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Saburo Teshigawara & Rihoko Sato

Tanzfestival Steps

«Ich vertraue ihm mehr als mir»

Sie tanzen seit bald 30 Jahren im Einklang: Saburo Teshigawara und Rihoko Sato. Doch was macht das Duo aus Japan zu weltweiten Ikonen? Eine Begegnung im Vorfeld zu ihrem Auftritt am Tanzfestival Steps.

Von
Deborah Bischof
Datum
Format
Interview

Musik, Licht und Bewegung. Sie sind die Gestaltungsmittel von Saburo Teshigawara. Oft im Zentrum seiner Werke: Er selbst und seine langjährige Tanzpartnerin Rihoko Sato. Seit 29 Jahren fesselt das japanische Tanzpaar das Publikum von Mailand bis New York. Sie, mittlerweile 51 Jahre, Tänzerin von den Fingerspitzen bis in die gestreckten Zehen. Er, über 70 Jahre, Choreograf, Tänzer, Dirigent von der ersten bis zur finalen Szene.

Was macht Ihre spezielle Verbindung aus?

Sato: «Mein ganzes Tanz-Vokabular basiert auf dem, was Saburo mir beigebracht hat und auch vieles, das ich über mich herausgefunden habe. Ich vertraue ihm deshalb auf eine gewisse Weise mehr als mir selbst.»

Teshigawara: «Ich kann jeden Tanz mit jedem tanzen. Je nach Partner entsteht ein anderer Tanz. Mit ihr kann ich etwas Spezielles erschaffen. Sie ist speziell.»

Unter der schwarzen Mütze steckt ein Gedankenwälzer. Seine Worte sind philosophisch, stossen in eine andere Sphäre vor, wie die Schritte seiner Tanzstücke. Das merkt man schon nach wenigen Minuten, in einem Gespräch am Theater Basel, das nur exakt 32 Minuten dauern wird. Denn ihre Terminpläne sind gedrängt, meist gefüllt bis in die Abendstunden.

Fast ehrfürchtig sitzt man ihnen gegenüber, zwei feinen Gestalten, dunkle Kleidung, straffe Haltung. Teshigawaras Schilderungen ziehen einen zurück, in ein freies, gestaltungswillges Japan Anfangs der 1990er Jahre. «Es war eine Zeit des Friedens, der Geist war sehr offen und neue Kunstformen willkommen.» Die Zeit, in der er Sato «fand», wie er sagt.

Was faszinierte Sie an aneinander?

Teshigawara: «Sie ist eine sehr fragile Person. Das ist etwas Schönes, weil sie so schon feinste Berührungen bis tief in ihr Inneres spürt. Wer hingegen eine dicke Jacke trägt, fühlt nichts.»

Sato: «Wenn ich mit ihm arbeite, entdecke ich immer wieder Neues, kann mich überraschen lassen. Das bringt mich dazu, immer weiterzumachen – oder besser gesagt; weiterzukommen.»

Sato studiert Gymnastik in England und den USA, bevor sie 1996 einen von Teshigawaras Tanz-Workshops in Tokio besucht. Diese sind für sie geformt: Offen für alle, die meisten der 150 Teilnehmenden sind jung und unerfahren wie sie. Er denke nicht in Namen, Preisen oder Karrieren, erklärt Teshigawara. «Ich will etwas kreieren, mit dem Körper.» Mit diesem Gedanken beginnt in den 1980er Jahren auch seine eigene Karriere.

Tänzer zu werden, sei nie seine Absicht gewesen, sagt er. Und doch findet er sich im Tanz, entwickelt einen eigenen Stil, weit weg von bekannten Genres. Bald arbeitet er auch als Choreograf, Kostüm- und Bühnengestalter, Filmemacher und Komponist. Auf der Bühne experimentiert er mit Licht, geht über Glasscherben oder kreiert ein Dekor aus lauter Büchern. Und steht dann selbst auf der Bühne – auch heute noch mit über 70 Jahren.

Tanz ist ein sehr intensiver Sport. Wie halten Sie sich fit?

Teshigawara: «Die einfache Antwort: Ich bin von Natur aus so. Die komplexe: Ich will in allem, was ich mache, natürlich sein. Weil das nicht möglich ist, muss ich einen künstlichen Zugang wählen mit viel Training.»

Was haben Sie mit dem Alter gelernt?

Sato: «Das Wertvollste, dass ich gelernt habe, ist Geduld. Als ich jung war, war ich sehr schnell reizbar. Mit der Zeit habe ich akzeptiert, dass man an Dingen arbeiten muss und lernen, sich zu kontrollieren.»

Sie tanzen seit bald 30 Jahren, haben viele Preise – unter anderem einen Goldenen Löwen für Ihr Lebenswerk – gewonnen. Was wollen sie noch erreichen?

Sato: «Ich will nichts erreichen, ich will empfangen.»

Teshigawara: «Ich möchte mehr Zeichnen. Vor den Proben, nach den Auftritten, bei Spaziergängen, ich zeichne alles, was mir in den Kopf kommt.»

Ans Aufhören denken sie nicht. Mal treten sie gemeinsam auf, mal getrennt, mal schreibt er die Choreografie für ihr Solostück, mal unterstützt sie ihn choreografisch bei seinen Stücken. In Kürze sind sie in der Schweiz ein weiteres Mal auf mehreren Bühnen zu sehen mit dem Stück «Tristan und Isolde» (siehe Box). Wie finden sie sich bei ihren Werken? «Wir streiten», sagt Teshigawara und lacht. Auch Sato schmunzelt hinter hervorgehaltener Hand. Die Frage drängt sich auf:

Erlauben Sie, sind Sie ein Paar?

Teshigawara: «Wir haben denselben Tagesablauf, die gleiche Zeit, gehen zusammen auf die Bühne – auf gewisse Weise sind wir also ein Paar, aber wir sind kein Liebespaar.»

Sato: «Wir haben die gleichen Ziele, sind aber sehr widersprüchlich. Manchmal wollen wir dasselbe, dann aber auch wieder das Gegenteil.»

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