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Nachhaltig

Erdbeeren, die auch der Umwelt schmecken

Seit 2019 verkauft die Migros Erdbeeren aus Südspanien, für deren Anbau strenge Umwelt- und Sozialkriterien gelten. Diese Anforderungen tragen zum besseren Schutz der Pflücker bei und auch der direkt an die Betriebe angrenzende und von Dürre bedrohte Nationalpark Doñana profitiert.

Text Pierre Wuthrich
Fotos Gunnar Knechtel
Datum
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Der zum UNESCO-Weltkulturerbe gehörende Nationalpark Doñana erstreckt sich südwestlich von Sevilla auf einer Fläche von mehr als 500 km2. Diese ausgedehnte Wildnis bietet Hunderten Vogelarten Schutz, die dort auf ihrer Zugroute zwischenlanden oder überwintern. Wer im Park unterwegs ist, bewundert den Flug der Schwarzstörche, beobachtet durch die Kiefern hindurch Rehe oder mit etwas Glück einen iberischen Luchs, der dort einen seiner letzten Zufluchtsorte gefunden hat.

Doch dieses kleine Paradies – auf Initiative von Luc Hoffmann, dem Gründer des WWF, seit 1969 geschützt – ist in Gefahr. Umgeben von landwirtschaftlichen Betrieben, die Obst und Gemüse nach ganz Europa exportieren und deren Wasserverbrauch manchmal problematisch ist, kämpft es um sein Überleben. «Wir gehen davon aus, dass es rund um den Park etwa tausend illegale Brunnen gibt. Was ausserhalb des Parks geschieht, hat Auswirkungen auf den Park selbst», erklärt Felipe Fuentelsaz vom WWF Spanien. Der Umweltschützer hat berechnet, dass die Wasserressourcen im Park um 80% zurückgegangen sind. Mit einer Regierung, die dazu neigt, den Kopf in den Sand zu stecken, erinnert Felipe Fuentelsaz’ Kampf zuweilen an Don Quichottes Kampf gegen die Windmühlen.

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Der Nationalpark Doñana ist die Heimat vieler Vogelarten.

Der Migros hat entschieden, hier Gegensteuer zu geben. Nicht etwa, indem sie spanische Produzenten boykottiert – da ihr Obst nach ganz Europa exportiert wird, wäre dies nutzlos –, sondern indem sie vor Ort handelt und die lokale Landwirtschaft unterstützt, die neben dem Tourismus eine Einnahmequelle für Tausende von Arbeitnehmern ist.

«Es ist wichtig, den Kunden eine gesunde Alternative zu den Früchten aus Schweizer Lagerbestand im Frühjahr anbieten zu können», erklärt Erwin Büsser, Leiter Früchte und Gemüse Migros. Er ist nach Spanien gereist, um sich vor Ort ein Bild von den Produktionsbedingungen zu machen. Begleitet wurde er von Thomas Paroubek, Leiter Direktion Nachhaltigkeit & Qualitätsmanagement Migros. «Es ist wichtig, dass diese Produkte aus nachhaltiger Landwirtschaft kommen», erklärt Paroubek.

Süden Andalusiens

Zwischen Schutzgebieten und Agrarbetrieben beherbergt der Süden Andalusiens sowohl ein Naturgebiet von internationaler Bedeutung als auch den Gemüsegarten Europas. Die am Programm der Migros beteiligten Betriebe befinden sich in Moguer und Almonte, unweit des Nationalparks Doñana.

Bild: Google Maps

Aus all diesen Gründen lancierte die Migros 2019 ein ehrgeiziges Projekt: die Produktion von spanischen Erdbeeren, die ökologisch und sozial verantwortlich angebaut werden. Um dies zu erreichen, wurde ein Massnahmenkatalog erstellt. Er umfasst vier Aspekte: Wassermanagement, verantwortungsvoller Umgang mit Pflanzenschutzmitteln, Bodenbewirtschaftung und Arbeitsbedingungen.

Den Wasserverbrauch senken

Heute arbeitet die Migros in Spanien mit sieben Lieferanten, die die Erdbeeren von 30 Bauernbetrieben beziehen. Diese haben eingewilligt, die strengeren Migros Normen umzusetzen. Sie betrachten den Park Doñana als Teil ihrer kollektiven Identität. Sein Schutz liegt ihnen am Herzen. «Dieses Projekt bietet die Chance, so vielen Menschen wie möglich zu zeigen, welche Anstrengungen wir unternehmen», erklärt Ivan Perez, Produktionsleiter bei Surexport in Almonte und einer der Partner der Migros.

Bei den Migros-Lieferanten werden die Erdbeeren unter unbeheizten Plastikhochtunnels angebaut, um den natürlichen Treibhauseffekt zu nutzen. So sehr, dass mithilfe des milden andalusischen Klimas die ersten Erdbeeren bereits im Januar genussreif sind.

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Die Erdbeeren werden unter unbeheizten Plastikhochtunnels angebaut und können schon ab Januar geerntet werden.

Damit das neue Pflichtenheft eingehalten wird, müssen die Betriebe insbesondere ihren Wasserverbrauch reduzieren. Dazu messen Sensoren die Feuchtigkeit im Boden und liefern präzise Daten. Unabhängige Experten werten diese Ergebnisse regelmässig aus. «Wir müssen analysieren, welche Einsparungen erreicht werden können. Die Bewässerung ist abhängig von der Niederschlagsmenge und variiert je nach Jahreszeit. «Daher sind diese Informationen sehr wichtig für die Festlegung der Ziele», fügt Thomas Paroubek an.

Den Einsatz von biologischen Pflanzenschutzmitteln fördern

Auch für das Ausbringen von Pflanzenschutzmitteln sind verbindliche Richtlinien im Einsatz. «Die Menge und die Toxizität der eingesetzten Pestizide werden abnehmen», verspricht Ivan Perez. Obwohl der Trend dahin geht, alle Felder einheitlich zu behandeln, sollten genauere Messungen – insbesondere des Gehalts von Sporen in der Luft – den Einsatz von Fungiziden für jede Parzelle einzeln ermöglichen.

Darüber hinaus werden die Bauern auch den Einsatz von organischen Mitteln intensivieren. «Gegen Blattläuse zum Beispiel ist die Wespe Aphidius colemani, ein Nützling, ein sehr effizientes Mittel», so der Produktionsleiter von Surexport.

Um die Biodiversität auf den Feldern zu fördern und die Bodenerosion einzudämmen, wurden verschiedene Massnahmen festgelegt, die vom Anlegen von Blühstreifen in den Betrieben bis zur dauerhaften Begrünung der Böden reichen.

Einer der Aspekte des Programms betrifft schliesslich die Mitarbeitenden. «Runde Tische mit Vertretern der Gewerkschaften und Produzenten haben bereits stattgefunden», erklärt Thomas Paroubek. Bei diesen Treffen werden die Teilnehmer über das Arbeitsrecht, ihre Vergütung im Falle von Überstunden und die Sicherheit auf den Feldern informiert. Ivan Perez begrüsst diesen Dialog. «Eines unserer Hauptprobleme besteht im starken Wechsel der Saisonarbeiter. Wenn uns diese Diskussionen ermöglichen, Mitarbeiter zu halten, werden wir alle davon profitieren.»

Nicoleta David Nanu ist  eine dieser treuen Pflückerinnen. Die junge Frau rumänischer Herkunft arbeitet seit beinahe 15 Jahren in Spanien. «Die ersten drei Jahre war ich Saisonarbeiterin. Dann konnte ich einen festen Vertrag unterschreiben. Ich pflücke von Januar bis Juni Erdbeeren und wechsle dann zu anderen Früchten, etwa zu den Himbeeren.»

Die Erdbeeren, die Nicoleta David Nanu und die 4000 anderen Erntehelferinnen direkt in Kisten verpacken, werden per Lastwagen in die Schweiz transportiert, wo sie nach zwei bis drei Tagen in den Migros-Regalen ankommen, so wie zahlreiche andere Früchte und Gemüse. «Diese Transportart hat nur eine geringe Auswirkung auf die gesamte Klimabilanz der Früchte, nämlich gerade einmal 1 bis 5%», erklärt Erwin Büsser.

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Nicoleta David Nanu gehört zu den fast 4000 Pflückern, die die Erdbeeren bei Surexport ernten.

Heute tragen 10 bis 15% der spanischen Erdbeeren der Migros ein M-Check-Label, das besagt, dass diese Früchte den neuen Normen entsprechen. «Die komplette Umsetzung dieser Massnahmen kann nicht von heute auf morgen erfolgen», so Büsser. «Aber wir sind auf dem richtigen Weg und wollen, dass 2022 über 95% der spanischen Erdbeeren, die von der Migros verkauft werden, die neuen Anforderungen erfüllen.

Was den Preis betrifft, so bleibt er trotz des sozialen und ökologischen Mehrwerts unverändert. «Die anfallenden Kosten, insbesondere für die unabhängigen Kontrollen, werden von der Migros und den Produzenten getragen», sagt Büsser «Die Migros kauft den teilnehmenden Betrieben nur einen Teil der Ernte ab. Deshalb werden auch andere Detailhändler ein besseres Produkt anbieten. Die Erfolge unseres Projekts entfalten ihre Wirkung europaweit.»

Mehr dazu auf generation-m.migros.ch/erdbeeren und auf dem Podcast «Chrut und Rüebli».

Erdbeer-Fakten

Die Hälfte der 5500 Tonnen Erdbeeren, die jährlich von der Migros verkauft werden, kommt aus der Schweiz. Wenn für diese kleine rote Frucht bei uns nicht Saison ist, importiert die Migros sie aus Spanien, Italien oder Frankreich, üblicherweise von März bis Mai.

50% Schweizer Erdbeeren
35% spanische Erdbeeren
15% anderer Herkunft (F, I)

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