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1944

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«Hundertprozentige Männerarbeit»

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Ende 1944 trifft ein Schreiben der Gewerkschaft VHTL beim MGB ein. Darin beschweren sich die gewerkschaftlich organisierten Chauffeure, dass die Migros Verkäuferinnen zu Chauffeusen ausbildet und ihnen das Führen von Verkaufswagen anvertraut. Die Männer sind erbittert, viele von ihnen sind wegen der strikten Benzinrationierung arbeitslos und verlangen deshalb «eine Stellungnahme» zur neuen Konkurrenz auf dem Arbeitsmarkt. Es handle sich um eine «Notmassnahme», antwortet die Migros, um ein «kriegsbedingtes Provisorium». Zwar beschäftigt auch die Post Briefträgerinnen oder das Zürcher Tram Billettverkäuferinnen. Doch die Migros-Chauffeusen provozieren eine «lebhafte Auseinandersetzung». Die Gewerkschaft wirft der Migros vor, sie bezahle die Chauffeusen schlechter als die Kollegen und verlangt gleichen Lohn für gleiche Arbeit. Die Migros kontert, der Lohn sei der Leistung durchaus angemessen. Denn im Gegensatz zu den Männern seien die Frauen – auch auf «leichten Routen» – auf die Unterstützung einer Hilfskraft angewiesen: «Eine Frau kann allein nicht einmal das Dach des Verkaufswagens aufklappen, geschweige denn einen Pneu wechseln.» Trotzdem übersteige die Entlöhnung die üblichen Frauenlöhne. Besonders wütend sind die Gewerkschafter, als die Migros argumentiert, höhere Frauenlöhne müssten auf die Konsumenten abgewälzt werden. Die Freie Innerschweiz wirft vor: «Ihm gehe es nur um die Rendite». Drei Monate später, als das Ende des Krieges schon absehbar ist, findet der Streit ein Ende. Die Migros hat den Chauffeuren nämlich versprochen: «Nach dem Kriege wird der alte Zustand zugunsten der männlichen Arbeitskräfte wieder hergestellt.»