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Kapitel 7

Wo aus Bohnen, Milch und Zucker Schoggi wird

Wie erfindet man eine neue Schokolade? Und wie wird sie dann in grossen Mengen hergestellt? Ein Besuch bei Delica im Aargau, dem wohlriechendsten Ort der Schweiz und Zuhause der Frey-Schoggi.

Text Thomas Meyer
Fotos Flurina Rothenberger
Datum
Produkte-Entwicklerin Rahel Merkofer stürzt ausgekühlte Muster-Tafeln aus ihren Formen.

Produkte-Entwicklerin Rahel Merkofer stürzt ausgekühlte Muster-Tafeln aus ihren Formen.

Vor etwas mehr als einem Jahr gab die Migros ein neues Schoggi-Produkt in Auftrag: eine Frey-Tafelreihe «Côte d’Ivoire», für die ausschliesslich Kakao der Kooperative Necaayo verwendet wird. «Alles klar», sagten Rahel Merkofer (25) und Markus Müller (54), Produktentwickler bei der Delica in Buchs bei Aarau, und zogen sich in die sogenannte Musterei zurück. Das ist quasi eine Schokoladenfabrik in der Schokoladenfabrik. Hier durften die beiden mit Töpfen, Kellen sowie kiloweise Kakao, Zucker und Milchpulver das tun, wovon jedes Kind träumt: Sie durften Schokolade erfinden. Und essen. Wochenlang.

Dass die neue Kollektion eine Milchschokolade enthalten muss, war klar. Und eine dunkle auch. Darüber hinaus hatten die zwei Schokoladenköche freie Hand. Mit dieser gaben sie Caramel hinzu. Und Salz. Und Nüsse. Und Zitrone. Und Maulbeeren. Und mehr Milch. Und weniger Zucker. Am Ende, nach über 100 Stunden des köstlichen Tüftelns, hatten sie sieben verschiedene Sorten erschaffen. Die Migros wählte vier davon aus. Die mit der Maulbeere war nicht dabei. War Markus Müller traurig darüber? «Natürlich! Aber das ist der Job, das muss man aushalten», lacht der 54-Jährige. «Und die vier Sorten sind alle super.» Ob er denn schon an etwas Neuem arbeite? «Ja. Aber das darf ich nicht verraten, das ist ein Geheimprojekt!» Er verschränkt die breiten Arme vor der Brust, als wollte er klarmachen, dass jede weitere Frage sinnlos sei.

Big Bags à 1 Tonne Kakao.

Big Bags à 1 Tonne Kakao.

Nachdem die Migros grünes Licht gegeben hatte, ging die «Côte d‘Ivoire» in Produktion. Die beginnt damit, dass die aus Amsterdam angelieferten Kakaobohnen unter lautem Rauschen aus ihren mannshohen 1-Tonnen-Säcken befreit, durch Erhitzen entkeimt und dann maschinell geschält und gebrochen werden, wobei die sogenannten Nibs zum Vorschein kommen – der reine Kakao. Er schmeckt auf angenehme, beinahe elegante Art bitter und nur in der Ferne schokoladig. Nach der Röstung ist es umgekehrt, jetzt steht die Bitterkeit im Hintergrund und das Schokoladige im Zentrum.

Walzgut auf dem Weg in die Conche.

Walzgut auf dem Weg in die Conche.

Schliesslich werden die Nibs fein zermahlen und mit Zucker, Kakaobutter und Milchpulver vermengt – in exakt jener Dosierung, die Merkofer und Müller festgelegt haben. Das ergibt das sogenannte Walzgut, das für ein paar Stunden in eine Conche kommt. Das französische Wort stammt vom spanischen «Concha» für Muschel, weil die Tröge zum Walzen der Masse früher so aussahen. Das Conchieren dient dazu, der Schokolade ihre cremige, zarte Konsistenz zu verleihen und die Bitterstoffe entweichen zu lassen.

Unter betörendem Geruch ergiesst sich die fertig conchierte Schokolade schliesslich in die Tafelformen, die danach ordentlich durchgerüttelt werden, um die Masse gleichmässig zu verteilen. Nach 40 Minuten im Kühlturm wird noch einmal gerüttelt, und die fertigen, 100 Gramm schweren Tafeln fallen aus ihren Formen. Anlagenführer Thomas Exner (40) steht am Förderband und sortiert die nicht perfekten aus. Aber nach welchem Kriterium? Die Tafeln sehen doch alle gleich aus? «Überhaupt nicht», grinst er und zieht wieder eine vom Band, «da ist eine leicht dunkle Stelle. Das kommt daher, dass wir vorher dunkle Schokolade gemacht haben.» Das ungeübte Auge hätte es nie gesehen. Was jenem von Exner nicht genügt, kommt in eine sterile Tüte und wird hinterher eingeschmolzen und wiederverwertet.

Fast am Ziel: Hier werden die Tafeln in die Formen gegossen.

Fast am Ziel: Hier werden die Tafeln in die Formen gegossen.

Im Obergeschoss, wohin die Tafeln mit einem Paternoster-Aufzug zum Verpacken gefahren werden, geht eine Gruppe von Mitarbeiterinnen nicht minder pingelig vor: Was von der Maschine nicht ganz exakt gefalzt oder verklebt worden ist, öffnen sie wieder und legen es noch einmal vorn hinein. Am Ende steckt die Maschine 20 Tafeln in eine Schachtel – oder besser: wickelt weissen Karton um 20 Stück herum – und klebt eine Etikette mit dem Herstellungsdatum drauf.

Fertig verpackt – komplett recyclingfähig in Alufolie und Karton.

Fertig verpackt – komplett recyclingfähig in Alufolie und Karton.

Danach fahren die Schachteln mit einem anderen kleinen Lift zurück ins Erdgeschoss und kommen dort auf eine Palette. Diese wird in einen Eisenbahnwagen gestellt und der wiederum von einer Rangierlok ins Nachbardorf Suhr geschoben, zur Migros Verteilbetrieb AG. Von hier aus gelangt die «Côte d’Ivoire» in die 700 Filialen des Landes.

Der ganze Weg der Schokolade, von der Plantage bis ins Regal. Video: Jana Figliuolo, Daniel Grieser, Hassan El Assal

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