmässig in der SRF-Comedy-Show «Deville» vor dem Bundeshaus im Einsatz; 2019 hat sie den Salzburger Stier und den Prix Walo in der Kategorie Comedy gewonnen, 2022 war sie Kolumnistin des Jahres. Basler wuchs mit zwei Schwestern auf einem Bauernhof im Fricktal auf und lebt heute in Baden AG. Bei «Deville» hat sie vor laufender Kamera um die Hand von Bundesrätin Viola Amherd (60) angehalten. Bis zur Hochzei sei es nur noch eine Frage der Zeit…

Das aktuelle Programm von Patti Basler und Philippe Kuhn, «Nachsitzen», ist noch am 24. und 25. März in Basel und am 15. April in Wädenswil zu sehen: pattibasler.ch/termine

 

Social Media oder nicht?

Social Media. Wer sich dem entzieht, ist Modernitätsverweigererin. Ich brauche es für meinen Job, vor allem Instagram und Twitter. Besonders schnell wächst LinkedIn, da bin ich noch nicht lange dabei. Dafür bin ich inzwischen definitiv zu alt für Tiktok.

Altherrenwitze oder Frauenzeugs?

Ich mache ja eigentlich Altfrauenwitze – ich bin sozusagen der alte weisse Mann im Frauenkörper, übergriffig, besserwisserisch, repetitiv, und manchmal leicht grüselig.

Frauenpower oder Frauenquote?

Wir haben ja überall Quoten: im Bundesrat, im Parlament. Dort, wo es eine Repräsentanz des Volks benötigt, ist eine Quote nicht schlecht. Den Begriff Frauenpower mag ich nicht, das ist ein Pleonasmus. Frau impliziert Power geradezu: Wir leisten viel, während wir auch noch monatlich Herz- und Menstruationsblut verlieren.

Systemhure oder Revoluzzerin?

Eine revoluzzende Hure des Systems. Ich bestehe auf den Genitiv. Und mit dem System meine ich nicht die Schweizer Politik, sondern den Kapitalismus. Ich wäre weit weniger erfolgreich, würde ich mich nicht dem Kapitalismus unterordnen.

Öffentlich-rechtlich oder privat?

Kommt darauf an, wer mir das bessere Angebot macht.

Michael Elsener oder Dominic Deville?

Kommt darauf an, wer mir das bessere Angebot macht. Aber ich habe mit beiden schon gearbeitet. Dominic Deville hat man mehr Zeit gegeben, um sich zu entwickeln.

Offener Brief oder schweigende Akzeptanz?

Offen. Ich bin schliesslich ein Trans-Parent. Was auch immer man sich darunter vorstellen mag.

Siezen oder Duzen?

Ich duze alle, mit sehr wenigen Ausnahmen, etwa die Bundesräte. Obwohl ich die privat auch duze. Aber während der Corona-Pandemie befürchtete ich, die Duzerei mit der Regierung würde das Land destabilisieren. Dann wären wie in den USA Gehörnte ins Bundeshaus gestürmt und hätten das Mobiliar meiner Verlobten entwendet.

Mehr Comedypotenzial: SVP oder SP?

Während die SVP ihr Potenzial bereits ausschöpft, lässt die SP es brachliegen. Was schade ist.

Wer ist schlagfertiger: SVP oder SP?

Jacqueline Badran.

Fronten verhärten oder gemeinsame Basis finden?

Ich suche immer das Gemeinsame. Das ist vielleicht der Unterschied zwischen mir und anderen Satirikerinnen – viele suchen die Distanz, bauen eine zynische oder arrogant wirkende Kunstfigur auf. Ich hingegen bin auf der Bühne mehr oder weniger dieselbe wie hinter der Bühne. Als Bauerntochter musste ich lernen, mit allen irgendwie klarzukommen. 

Optimistisch oder pessimistisch?

Ich bin zweckpessimistisch, gehe also immer vom Allerschlimmsten aus, das passieren könnte. Und bin dann hoch erfreut, wenn es nicht so schlimm kommt. Weil mir aber im Vornherein klar ist, dass es nicht so schlimm kommen wird, bin ich im Grunde fast schon optimistisch.

Rational oder emotional?

Rational. Ich bin ein Kopfmensch.

Migros oder Coop?

Wenn ich Alkohol brauche, Coop. Wenn ich Javel-Wasser brauche, Migros. Für die weisse Weste ist die Migros besser.

Viola Amherd oder Alain Berset?

Das ist ja wohl klar: Alain mag mich einfach nicht, und mit Viola bin ich immerhin verlobt. Konkreter wird es aber erst, wie sie sagt, «wenn d’ Tischchartini gschribu si». Sie ist einfach eine coole Socke.

Putin oder Corona?

Corona hatte ich – es legte mich vier Wochen ins Bett. Und ich hoffe ehrlich gesagt nicht, dass Putin das auch macht.

Neutralität oder Solidarität?

Ich hatte gehofft, dass diese Frage nicht kommt. Schwierig. Natürlich kann man nicht zusehen, wenn ein übermächtiger Aggressor jemanden angreift. Erst recht nicht vor unserer Haustüre in Europa. Andererseits ist unser Erfolgsmodell die Neutralität nach Schweizer Art: Sie nimmt das Geld von allen Seiten und wird am Ende als Siegerin dastehen.

Klimakleber oder Klimasünder?

Sünder, ich gehöre auch dazu. Aber zum Glück gibts den Ablasshandel dank der CO2-Zertifikate. Die ermöglichen nebenbei gleich noch ein wenig modernen Kolonialismus: Wir zwingen die Afrikaner zum Bäumepflanzen, damit wir die ziemlich nutzlosen CO2-Zertifikate verkaufen können. 

Macht oder Geld?

Ich will beides nicht. Würde ich mehr als eine halbe Million im Jahr verdienen, wäre ich völlig überfordert. Ich traue mir nicht, dass ich mit soviel Geld oder Macht verantwortungsvoll umgehen könnte. Schafft ja auch sonst niemand.

Hass oder Liebe?

Ich begegne auch Hass nur mit Liebe. Die Hater sind oft Männer, die einfach Aufmerksamkeit suchen. Ich antworte meist und signalisiere ihnen so: Es ist okay, schreib mir nur weiter, dafür bin ich da. Es ist doch gescheiter, dass sie mir ein paar Hassmails schreiben als zu Hause ihre Frau verprügeln. Ich kann damit umgehen, es ist eine der Aufgaben eines Hofnarrs.

Städtisches oder ländliches Publikum?

Auf dem Land lacht man schneller und befreiter und überlegt nicht erst, ob man lachen darf oder nicht.

Schweizer oder deutsches Publikum?

In Deutschland fällt mein Humor auf fruchtbareren Boden. Das Schnelle, gelegentlich Böse kommt dort schon relativ gut an. Das konnte ich bei Poetry Slams beobachten, die ich dort gewonnen habe.

Patricia oder Patti?

Patti. Patricia haben mich meine Eltern genannt, wenn sie wirklich wütend waren, in lautem, strengem Ton. Und das kam immer wieder mal vor, weil ich halt lieber vor mich hin dachte, statt auf dem Hof zu helfen. Ich war in dieser Hinsicht das schwarze Schaf der Familie.

Schule oder Comedy?

Den Entscheid habe ich definitiv getroffen. Auch wenn ich heute noch regelmässig Slam-Poetry-Workshops an Schulen gebe. Ich finds jedes Mal spannend und schön, manchmal sogar eindrücklich und zu Tränen rührend, wenn die Kids schwierige Erfahrungen auf diese Weise künstlerisch verarbeiten. Ich bin aber auch immer froh, wenns vorbei ist, weil es wahnsinnig viel Energie kostet.

Beziehung oder Single?

Lieber Single als eine schlechte Beziehung. Das Geheimnis einer langen, glücklichen Beziehung ist, dass man sich möglichst selten sieht. So wie Viola und ich.

Tinder oder Tönder?

Für Tönder muss man sich erst mal qualifizieren, dafür brauchts einen gewissen BMI. Meiner ist perfekt.

Lustmolch oder Moralapostel?

Ich fänds schön, wenn Moralapostel in meinen Händen zu Lustmolchen würden. Aber nur wenn sie meinem Beuteschema entsprechen.

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