Ein Frachtschiff im Meer von oben, darüber der Schatten eines Flugzeugs

Transport und Logistik

Warum kommt der Spargel im Flugzeug?

Flugtransporte sind CO2-Schleudern und haben deshalb einen schlechten Ruf. Aber sie sind seltener, als viele glauben, auch bei Exoten wie Avocado und Mango. Warum das so ist und wie die Migros bald gar nichts mehr einfliegen möchte.

Von
Kian Ramezani
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Warum verkauft die Migros überhaupt Früchte und Gemüse aus dem Ausland?

Die Migros bezieht ihre Produkte immer von der nächstmöglichen geografischen Region. Das bedeutet, wenn ein Produkt aus der Schweiz Saison hat und der einheimische Anbau genügend Ware mit guter Qualität zur Verfügung stellt, dann hat die inländische Ware immer Vorrang. Wenn im Winter die Auswahl an einheimischem Obst und Gemüse weniger gross ist, leistet ausländische Ware einen wichtigen Beitrag zu einer gesunden, abwechslungsreichen Ernährung.

Aber zum Teil werden Früchte und Gemüse eingeflogen...

Ein winziger Anteil exotischer Früchte und Gemüse aus Übersee muss nach der Ernte sehr schnell ins Regal, weil es sonst verderben würde. Das schafft nur ein Flugzeug. Ein solcher Transport ist teuer und verursacht viel CO2, deshalb will die Migros ganz auf Flugware verzichten. Es geht derzeit noch um weniger als 1 Prozent des gesamten Früchte- und Gemüsesortiments.

Wie werden denn die restlichen 99 Prozent transportiert?

Europäische Produkte kommen mit der Bahn oder mit dem LKW. Aber auch aus Übersee ist das Flugzeug eine seltene Ausnahme, der viel grössere Teil kommt mit dem Containerschiff. Hierzu gehören etwa Bananen, Mangos Avocados, Ananas und Winter-Beeren aus Lateinamerika. Der Transport (mit Ausnahme von Flugware) spielt bei der gesamten Umweltbelastung eine kleinere Rolle als viele denken. Entscheidend ist der oft ressourcenintensive Anbau.

Sind Containerschiffe umweltfreundlicher als Flugzeuge?

Ja, weil sie sehr grosse Mengen aufs Mal transportieren. Pro geladene Frucht verursacht ein Containerschiff bis zu 80-mal weniger CO2 als ein Flugzeug. Dafür geht die Reise länger. Eine Banane aus Kolumbien etwa braucht rund vier Wochen, bis sie einen Nordseehafen erreicht.

Und wieso verderben sie nicht auf der langen Überfahrt?

Weil sie unreif geerntet, auf dem Schiff «in den Schlaf gelegt» und erst in den Reifereien in der Schweiz gereift werden. Wenn sie in der Migros ins Regal kommen, stehen sie kurz vor dem optimalen Reifegrad.

Aber das könnte man doch mit allen Produkten machen! Wozu dann Flugtransporte?

Eine Sélection Mango aus der Elfenbeinküste ist in Luxusprodukt und darf fast komplett am Baum ausreifen, was ihr einen noch intensiveren, unvergleichlichen Geschmack verleiht. Im Schiff würde sie verderben. Das gleiche gilt (derzeit noch) für die Sélection Ananas aus Ländern wie der Dominikanischen Republik und im Winter für Küchenkräuter wie Basilikum aus Israel. In jedem Fall tragen diese Produkte den Vermerk «by air», um den Flugtransport für den Konsumenten offenzulegen.

Warum werden im Winter Spargeln eingeflogen?

Ein interessanter Fall, denn hier muss man zwischen weissem und grünem Spargel unterscheiden. Weisser Winter-Spargel aus Peru kommt mit dem Schiff. Er hat noch kein Licht gesehen (daher ist er weiss) und wird gekühlt und in einem speziellen Beutel transportiert. Dieser lässt Sauerstoff herein, behält aber das von den Spargeln freigesetzte Kohlendioxid zurück. Der Verderbsprozess kann so nicht einsetzen. Beim grünen Spargel funktioniert das nicht, weil er bereits Licht ausgesetzt war (daher ist er grün). Ab April kommen sowohl grüner als auch weisser Spargel im LKW aus Deutschland, Italien, Spanien und Ungarn sowie kleine Mengen aus der Schweiz.

Die Migros will die Flugtransporte abschaffen. Wie soll das gehen?

Entweder indem sie auf Schiffstransporte ausweicht, wie das derzeit bei der Seléction Ananas in Vorbereitung ist. Oder man findet Wege, die Produkte in Europa anzubauen. Bei den Spargeln sind wir daran, die europäische Saison in Spanien und Italien durch Anbaumethoden in «Tunnels» zu «verfrühen». In der Schweiz selbst erlaubt Vertical Farming den Anbau von Salat und Kräutern auch im Winter. Bis all dies so weit ist, leistet die Migros einen Klimabeitrag auf die CO2-Emissionen ihrer Flugtransporte und macht diese somit finanziell unattraktiv. Mit den Geldern aus dem Klimabeitrag werden in Zusammenarbeit mit der Stiftung myclimate Projekte in der eigenen Lieferkette finanziert, welche die negativen Effekte auf das Klima reduzieren.