Das Alkoholverbot gehört seit bald hundert Jahren zur Migros und gilt für viele als wichtiger Wert. Sehen Sie das auch so?
David Bosshart: Man kann auf demokratischem Weg alles ändern in der Migros. Das begrüsst die Stiftung. Aber so einfach wie eine neue Käsesorte lassen sich Wein und Bier nicht einführen. Das Alkoholverbot ist ein Kernwert der Migros-Identität, der über Jahrzehnte gewachsen ist …
… und der jetzt in einer Urabstimmung abgeschafft werden könnte.
Bevor sie diesen Kernwert abschafft, sollte die Migros erklären, womit sie ihn ersetzt. Zu sagen, sie leiste zum Beispiel übers Kulturprozent schon viel für die Gesellschaft, ist zwar richtig und gut, aber auch ein bisschen bequem.
Tatsächlich hat die Migros neben dem Alkoholverbot noch andere wichtige Werte.
Eben, es geht gar nicht so sehr um den Alkohol, sondern um die Frage, wie wir mit unseren Kernwerten insgesamt umgehen und glaubwürdig bleiben. Falls im Juni einige Genossenschaften Ja sagen zum Alkohol und einige Nein, dann haben wir einen Flickenteppich und schaden der kommerziellen und der ideellen Gemeinschaft, der Solidarität und der Einfachheit des Angebots. Das gehört zum Kern der Migros-Werte …
… ebenso wie die Autonomie der Genossenschaften. Werte können einander auch widersprechen.
Für Duttweiler war Demokratie kein Selbstzweck, sondern diente immer der Stärkung der Migros-Gemeinschaft insgesamt. Die Stiftung hätte für die Urabstimmung eine Zusatzfrage begrüsst, ob zum Beispiel bei einer Mehrheit von sechs Genossenschaften für den Alkohol die anderen vier ebenfalls verpflichtet werden sollen, dies umzusetzen. Umgekehrt ebenso bei einer Nein-Mehrheit.
Der Stiftungsrat selbst hat Stimmfreigabe beschlossen. Warum?
Weil das in der aktuellen Situation die beste Lösung ist. Die genossenschaftlichen Gremien haben ganz klar auf «Demokratie zuerst» gesetzt. Wir respektieren das, hoffen aber auf ein eindeutiges Resultat.
Und was würde Duttweiler selbst sagen?