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Anno Lutke-Schipholt auf der Wiese zwischen seinen Hühnern

Besuch auf dem Demeter-Hof

Von glücklichen Hühnern und gesunden Böden

Im Klettgau bewirtschaften Anno und Margrith Lutke-Schipholt ihren Betrieb nach Demeter-Richtlinien. Was machen Demeter-Landwirte, was herkömmliche Bauern nicht machen? Ein Besuch im Norden der Schweiz.

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Claudia Schmidt
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Daniel Winkler
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Was wir tun

Über dem Randen geht die Sonne auf. Anno Lutke-Schipholt (35) blinzelt und kann sich ein Gähnen nicht verkneifen. An diesem sonnigen Morgen stand er ausnahmsweise nicht nur mit den Hühnern auf, sondern noch bevor das grosse Gescharre und Gegacker auf der Weide beginnt. 

Der Demeter-Landwirt hält auf dem Hof am Stei in Siblingen SH in drei mobilen Hühnerställen insgesamt 800 Legehennen. Einmal pro Woche stellt der die Ställe um, bevor die Hühner rausgehen. Heute ist dies der Fall.  «Das ist notwendig, damit Gras und Kräuter unter dem Stall wieder wachsen,» erklärt Lutke-Schipholt. Zudem hält das Umstellen auch Krankheitserreger besser von den Hühnern fern.

Video: So arbeitet der Demeter-Bauer

Solarenergie und Handarbeit

Ein Laufband transportiert Hühnermist in die grosse Schaufel des Traktors. Lutke-Schipholt fährt mit der vollen Schaufel zum Komposthaufen. Und kehrt mit Hühnerfutter zurück. Von der Palettengabel des Traktors leert er 30-Kilo-Säcke mit einer Getreide- und Körnermischung in einen Trichter. Ein Balanceakt, wie der Bauer so in zwei Metern Höhe mit den Säcken hantiert. Über den Trichter gelangt das Futter in den mobilen Stall. Dort übernimmt ein computergesteuertes System die Feinverteilung. Den dazu notwendigen Strom bezieht das System von Solar-Panelen, die auf dem Dach des Stalls montiert sind. «Das ist schon komfortabel – bei den beiden anderen Ställen muss ich die Futtersäcke in den Stall tragen», erklärt der Landwirt.Von Hand wird Lutke-Schipholt gegen Abend auch die Eier einsammeln, nachdem auf der Rückseite des Stalls die Klappen zu den Legeplätzen geöffnet hat.

«Hahn im Glück» dank Partnerhof

«In der biodynamischen Landwirtschaft ist der Boden das zentrale Element»

Anno Lutke-Schipholt, Demeter-Landwirt

Nun aber öffnet der Landwirt die Stall-Klappe und die Hühner schwärmen ins Freie. Den 300 Hühnern des grössten Stalls steht eine halbe Hektare Wiese zum Scharren und Picken zur Verfügung. Rasch machen sich einige davon, andere bleiben in kleineren und grösseren Gruppen zusammen. Auch Hähne krähen und stolzieren herum.

Auf 50 Hennen bei Lutke-Schipholt Hühnerschar kommt ein Hahn. Und wo bleiben die anderen? Oder verspricht das Demeter-Programm «Hahn im Glück» nicht, dass gleichviele Hennen und Hähne gehalten werden, um so das Töten der männlichen Küken zu vermeiden? «Die werden auf einem anderen Hof aufgezogen», klärt Bauer Lutke-Schipholt auf. «Wir arbeiten mit einem Partnerhof zusammen, der Junghahnmast betreibt.» Er arbeite noch mit weiteren Landwirten zusammen, zum Beispiel mit solchen, die Hühnermist gut gebrauchen könnten. Im Gegenzug bekommt Lutke-Schipholt Futtergetreide. So gelingt den Höfen eine gesunde Kreislaufwirtschaft, bei der Futtermittel zu einem grossen Teil aus eigenem Anbau stammen müssen und auch Mist und Gülle ihre Verwendung finden.

Während die Hühner scharren, hält Anno Lutke-Schipholt kurz inne und schaut auf den Boden. «In der biodynamischen Landwirtschaft ist der Boden das zentrale Element», sagt er. Zur Demeter-Philosophie gehören auch pestizidfreie Äcker. Trittschäden auf der Weide begegnet der Landwirt mit behutsamer Lockerung und säen von Wiesenkräutern. Da blühen dann etwa Taubnesseln, Hirtentäschelkraut und Ehrenpreis. Das mögen dann auch die Rinder und später wieder die Hühner. «Man sollte den Boden mit seinen Kleinstlebewesen so ernähren, wie man auch eine Herde Milchkühe füttert», erklärt der Landwirt das Prinzip.

Das Wichtigste: der Boden

«Vereinfacht gesagt entsteht bei der Fermentation im Horn etwas Ähnliches wie ein probiotischer Drink – nur für den Boden.»

Anno Lutke-Schipholt, Demeter-Landwirt

Das «Füttern» des Bodens geht allerdings weit über das Düngen mit Kompost hinaus. Anno Lutke-Schipholt verwendet dazu selbst hergestellte Präparate, was typisch für alle Demeter-Landwirte ist. Bekanntestes Beispiel ist der Hornmist. Dazu ein Kuhhorn mit Rindermist für mehrere Monate vergraben. Aus dem fermentierten Mist wird dann ein Spritzmittel erstellt, das die Bodenfruchtbarkeit stärken und erhöhen soll. Das hört sich für viele zunächst wie landwirtschaftliche Esoterik an. «Das ist Wissen, das früher viel mehr Menschen hatten. Und sie haben es angewandt, weil es funktioniert», erklärt er gelassen. Zum Hornmist gebe es seit kurzem sogar eine wissenschaftliche Studie. «Vereinfacht gesagt entsteht bei der Fermentation im Horn etwas Ähnliches wie ein probiotischer Drink – nur für den Boden. Das verbessert die Bodenstruktur, die Bodenfruchtbarkeit und fördert den Humusaufbau», so Lutke-Schipholt.

Aber reichen biodynamische Präparate aus, wenn Pflanzenkrankheiten oder Schädlinge zuschlagen? Für den Landwirt ist klar: «In einem gesunden Boden wachsen auch gesunde Pflanzen.» Hartnäckige Unkräuter dagegen würden ihn auf Probleme im Boden aufmerksam machen.

Zusammenhalt und Austausch zwischen Bauern

Auch der Austausch ist dem Demeter-Landwirt wichtig – nicht nur mit den Schweizer Kollegen. Mit einem Kollegen in Argentinien diskutiert er trockene Böden, etwas, was den letzten heissen und trockenen Sommern auch auf seinem Hof im Schaffhausischen Siblingen bald eintreffen könnte. Also überlegt sich Lutke-Schipholt, wie er mit Forschergeist und frischen Ideen veränderten Klimabedingungen begegnen kann.

Hat er schon einmal überlegt, anders zu produzieren? «Ich kenn’ doch nichts anderes.» kommt prompt die Antwort. Er war noch ein Kind, als seine Eltern mit der Demeter-Landwirtschaft begannen. Die Ausbildung zum Landwirt machte er auf Demeter-Betrieben. Doch Lutke-Schipholt ist nicht nur Bauer, sondern auch noch ausgebildeter Landmaschinen-Mechaniker. Das erleichtert ihm das Bauernleben in Momenten, wenn etwas streikt. Und es ermöglicht ihm auch, seinen Maschinenpark gut in Schuss zu halten – nicht nur für sich selbst, sondern auch für andere Landwirte, die Maschinen bei ihm mieten können. Dieses Modell erlaubt es ihm, auch Maschinen anschaffen, die sich für ihn allein nicht rentieren würden.

Die Bauernfamilie Anno und Margrith Lutke Schipholt zusammen mit ihren drei Kindern
Die Bauernfamilie Anno und Margrith Lutke Schipholt zusammen mit ihren drei Kindern. Sie bewirtschaften nahe der Grenze zu Deutschland einen Bio-Betrieb nach Demeter-Richtlinien. © Daniel Winkler

Lutke-Schipholt macht einen kurzen Abstecher zu den Rindern. Ein Muni und mehrere Ochsen stehen getrennt von den Mastrindern und begrüssen ihn freudig scheinen. Auch bei den Rindern gibt es viel Platz. Sie können meist selbst wählen, ob sie geschützt im offenen Stall bleiben wollen oder auf der Weide. Bauer Lutke-Schipholt weiss, dass sie tagsüber meist den Stall wählen und die nächtliche Ruhe auf der Wiese geniessen. Bis am nächsten Morgen die Hähne nebenan den neuen Tag begrüssen und für Mensch und Tier eine neuer Demtertag beginnt.

Demeter-Label: Diese Vorschriften gelten

Demeter ist nicht nur das älteste Bio-Label, sondern setzt sich auch die strengsten Richtlinien in der naturnahen Lebensmittelproduktion. Der biodynamische Anbau von Demeter erfüllt höchste Qualitätsansprüche und leistet dabei einen nachhaltigen Beitrag für Natur, Tier und Mensch zugleich.

Seit September 2020 führt Migros ihre eigenen Demeter-Produkte. Das neue Migros-Demeter-Sortiment zeichnet sich durch die anspruchsvolle Demeter Bio-Qualität aus. Demeter Schweiz findet mit dem Schritt in den Detailhandel neue, geeignete Absatzkanäle für die biodynamisch angebauten Lebensmittel. Das Label Demeter wird durch diese Zusammenarbeit gestärkt und erreicht neue Zielgruppen.

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