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Schafe weiden unter einer Solaranlage

Interview mit Mareike Jäger

Ist Agri-PV die Zukunft der Landwirtschaft?

Lassen sich mit Solarmodulen über Reben und Kartoffelfeldern unsere Stromlücken schliessen? Ja, sagt Mareike Jäger, Dozentin an der ZHAW, und erklärt, wie das gehen könnte.

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Nina Huber
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Getty Images
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Interview, Was wir tun

Mareike Jäger, Sie machen sich für Solaranlagen in der Landwirtschaft stark. Wie muss ich mir solche Anlagen konkret vorstellen?

Stellen Sie sich vertikale Fotovoltaikmodule auf Weiden vor, auf denen Kühe ungestört grasen, ja sogar etwas Schatten erhalten. Auch Rebflächen oder Beerenkulturen könnten mit Solarpaneelen überdacht werden. Oder Ackerland. Wir produzieren also Nahrungsmittel und erzeugen gleichzeitig Strom. Der grosse Vorteil liegt darin, dass Solaranlagen der Landwirtschaft keine Flächen wegnehmen.

Die schönen Rebberge im Lavaux wollen Sie aber nicht mit Solarmodulen überdecken?

Auf keinen Fall! Das wäre undenkbar. Es gibt jedoch reichlich Fläche, die nicht wahnsinnig reizvoll ist, die wir nutzen können. Zum Beispiel Wiesen, die direkt an Industriegebiete anschliessen, oder Flächen entlang von Autobahnen oder in der Nähe von Siedlungen.

Warum bauen wir nicht zuerst Solarmodule auf alle Dächer?

Diese Massnahme hat tatsächlich viel Potenzial, aber der Dachausbau geht zu langsam voran. Deshalb braucht es beide Lösungen. In der Landwirtschaft sind die Flächen viel grösser, die wir mit Modulen bestücken können, was entsprechend mehr Energie bringt. Anlagen in der Landwirtschaft, wir sprechen von Agri-Photovoltaik (Agri-PV), haben bezüglich Klimawandel aber noch weitere Vorteile.

Inwiefern?

Die Anlagen sorgen für Schatten, damit verdunstet weniger Wasser, wie Untersuchungen aus den USA und anderen Ländern zeigen. Es gibt auch Anlagetypen, die das Niederschlagswasser sammeln, mit dem man die Pflanzen zu einem späteren Zeitpunkt bewässern kann. Es wird in Zukunft regional, zum Beispiel in der Nordwestschweiz, weniger Niederschlag geben, und er wird anders verteilt sein, zum Beispiel konzentriert in einem Gewitter. Prognosen gehen zudem davon aus, dass die Winter niederschlagsreicher werden. Dann ist es ein Riesenvorteil, wenn Betriebe so den Überschuss in – zum Teil unterirdischen – Becken sammeln können.

Ist Agri-PV also die Zukunft der Landwirtschaft?

Sie könnte einen bedeutenden Beitrag zur Energiewende leisten. Wir haben ein Gedankenspiel gemacht: Wenn Agri-PV im Jahr 2050 10 Prozent des gesamten Strombedarfs in der Schweiz decken soll, würden 10 000 Hektaren Ackerland reichen. Das ist 1 Prozent unserer gesamten Ackerfläche. Reichen würde auch ein knappes Prozent unserer Dauerkulturen, vor allem Rebflächen. Oder 2,6 Prozent der Dauergrünflächen, das heisst, dass knapp 28 000 Hektaren Weidefläche dann mit Paneelen bestückt wären.

Mit Agri-PV können wir auf der gleichen Fläche Nahrungsmittel ernten und Strom gewinnen.

Mareike Jäger, Dozentin ZHAW

Wie viel Strom könnte durch solche Anlagen maximal erzeugt werden?

Die Schweiz verbraucht aktuell jährlich insgesamt 60 Terawattstunden. Mit Solaranlagen in der Landwirtschaft könnten wir sechsmal so viel produzieren. Das zeigen neueste Berechnungen.

Würde das bedeuten, dass sämtliche Landwirtschaftsflächen der Schweiz mit Solarpanels ausgestattet wären?

Nein. Wir haben ein Gesamtpotenzial errechnet, das sich über gut 56 Prozent der vorhandenen landwirtschaftlichen Nutzfläche verteilt. Aber es handelt sich nur um ein theoretisches Potenzial. Realistischer ist, dass Agri-PV etwa 10 Prozent des Strombedarfs deckt.

Trotzdem ist das ein gigantisches Potenzial – wo steht die Schweiz heute?

Ganz am Anfang. Es gibt nur einige wenige Anlagen. Dazu gehören die Anlagen von Insolight, die von der Migros unterstützt werden, oder unsere eigenen Forschungsanlagen in den Rebbergen von Walenstadt.

Was muss jetzt geschehen, damit in Zukunft ein entscheidender Teil des Strombedarfs über die Landwirtschaft gedeckt werden kann?

Es braucht erstens eine klarere Ausformulierung der gesetzlichen Grundlage, zum Beispiel, für welche Anlagen sie konkret gilt. Zweitens braucht es mehr Forschung in diesem Bereich. Und schliesslich müssen wir an der Kommunikation arbeiten. Viele Menschen haben Angst vor zugepflasterten Flächen. Dabei ist die Doppelnutzung der Flächen für die Landwirtschaft und Stromproduktion eine echte Win-win-Lösung.

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