Inklusion
Mann mit eisernem Willen
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Hochhaus-Abdeckung
Die Riesenblache im Eistee-Look des Migros-Hochhauses in Zürich bekommt ein zweites Leben: Der Verein Werkstätte Drahtzug näht daraus Tragtaschen.
Die Nähmaschinen rattern, nur ab und zu spricht jemand: Die Arbeiten im Zürcher Unternehmen mit sozialem Auftrag, Drahtzug, laufen auf Hochtouren. 30 Mitarbeitende vernähen 3500 Quadratmeter Blache zu Taschen – von Hand.
Aus der riesigen Migros-Ice-Tea-Abdeckung des Hochhauses Herdern in Zürich entstehen innerhalb von vier Monaten 4800 Tragtaschen. «Das ist der grösste Textilauftrag, den wir je hatten», sagt Urs Keller, Leiter Verkauf bei Drahtzug. Die Institution bietet Menschen mit einer psychischen Beeinträchtigung eine Tagesstruktur mit Arbeit, Ausbildung, Rehabilitation und Wohnmöglichkeiten.
Auftraggeberin der Eistee-Taschen ist die Genossenschaft Migros Zürich. Sie hatte ihren 56 Meter hohen Hauptsitz wegen Sanierungsarbeiten für ein halbes Jahr wie das Kultgetränk eingepackt. Ursprünglich war die Eistee-Blache sogar 5500 Quadratmeter gross. Aufgrund von Witterung und Bauarbeiten war ein Teil der Plane aber zu beschädigt, um sie weiterzuverarbeiten.
Schritt für Schritt werden die Blachenstücke in der Textilwerkstatt von den Mitarbeitenden von Drahtzug zu Tragtaschen verarbeitet. Als erstes müssen die Blachen gereinigt werden. Um das Material und die Farben zu schützen, geschieht dies von Hand. Anschliessend werden die einzelnen Teile gestanzt.
«Damit wir alles in der geplanten Zeit schaffen, hat uns ein externer Partnerbetrieb dabei unterstützt», erklärt Keller. Auf die Seitenteile kommen jeweils kleine Aufkleber mit dem Label des Kult-Ice-Tea – somit erkennen alle, woher die Tasche stammt.
An Industrienähmaschinen werden nun die Innentaschen sowie Henkel angenäht und abschliessend die ganzen Taschen zusammengenäht. Wer nicht damit beschäftigt ist, schneidet überstehende Fäden ab, wendet die Taschen nach aussen oder faltet sie. Arbeit bereitet diese Produktion genug.
Jede Mitarbeiterin und jeder Mitarbeiter übernimmt dabei eine Aufgabe. So wandern die Blachenteile von einem Platz zum nächsten und verwandeln sich in fertige Tragtaschen. Weil die zugeschnittenen Teile von verschiedenen Stücken der Eistee-Blache stammen, ist jeder einzelne Beutel ein Unikat.
Inzwischen ist es drei Uhr. Die erste Pause steht an. Alle Arbeitsplätze leeren sich und die Mitarbeitenden strömen in die Cafeteria. Nur noch zwei Stunden, dann ist der Arbeitstag vorbei. «Unsere Mitarbeitenden sind fast alle in einem 50-Prozentpensum beschäftigt und arbeiten in verschiedenen Geschäftsfeldern», sagt Keller.
Drahtzug bietet neben der Textilverarbeitung noch weitere Dienstleistungen an. Dazu gehören Montagearbeiten, Versandhandel, Briefversand, Verpackungsarbeiten, Betriebsunterhalt, Bürodienstleistungen und Landschaftspflege, ja selbst ein Kunstatelier gehört zum Betrieb. Insgesamt arbeiten 280 Personen mit psychischer Beeinträchtigung im Drahtzug, dazu kommen 54 Betreuungspersonen.
Damit Betroffene bei Drahtzug arbeiten können, müssen sie eine IV-Rente beziehen oder eine Kostengutsprache einer Finanzierungsstelle besitzen. «Bei uns verdienen sie sich einen finanziellen Zustupf», erklärt Keller. Hauptziel des Vereins ist es, den Mitarbeitenden eine Tagesstruktur mit sinnvoller Beschäftigung zu bieten.
Auf einem Tisch stapeln sich die fertigen Eistee-Taschen. Dass sie aus einer Blache entstanden sind, ist kaum zu erkennen. Die Eistee-Plane ist viel dünner und leichter als eine normale Lastwagenblache. Grund dafür: Weil während des Umbaus die Fenster im Hochhaus fehlten, musste die Blache sehr luftdurchlässig sein. Ansonsten hätten Windböen die Abdeckung zu sehr aufgeblasen und möglicherweise zerstört.
Deshalb hat die Blache grossmaschige Löcher und wiegt nur 235 Gramm pro Quadratmeter. «Die daraus entstandenen Taschen eignen sich dank des luftdurchlässigen Materials gut als Badi-Beutel», so Keller. Und so war und ist diese Riesenblache gleich mehrfach nützlich.
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