Die Stossrichtung ist klar: Wir alle müssen unsere Treibhausgas-Emissionen massiv reduzieren, mit dem Ziel, eines Tages gar keine Emissionen mehr auszustossen. Spätestens 2050: Dann muss auch die Schweiz Netto-Null sein, wie am Pariser Klimaabkommen unterzeichnet. In gewissen Bereichen wie in der Landwirtschaft, der Industrie oder der Abfallverwertung wird es jedoch nicht möglich sein, gar keine Treibhausgase mehr auszustossen. Daher versucht man nun, der Atmosphäre mit verschiedenen Methoden CO₂ zu entziehen und zu speichern. Im Fachjargon spricht man von Negativ-Emissionstechnologien.
Unbestritten ist: Den Ausstoss zu reduzieren ist immer günstiger und einfacher, als im Nachhinein das Treibhausgas zu entfernen. Die langfristige Strategie des Bundesamts für Umwelt rechnet damit, jährlich rund 12 Millionen Tonnen CO₂ ausgleichen zu müssen.
Naturbasierte Speicher-Ansätze
1. Wald und Holzbau
Bäume bauen durch Fotosynthese Kohlenstoff in ihre Blätter, Äste und Stämme ein. Der Wald ist somit ein natürlicher CO₂-Speicher, er bindet allein in der Schweiz jährlich 2,5 Millionen Tonnen CO₂. Damit er diese Funktion auch mit dem Klimawandel ausüben kann, muss er standortgerecht und mit geeigneten Bäumen bewirtschaftet werden.
Viel Potenzial liegt auch im Bauwesen: Holz speichert sogar im verbauten Zustand noch CO₂. Zudem verursacht Bauen mit Holz viel weniger Emissionen gegenüber Bauen mit Stahl und Beton. Das jährliche Speicherpotenzial liegt bei ein bis zwei Millionen Tonnen CO₂.
Vorteile
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Die Kosten der Waldbewirtschaftung sind tief.
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Die Transportwege für einheimisches Bauholz sind kurz.
Nachteile
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Die Fläche ist begrenzt. In der Schweiz sind 32 Prozent der Fläche Wald.
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Mit zunehmender Hitze und Trockenheit steigt die Gefahr von Waldbränden, wodurch das gebundene CO₂ in die Atmosphäre gelangen würde.
2. Boden und Humus
Auch der Boden ist ein natürlicher CO₂-Speicher. Die oberste Schicht enthält zersetzte, organische Anteile, genannt Humus. Der Kohlenstoff in dieser Bodenschicht erhöht die Qualität und Fruchtbarkeit des Bodens. Damit möglichst wenig CO₂ aus dem Boden freigesetzt wird, hilft eine schonende und minimale Bearbeitung, wie in der regenerativen Landwirtschaft üblich. Dazu gehört auch, dass die Ackerflächen regelmässig ruhen können und diese Brachen begrünt werden, idealerweise mit Kleegras. Denn über eine unbedeckte Oberfläche entweicht mehr CO₂.
Noch mehr CO₂ könnte mit Pflanzenkohle in die Böden eingebracht werden. Pflanzenkohle besteht aus Biomasse, die unter grosser Hitze und unter Ausschluss von Sauerstoff verkohlt wurde und sehr stabil ist. Speicherpotenzial: 2,7 Millionen Tonnen durch regenerative Landwirtschaft und 2,2 Millionen Tonnen zusätzlich mit Einbringung von Pflanzenkohle.
Vorteile
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Die Kosten sind eher tief.
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Humus erhöht die Wasser- und Nährstoffspeicherkapazität der Böden.
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Die regenerative Landwirtschaft sorgt für widerstandsfähigere Böden und stabilere Erträge.
Nachteile
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Die Speicherung ist nicht per se dauerhaft: Bei einer Änderung der Bewirtschaftung, zum Beispiel aufgrund eines Pächterwechsels, kann das CO₂ sehr leicht wieder entweichen.
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Bevor Pflanzenkohle grossflächig eingesetzt werden kann, müssen die Auswirkungen auf die Umwelt untersucht werden.
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Nach ein paar Jahrzehnten ist der Boden gesättigt.
Der Weg der Migros – der Boden als natürlicher Speicher
Auch die Migros verfolgt das Netto-Null-Ziel bis 2050. Das Maximum an CO₂ einzusparen, reicht dabei aber nicht. Deshalb setzt die Migros auf die Böden als sogenannte CO₂-Senke. Zusammen mit der Stiftung Myclimate startete sie das Migros-Humusprogramm als Pilotprojekt: Im Migros-Humusprogramm erhalten Betriebe, die ihre Böden so bearbeiten, dass sie mehr CO₂ einlagern, Geld. Pro Tonne CO₂ gibt es 100 Franken. Bei passenden Böden und guter Bewirtschaftung können auf einem Hektar bis zu vier Tonnen gespeichert werden.
Kontrolliert werden die Äcker von der unabhängigen Firma Agricircle. Chef Peter Fröhlich ist überzeugt, dass die Betriebe dank diesem Programm viel über den optimalen Aufbau und Erhalt von Humus lernen. «Die teilnehmenden Betriebe werden dank neuen Technologien mit widerstandfähigeren Böden und robusteren Pflanzen optimal für die neuen Wetterextreme gerüstet sein.» Das Pilotprojekt dauert bis 2030 und wird finanziert über den M-Klimafonds.
Technische Speicher-Ansätze
3. Von der Biogasanlage in den Boden
Pflanzenreste, Holz und Mist enthalten Kohlenstoff. Bei der Verbrennung dieser Biomasse in einem Kraftwerk oder einer Holzheizung wird der Kohlenstoff in Form von CO₂ wieder freigesetzt. Wird dieses nun direkt am Kamin rausgefiltert, bevor es in die Atmosphäre gelangt, dann verflüssigt und anschliessend im Boden gespeichert, spricht man von Bioenergy with Carbon Capture and Storage (BECCS).
In der Schweiz gibt es bislang keine BECCS-Anlagen und keine Aussicht auf geeignete Speicherstätten. Norwegen hingegen hat unter der Nordsee einen Speicher in Betrieb genommen. Das CO₂ müsste also per Lastwagen oder Bahn und Schiff dorthin transportiert werden. Diskutiert wird auch der Bau von Pipelines.
Vorteile
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Mit dieser Methode liesse sich theoretisch viel CO₂ speichern, rund 5,1 Millionen Tonnen pro Jahr.
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Je tiefer im Boden das CO₂ gelagert wird, desto sicherer und dauerhafter ist die Speicherung.
Nachteile
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Die Speicherstätte muss extrem stabil und erdbebensicher sein. Und es braucht ein poröses Gestein wie Basalt, das das CO₂ bindet.
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Transport und Speicherung sind mit erheblichen Kosten und Gefahren für die Umwelt verbunden.
4. Aus der Atmosphäre saugen
Man stelle sich ein Gerät vor, das – ähnlich einem riesigen Staubsauger – Umgebungsluft einsaugt und filtert. Diese Technologie heisst Direct Air Carbon Capture and Storage. Auf Island steht die bislang grösste kommerziell genutzte Anlage, übrigens von einer Schweizer Firma namens Climeworks. Sie filtert bis zu 4000 Tonnen CO₂ pro Jahr aus der Luft – das entspricht dem Ausstoss von 286 Menschen in der Schweiz.
Vorteil
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Standortunabhängigkeit: Theoretisch könnten diese Filteranlagen überall aufgestellt werden.
Nachteile
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Die Technologie braucht sehr viel Energie, und die Kosten sind enorm hoch.
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Auch hier stellt sich die Frage nach geeigneten und genügenden Speicherkapazitäten.