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Alle Bewohner*innen des Migros-Hauses

Kampagne

So entstand der neue Migros-Spot

In der neuen Migros-Werbekampagne stehen ein Mehrfamilienhaus und seine Bewohnerinnen und Bewohner im Zentrum. Beim Besuch am Set in Wädenswil verdient sich ein junger Bewohner Chips, und am Schluss kommt es zum echten Anstossen.

Von
Lisa Stutz
Datum
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Story

Chips stibitzen will gelernt sein. «Versuch, ein bisschen höher zu hüpfen», sagt Regisseur Micha Lewinsky zum Buben Finn, der eigentlich Liam heisst. Der blonde Jungdarsteller nickt. «Achtung, stand-by, uuuund bitte!», ruft der Regisseur. Liam, sofort ganz Finn, flitzt durch die Wohnung, reisst eine Tischlampe mit, schaut kurz zurück und kommt neben seinem Nachbarn Mauri zu stehen, der einen Chips-Teller in der Hand hält. Finn springt hoch und schnappt sich ein Paprikachips. Mit einem «Danke!» beendet der Regisseur die Aufnahme. Er lässt die Szene ein paar Mal wiederholen – irgendwie scheint er nicht ganz zufrieden zu sein. «Weisst du was, Liam», sagt er schliesslich, «vergiss alles, was ich über das Hüpfen gesagt habe, du hast das vorher super gemacht.»

Der Bub muss noch ein paar Mal hüpfen, bis die Szene im Kasten ist. Doch das stört ihn nicht im Geringsten. Immerhin darf er alle erhaschten Chips genüsslich mampfen. Nach dem letzten Take sagt er fast wehmütig: «Das ist das letzte Mal, dass ich heute Chips esse.» Schauspieler und Filmcrew lachen.

Alle stehen für die Abschlussszenen des neuen Migros-Werbespots in der Wohnung von Mauri und Stefan. Das schwule Paar wird von den Schauspielern Alireza Bayram und Matthias Britschgi gespielt. Im Spot ziehen sie in ein Mehrfamilienhaus ein. Dabei lernen sie ihre neuen Nachbarn kennen: das Ehepaar Jean (Jonas Rüegg) und Denise Bachmann (Samia von Arx) mit den Kindern Finn (Liam von Arx) und Lara (Elodie Aklin), der alleinerziehende Vater Beat Brender (Sebastian Krähenbühl) mit Tochter Lea (Alina Rolli) und die verwitwete Francesca Bernasconi (Tatiana Winteler). Spontan lädt Mauri alle zu einem Apéro ein, was seinen Partner zunächst gar nicht freut. Es endet in einem fröhlichen Apéro-Durcheinander.

Mit «echten» Familienfotos

Der Spot ist der Auftakt zur neuen Werbekampagne. Die Hausbewohner werden den Schweizerinnen und Schweizern ab jetzt im Fernsehen, auf Social Media und auf Plakatwänden begegnen. Für die Spots hat die Migros in Wädenswil ZH eine 2300 Quadratmeter grosse Halle gemietet, in der die vier Wohnungen aller Wohnparteien nachgebaut wurden. Im hinteren Teil wird später noch eine Migros-Filiale dazu gebaut. Ein derartiges Werbefilmset ist in der Schweiz bis jetzt einzigartig.

Im Fernsehen wirkt es so, als ob die Wohnungen übereinanderliegen und durch ein Treppenhaus verbunden wären. In Wahrheit stehen sie in der Halle nebeneinander – der Treppenbereich ist mobil und lässt sich zu jeder Wohnung hin verschieben. Von aussen sehen die Wohnungen wie einstöckige Häuser aus dünnem Holz aus.

Im Innern fühlt man sich sofort zu Hause. In der Wohnung der Familie Bachmann zum Beispiel liegt Spielzeug auf dem Boden herum, farbige Decken und Kissen schmücken das Sofa, und am Küchenregal hängen Familienfotos. Beim genaueren Hinschauen erkennt man, dass es sich bei den Personen auf den Fotos tatsächlich um die vier Schauspieler handelt. Die Liebe zum Detail ist Peter Scherz und seiner Production-Design-Firma Delighted zu verdanken.

Die Wohnung von Stefan und Mauri hingegen ist am Morgen des letzten Drehtags fast leer. Für die Apéro-Szene am Tag des Einzugs soll sie schliesslich noch nicht komplett eingerichtet sein. Es ist 9 Uhr, nach und nach treffen die Schauspieler und Mitarbeitenden ein. Rund 65 Leute arbeiten heute am Set – Stylisten, Make-up-Artisten, Setbauer, Aufnahmeleiter, Kampagnenmitarbeiter der Migros und Verantwortliche der Werbeagentur. Es geht geschäftig zu und her, nach neun Drehtagen bilden alle ein eingespieltes Team. Um 10.30 Uhr sind sie bereit für die erste Szene. «Ruhe bitte!», tönt es durch die grosse Halle. Auf einmal sind alle still. Ausser Finn. Er rennt durch den Raum, reisst die Lampe runter, stibitzt Chips – noch einmal und noch einmal.

Die Figuren kennenlernen

In einer Drehpause steht Regisseur Micha Lewinsky vor der Halle. Wie läufts? «Sehr gut», sagt er zufrieden. «Wir haben in allen Bereichen die besten Leute aus der ganzen Schweiz.» Vor allem die Schauspieler, von jung bis alt, leisten hervorragende Arbeit, erklärt er. Für ihn als Regisseur sei es schön, eine solche Serie von Werbespots zu beginnen. Am Anfang könne man noch mitgestalten. Das Besondere an der neuen Migros-Kampagne sieht er darin, dass das Publikum Menschen begegnet, die es mit der Zeit immer besser kennenlernen und auch gern haben wird. «Für eine Werbung ist das ein sehr grosses Projekt», hält er fest.

«Wir haben in allen Bereichen die besten Leute aus der ganzen Schweiz.»

Micha Lewinsky Regisseur

Den Auftaktspot, intern einfach «Apéro» genannt, findet er humorvoll. «Er kommt ohne grosse Pointen aus, doch er zeigt kleine Ausschnitte aus den Leben, die wir zeigen wollen.» Und was gehört für ihn eigentlich zu einem guten Apéro? «Vor allem nette Leute», sagt er lachend. Die hat es hier definitiv. Matthias und Alireza, die das Paar Stefan und Mauri spielen, stehen in der nächsten Drehpause draussen in der Sonne. Die beiden Schauspieler drehen zum ersten Mal zusammen. «Zuerst mussten wir einen gemeinsamen Vibe finden», sagt Ali über die Zusammenarbeit. «Es ist eine feinfühlige Angelegenheit », ergänzt Matthias. Beide sind eigentlich Film- und Theaterschauspieler, Werbung ist für sie Neuland. «Unser Anspruch war, dass das Ganze Filmcharakter hat», sagt Matthias. «Wir wollten Authentizität schaffen.» Begeistert las Ali vor dem Casting für die Rolle das Script: «Ich dachte: Höchste Zeit für ein schwules Paar!» Immerhin kauften ja auch die verschiedensten Kunden in der Migros ein. «Darum habe ich mich entschieden, auch mal für Werbung vor der Kamera zu stehen.» Matthias nickt.

Ein Lächeln zum Dahinschmelzen

Im vorderen Teil der Halle stehen Stühle und Bildschirme. Hier sitzen Verantwortliche der Migros und der Werbeagentur Wirz. Sie nehmen Szene für Szene ab, die eben hinten in der Halle gedreht worden sind.

Die letzte Szene des letzten Drehtags zeigt, wie Stefan seinem Mauri durch das Apéro-Chaos versöhnlich zulächelt. Spätestens jetzt erkennt man auf Anhieb, was Matthias mit Authentizität gemeint hat: Sein liebevolles Lächeln wirkt so echt, dass Kunde und Agentur vor den Bildschirmen dahinschmelzen. «Sind sie happy?», fragt der Regisseur per Funk seinen Kollegen vor Ort. «Ja!», bestätigt dieser.

Bald versammelt sich die ganze Crew im hinteren Teil der Halle. Die Stimmung ist fröhlich, der Regisseur und die Kampagnenleiterin bedanken sich offiziell beim ganzen Team. Neun anstrengende Drehtage liegen hinter ihnen. Und jetzt? Folgt natürlich ein Apéro.