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1952

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«Kampf dem Boykott, zweite Runde!»

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Das breite Non-Food-Angebot der neuen Migros-Märkte provoziert harsche Kritik und Boykott-Massnahmen. So auch bei dem Strumpflieferanten der Migros. Weil der Schweizer Markt mit billigen amerikanischen Nylon-Strümpfen überschwemmt wird, stapeln sich 1952 in den Lagern des Fabrikanten Alfred Ruckstuhl in Wil die Strümpfe. Es gelingt ihm, die Migros als Abnehmerin zu gewinnen, doch das macht seine Probleme nur noch grösser: seine anderen Abnehmer – darunter Volg, Usego und der Konsumverein – bekommen Wind davon und brechen die Geschäftsbeziehung mit Ruckstuhl ab. Verzweifelt bittet dieser Gottlieb Duttweiler um Hilfe, er sei sonst gezwungen, einen Grossteil der Belegschaft zu entlassen. Auch andere Lieferanten der Migros werden boykottiert, denn die Erweiterung des Sortiments in den neuen Migros-Märkten hat für viel böses Blut gesorgt. Duttweiler erkennt sofort, dass er mit der Unterstützung des Strumpffabrikanten Signale setzen kann: Am Beispiel der Royal-Strümpfe kann er die Boykottbewegung denunzieren, sich zum Retter einer heimischen Firma machen und seine verunsicherten Lieferanten beruhigen. Die Sympathien der Kundinnen hat er ebenfalls auf sicher, denn er bietet ihnen preiswerte Qualitätsstrümpfe aus Schweizer Fabrikation. In den Verhandlungen mit dem Strumpffabrikanten setzt Gottlieb Duttweiler einen Preisabschlag von CHF 6.90 auf CHF 3.90 durch, intern bittet er die Geschäftsleiter der Regionalgenossenschaften «dringend», die Royal-Strümpfe «an gut sichtbaren Stellen zum Verkauf» anzubieten: «Gewinnen die Terror-Methoden des privaten und genossenschaftlichen Handels gegenüber den uns beliefernden Fabrikanten, oder sind die Migros-Genossenschaften stark genug, ihre Lieferanten zu schützen und sich damit erstklassige Marken zu sichern?» Dann wirft er seine PR-Maschinerie an: In den Imagefilm Familie M Junior wird schnell noch eine Strumpfverkaufsszene eingebaut, Migros-Inserate werben für Royal-Strümpfe und die Migros-Presse ruft die Kundinnen zur Solidarität auf: «Zeigt, was ihr könnt! Wir haben euch so manches Mal geholfen – helft nun auch uns und unserem Fabrikanten.» In dreieinhalb Wochen werden 210’000 Paar Royal-Strümpfe abgesetzt, sodass die Belegschaft in Wil in zwei Schichten arbeiten muss. Triumphierend verkündet er: «Der Meister ist der Konsument, und die gewalttätigen Händler-Verbände sind die Geschlagenen.»