Navigation

Drei alte Damen spazieren mit dem Surfbrett unter dem Arm hintereinander am Strand entlang

GDI

Ewig jung – geht das?

Unsere Autorin war auf der Food-Trend-Konferenz des Gottlieb Duttweiler Instituts. Was sie dort übers verlangsamte Altern erfahren hat.

Text
Dinah Leuenberger
Bild
Getty Images - Michael Hall
Datum
Format
Was wir tun

Du bist, was du isst – geht es nach den Trendforschern dieser Welt, hatte diese Aussage nie grössere Berechtigung als heute. Denn die Bereiche Essen, Gesundheit und Schönheit sind unter dem Begriff «Wellbeing» – also Wohlbefinden – zu einem Milliardenmarkt verschmolzen. Dieser liefert Tausende passende Produkte, Dienstleistungen und Erlebnisse, alle mit demselben Ziel: So lang wie möglich so gesund und schön wie möglich zu bleiben und dabei idealerweise Spass zu haben.

Wie viel die bedingungslose Selbstoptimierung aber mit Spass zu tun hat, das versuche ich an der 5. International Food Innovation Conference des Gottlieb Duttweiler Instituts (GDI) herauszufinden. Hier treffen sich die Exponenten aus der Wissenschaft, der Wirtschaft und der Trendforschung, um ihre neuesten Erkenntnisse zum Thema Wellbeing zu präsentieren.

Schnell wird mir klar: Von nichts kommt nichts. Wer sich zum Beispiel der sogenannten Longevity verschreibt, der tut alles, um den eigenen Alterungsprozess zu verlangsamen, zu stoppen oder sogar umzukehren.

Wer nicht altert, kann folglich auch keine altersbedingten Krankheiten bekommen.

David Sinclair, Professor für Genetik und Direktor des Zentrums für Altersforschung an der Harvard University

Also zum Beispiel kein Alkohol, keine Zigaretten, kein Fleisch und Brot. Täglich nur während sechs Stunden maximal zwei Mahlzeiten einnehmen, dazu Nahrungsergänzungsmittel wie Vitamine, Proteine oder Kollagen. Jeden Tag Sport. Stammzellen einfrieren.

Einer der Begründer dieser Bewegung ist der Harvard-Professor David Sinclair. Er sagt an seinem Vortrag am GDI, dass das Altern quasi eine Krankheit sei, die man behandeln könne. Wer nicht altert, kann folglich auch keine altersbedingten Krankheiten bekommen. Denn die Genetik sei nur in 15 Prozent der Fälle schuld an diesen Krankheiten. Der eigene Körper wird bei Longevity zu einem Optimierungsobjekt, das rund um die Uhr vermessen wird – dank Uhren, Fingerringen oder ähnlicher Gerätschaften, die den Schlafrhythmus, den Zuckerspiegel, den Puls und zig andere Körperfunktionen messen.

Wo führt das hin? Und was kann ich als Normalo davon auch tatsächlich anwenden? Ich bin mit vielen Fragen an die Konferenz gegangen und habe die folgenden Antworten mit nach Hause genommen.

1. Ist Übergewicht bald für alle passé, dank der neuen Abnehmspritzen Ozempic oder Wegovy?

In den vergangenen Jahren erlebten die sogenannten Abnehmspritzen, die eigentlich für Diabetes-Typ-II-Patienten entwickelt wurden, einen Boom. Prominente Aushängeschilder wie Elon Musk oder Kim Kardashian haben damit zig Kilo verloren.

Aber haben diese Spritzen auch das Potenzial, langfristig das weltweite Übergewichtsproblem zu lösen? Toby Clark, Berater bei der Marktforschungsagentur Mintel, sagt: «Nein, ganz sicher nicht. Zuerst muss geklärt werden, welche langfristigen Nebenwirkungen diese Medikamente haben. Und auch wenn diese nicht gravierend sind, die Medikamente werden eine Nische bleiben. Zum einen, weil es zu wenig davon gibt für die ganze Welt und sie auch zu teuer sind. Zum anderen, weil nicht alle Menschen sich täglich ein solches Mittel verabreichen möchten, nur um ein paar Kilo zu verlieren.»

2. Was sind funktionale Lebensmittel? Und was tragen sie zu unserer Gesundheit bei?

Ein Joghurt, der «gut für die Verdauung» sein soll, oder ein Getränk, das «den Energiehaushalt unterstützt», sind sogenannte funktionale Lebensmittel. Sie sollen neben der grundlegenden Nährstoffversorgung hinaus einen zusätzlichen gesundheitlichen Nutzen bieten. Sie enthalten entweder natürliche Inhaltsstoffe, die gesundheitsfördernd wirken, oder sie werden gezielt mit Vitaminen, Mineralstoffen, Ballaststoffen, Probiotika oder anderen Wirkstoffen angereichert.

Hier einige Beispiele, was sie bewirken sollen:

  • Stärkung des Immunsystems: Viele funktionale Lebensmittel enthalten Vitamine wie C oder D, die die Abwehrkräfte stärken sollen.

  • Bessere Verdauung: Probiotische Produkte sollen eine gesunde Darmflora fördern und Verdauungsprobleme lindern.

  • Herz-Kreislauf-Gesundheit: Produkte mit Omega-3-Fettsäuren oder Ballaststoffen sollen das Herz schützen und den Cholesterinspiegel senken.

  • Energydrinks oder koffeinhaltige Produkte versprechen einen schnellen Energieschub.

  • Gezielte Unterstützung: zum Beispiel für Knochen (Kalzium, Vitamin D) oder Muskeln (Protein).

Funktionale Lebensmittel und Getränke machen aber meistens nur in Kombination mit einer ausgewogenen Ernährung Sinn. Zudem kann der Körper gewisse Nährstoffe nur begrenzt aufnehmen. Der Vitamin-C-Speicher wird zum Beispiel nicht beliebig grösser, sondern hat eine Obergrenze, auch wenn man sehr viele funktionale Lebensmittel mit Vitamin C konsumieren würde.

3. Kann künstliche Intelligenz die Wohlfühlindustrie revolutionieren?

Ja. Denn sie tut es bereits. Ein Beispiel? Die Firma Nuritas hat eine künstliche Intelligenz entwickelt, die nach besonders potenten Peptiden, also verkürzten Proteinen, sucht. Tatsächlich hat diese KI in der Favabohne ein Protein gefunden, das doppelt so effizient ist wie herkömmliches Eiweiss.

Hätte man mit traditionellen Recherchemethoden gesucht, hätte es 30 Millionen Jahre länger gedauert bis zur Entdeckung dieses Proteins. Weil die KI für verschiedenste Prozesse und Branchen eingesetzt werden kann, können Firmen künftig wohl viel Geld und Zeit einsparen bei der Forschung und Entwicklung von neuen Wohlfühlprodukten.

  • Longevity-Empfehlungen nach Alter

    Icon zum Öffnen oder Schliessen

    Alter 18–30

    • Schäden an Haut, Ohren, Augen und Organen vermeiden (zum Beispiel mit Sonnen- und Gehörschutz).

    • Giftstoffe vermeiden.

    • Lebensmittel essen, die unsere Gene positiv beeinflussen können, weil sie reich an Nährstoffen sind (zum Beispiel grünes Blattgemüse, Beeren, Vollkornprodukte, Knoblauch und Zwiebeln).

    • Ein gesundes Gewicht und ausreichend Muskelmasse erhalten.

    • Stammzellen einfrieren.

    Alter 30–60

    • Weniger oft essen, Muskelmasse erhalten.

    • Lebensmittel essen, die unsere Gene positiv beeinflussen können.

    • Stammzellen einfrieren.

    • Körperfunktionen und -werte messen und optimieren in den Bereichen Ernährung, Sport, Nahrungsergänzungsmittel.

    Alter 60+

    • Eigene Stammzellen in den Körper reintegrieren.

    • Nährstoffe, Nahrungsergänzungsmittel und Longevity-Medizin einnehmen.

    • Muskelmasse bilden und Beweglichkeit erhalten.

    • Schlafstörungen behandeln.

    • Seneszente Zellen eliminieren (diese Zellen haben ihre Fähigkeit zur Zellteilung verloren, sind aber weiterhin stoffwechselaktiv und können Entzündungen fördern, was zu Alterungsprozessen und altersbedingten Krankheiten beitragen kann).

    • Soziales Netzwerk erhalten.

    4. Ist Longevity nur etwas für Superreiche? Was kann ich als Normalo für ein längeres Leben tun?

    David Sinclair sagt dazu Folgendes: «Die Behandlungen und Untersuchungen, die Geräte und Prozeduren sind, Stand heute, noch sehr teuer. Das Ziel ist, die Kosten drastisch zu senken. Zum Beispiel werden Behandlungen, die heute sehr aufwendig sind, künftig als preiswertere Tablette erhältlich sein. Dann ist es auch eine Frage der eigenen Prioritäten: Für einen Kaffee pro Tag kann man am Ende eines Jahres ein komplettes MRI erstellen lassen. Und einige Dinge sind sogar günstiger, als wenn man konventionell lebt: nur so viel essen, wie der Körper braucht, weniger Fleisch.»

    5. Warum brauchen wir Kollagen?

    Und was können Kollagenprodukte? Kollagenprodukte lachen uns von Werbungen, Plakaten oder Instagram-Storys entgegen. Und der Markt dafür boome, sagen die Experten am GDI. In einigen Jahren soll er weltweit 16 Milliarden übersteigen. Aber was ist Kollagen eigentlich?

    Das Eiweiss wird auch als das am weitesten verbreitete Protein in unserem Körper bezeichnet. Es kommt zum Beispiel in Haut, Knochen, Sehnen und Bändern vor und bildet quasi das Gerüst unseres Körpers. Der Körper produziert es selbst, mit zunehmendem Alter (ab etwa 25 Jahren) nimmt diese Produktion aber ab. Deshalb gibt es eine Vielzahl an kollagenhaltigen Produkten, die unseren Körper unterstützen sollen. Sie enthalten meistens tierisches Kollagen, erste Firmen entwickeln synthetische Varianten.

    Damit sich die Wirkung von Kollagen entfalten kann, wird es in einem speziellen Prozess, der sogenannten Hydrolyse, in kleinere Moleküle (Peptide) zerlegt. Diese Peptide sind besonders gut vom Körper aufnehmbar und können gezielt dort wirken, wo sie gebraucht werden. Man findet funktionales Kollagen häufig in Nahrungsergänzungsmitteln, Proteinpulvern oder Getränken.

    Unser Engagement für die Nachhaltigkeit

    Wir nehmen unsere Verantwortung für Mensch und Natur ernst. Jeden Tag. Erfahre mehr darüber in unseren Stories!

    Alle Stories