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Eine Familie mit zwei Kindern liegt auf einem Bett und lacht

GDI-Studie

Eltern, 2 Kinder: Hat die klassische Familie ausgedient?

Frauen bekommen kaum noch Kinder, viele Ehen werden geschieden: Wie sieht die Familie der Zukunft aus? 5 Thesen.

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Nina Huber
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Jacob Lund - stock.adobe.com
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Was wir tun

1. Die Familie schafft sich selbst ab

Die Geburtenrate geht seit 1950 in allen wohlhabenden Ländern stetig zurück. In der Schweiz bekommt eine Frau durchschnittlich 1,4 Kinder. Das hat mit einem Gesellschafts- und Wertewandel zu tun. Früher war das Kinderbekommen ein Meilenstein, den insbesondere Frauen zu erreichen hatten.

Seit die Frauen besser ausgebildet und finanziell unabhängiger sind, formen Kinder nicht mehr den allein definierenden Lebensinhalt. «Während Kinder früher essenziell waren für die finanzielle Absicherung, stellen sie heute eher eine finanzielle Belastung dar», sagt Petra Tipaldi, Autorin der GDI-Studie «Unbundling the Family».

Zwar wünschen sich zwei Drittel der jungen Frauen und Männer zwischen 20 und 29 Jahren Kinder, allerdings ist ihnen noch viel wichtiger, einen guten Job zu haben. «Knapp 90 Prozent der Menschen finden, dass Spass im Job zu einem erfüllten Leben gehört. Bis dieser Punkt erreicht wird, braucht es viel Zeit: eine Ausbildung, allfällige Stellenwechsel, vielleicht sogar einen Umzug. Das Kinderbekommen wird hintenangestellt», sagt Tipaldi.

Schafft sich die Familie also ab? «Die klassische Familie mit Vater, Mutter und zwei Kindern wird zukünftig nicht mehr zeitgemäss sein. Der Familienbegriff wird grösser und offener. Es wird mehr Familien mit einem Kind geben, mehr Alleinerziehende, mehr Familien mit mehreren Bezugspersonen, mehr Patchwork- und Regenbogenfamilien sowie Menschen ohne Kinder, die sich als Familie verstehen».

2. Freunde und WG-Mitbewohnende zählen zur neuen Familie dazu

Das Grundbedürfnis nach Verbundenheit wird bleiben. Und es wird auch in Zukunft ein Grundpfeiler für Kinder bleiben, damit sie wohlbehütet aufwachsen. Die Anzahl der Verwandten schrumpft aber mit dem Geburtenrückgang. «Das führt dazu, dass man in Zukunft immer mehr Menschen zur eigenen Familie dazuzählen wird, die klassischerweise nicht dazugehörten», sagt Tipaldi.

Bereits heute geben 31 Prozent der Befragten an, dass sie enge Freunde zur Familie zählen. Im Gegenzug sieht fast die Hälfte der Leute die Ehe als eine veraltete Institution. Heute regelt die Ehe das gemeinsame Sorgerecht für Kinder.

Die klassische Familie mit Vater, Mutter und zwei Kindern wird zukünftig nicht mehr zeitgemäss sein.

Petra Tipaldi, Trendforscherin am GDI und Studienautorin

Tipaldi dazu: «Die verschiedenen Lebensformen erfordern mehr Flexibilität betreffend juristische Regelungen. Es geht nicht nur um finanzielle Verpflichtungen oder Erbschaften, sondern etwa auch um Besuchsrechte im Krankenhaus bei einem Unfall.»

3. Firmen übernehmen Familienplanung

Eltern, insbesondere von kleinen Kindern, sind häufig gestresst. Das Gefühl, der Familie nicht gerecht zu werden, kennen 34 Prozent der Befragten. Denn in der «Rushhour des Lebens» kommt alles zusammen: Druck bei der Arbeit, intensive Betreuung der Kinder. Die Studie zeigt, dass jüngere Befragte deutlich offener sind, Familien- und Haushaltsaufgaben auszulagern.

Dafür bräuchte es aber noch mehr Angebote: erschwinglichere und flexiblere Kinderbetreuungsangebote, mehr staatliche Unterstützung für Familien, innovative Karriereförderprogramme und Unterstützung bei der Familienplanung seitens der Unternehmen. «So liessen sich Arbeit und Kinder besser vereinbaren», erklärt Tipaldi.

Der Fachkräftemangel wird sich mit dem Geburtenrückgang in den nächsten Jahrzehnten verschärfen. Firmen geraten noch mehr unter Druck, Mitarbeitende zu halten und Talente anzuziehen. Es gibt bereits Firmen, die das Einfrieren von Eizellen finanziell unterstützen würden.

«Das mag einer von vielen Ansätzen sein. Allerdings hilft es nicht dabei, Kinder und Karriere zu verbinden, wenn das Kinderkriegen weiter nach hinten verlagert wird.»

4. KI macht das Leben für Familien leichter

Bisher spielt Digitalisierung laut Studie im Alltag eine geringe Rolle. Das könnte sich mit der Entwicklung von Künstlicher Intelligenz ändern. Vielleicht wird in einem virtuellen Klassenzimmer ein Avatar die Kinder bei den Hausaufgaben unterstützen. Oder KI steigert die Effizienz beim Erledigen von Haushaltsaufgaben.

Aber Tipaldi meint: «Vorsicht vor zu hohen Erwartungen an KI als Erlöser von Stress. Wenn wir schauen, wie Technologien unser Leben bisher beeinflussen, müssen wir sagen: Ja, sie machen vieles einfacher, sie steigern die Produktivität, führen dadurch aber auch zu mehr Stress. Das hat eine andere Studie von uns ergeben.»

5. Modell Ernährer-Hausfrau hat ausgedient

Heute werden die Aufgaben der Kinderbetreuung bereits von 46 Prozent der Befragten ausgeglichen erledigt. Viele Frauen sind erwerbstätig. Aber das Modell Ernährer-Hausfrau muss nicht notwendigerweise verschwinden, sagt Tipaldi.

«In Zukunft werden viele Lebensformen und Familienmodelle akzeptiert sein und nebeneinander existieren. Gesellschaftlicher Wandel braucht aber Zeit», gibt die Expertin zu bedenken. Die Emanzipation habe uns schon weit gebracht, aber das Bild der guten Mutter sei immer noch sehr stark etabliert und übe aktuell noch einen grossen Druck auf Frauen aus.

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