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Pilotprojekt M-Industrie

Fisch aus nachhaltiger Eigenzucht

Die Nachfrage nach Fisch aus Schweizer Gewässern ist deutlich höher als die Fangmenge. Die Migros-Industrie züchtet deshalb neu Egli und Felchen in einer eigens entwickelten Aquakulturanlage in Birsfelden.

Text Ralf Kaminski
Datum
Fabio Ammann an einem der 36 riesigen Becken.

Fabio Ammann an einem der 36 Becken der neuen unterirdischen Aquakulturanlage. (Bilder: zVg)

Fabio Ammann (31) schaut in eines der riesigen runden Becken. 6000 junge Felchen schwimmen darin im Kreis, in einer künstlichen Strömung. 36 dieser Becken, die je 27,5 Kubikmeter Wasser fassen, befinden sich in der unterirdischen Anlage in Birsfelden BL. Es riecht wie auf einem Fischmarkt, der Geräuschpegel ist hoch wegen all der Maschinen für den Transport und die Aufbereitung des Wassers. «Den Fischen geht es gut», versichert der Leiter der Swiss Aquakulturen. «In freier Natur sind sie ebenfalls in Schwärmen unterwegs.»

Die Egli im Nachbarbecken sind deutlich scheuer und verschwinden sofort in der dunklen Tiefe, als sich Ammann nähert. «Lässt man den Egli zu viel Platz, entwickeln einige Tiere ein aggressives Revierverhalten und greifen andere an», erklärt er. Im grossen Schwarm machen sie das nicht. «Sie bleiben friedlich und fühlen sich wohl, besonders als Jungfische. Und nur wenn sie sich wohlfühlen, wachsen sie.»

Fünf Jahre getüftelt

Genau das ist der Zweck der Aquakulturanlage im Untergeschoss eines Industriegebäudes der Migros-Tochter Delica in Birsfelden. An der Entwicklung des Pionierprojekts wurde insgesamt fünf Jahre getüftelt, mit dem Ziel, den Tieren bestmögliche Lebensbedingungen zu bieten, sie nachhaltig wachsen zu lassen – und dabei keine roten Zahlen zu schreiben.

Die grösste Herausforderung war laut Ammann, genügend und regelmässig verfügbare Jungfische zu bekommen, da Egli und Felchen natürlicherweise nur einmal pro Jahr laichen. «Die Anlage ist nur kostendeckend, wenn sie das ganze Jahr ausgelastet ist – und will man regelmässig abfischen, muss man auch regelmässig besetzen können.»

Dieser Nachschub ist inzwischen gewährleistet, so dass die Becken der Swiss Aquakulturen in der Lage sein sollten, Migros-Läden und -Gastronomie durchgehend mit Egli und Felchen zu versorgen. Fische aus Wildfang gibt es nämlich immer weniger. Die Schweizer Gewässer sind so sauber, dass sie zu wenig Nährstoffe bieten – diese Knappheit verteuert die Fische. Um der Nachfrage gerecht zu werden, müssen Egli deshalb teilweise aus dem Ausland importiert werden. Swiss Aquakulturen will diesen Schweizer Traditionsfisch wieder vermehrt aus einheimischer Zucht anbieten und so auch die nationalen und internationalen Wildbestände schonen.

Fabio Ammann erklärt, wie die neue Aquakulturanlage funktioniert. (Video: Micarna)

Und Felchen werden hier überhaupt erstmals gezüchtet. Allein die Migros verkaufte 2019 pro Woche im Schnitt 177 Kilo Felchenfilets, was 584 Fischen entspricht – allesamt Wildfang aus der Schweiz. «Wir könnten noch mehr absetzen, bekommen die Ware aber nicht», sagt Martin Stalder (43), Leiter Business Unit Fisch bei der Micarna, welche Swiss Aquakulturen betreibt. Anders bei den Egli: Von ihnen verkaufte die Migros 2019 pro Woche 1619 Kilo (was gut 8000 Fischen entspricht), rund 75 Prozent aus Schweizer Zucht, der Rest kommt aus Estland und Russland. Insgesamt werden in der Schweiz pro Kopf und Jahr neun Kilo Fisch konsumiert, rund die Hälfte davon ist Lachs.

Fokus künftig auf Felchen

Mit der neuen Anlage kann die Migros nun ihren Eigenbedarf bei Egli und Felchen abdecken. «Wir hoffen ab 2023 auf schwarze Zahlen», sagt Stalder. «Und künftig dürfte der Fokus primär auf den Felchen liegen – anders als die Egli züchtet die nämlich sonst niemand, und die Nachfrage ist da, auch ausserhalb der Schweiz.»

Derzeit schwimmen insgesamt 140 000 Egli und 33 000 Felchen bei den Swiss Aquakulturen. Wenn im nächsten Frühling alle Becken besetzt sind, werden bis zu 300 000 Fische hier sein. Die Tiere werden von der KM Seafood, die zur M-Industrie gehört, in Kirschau östlich von Dresden (D) in einer eigenen Zuchtanlage reproduziert und aufgezogen; sie sind rund 80 Gramm schwer, wenn sie mit vier bis sechs Monaten in Lastwagen nach Birsfelden kommen.

Junge Egli schwimmen darin im Kreis, in einer künstlichen Strömung. 36 dieser Becken, die je 27,5 Kubikmeter Wasser fassen, befinden sich in der unterirdischen Anlage in Birsfelden BL.

Ein Schwarm junger Egli schwimmt in der künstlichen Strömung eines Beckens.

Nach drei bis vier Monaten erreichen sie in den Becken ihr Zielgewicht, rund 200 Gramm beim Egli, 300 Gramm beim Felchen. Das Wasser wird dabei ständig gereinigt, aufbereitet und mit frischem Grundwasser sowie Sauerstoff angereichert. Die Fischgülle kommt in eine Biogasanlage, das saubere Restwasser fliesst in den nahen Rhein.

Am Ende werden die Tiere elektrisch betäubt, getötet und vor Ort filetiert und verpackt. Rund 240 Tonnen Fisch will die Micarna künftig pro Jahr in Birsfelden produzieren – die ersten kommen in diesen Wochen landesweit in die Läden der Migros.

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