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Urs Brändli und Roland Peter diskutieren zusammen auf Versuchsfeld von Agroscope.

Landwirtschaft

Wie Bauern künftig anbauen – eine Debatte

Gentechnologie in der Landwirtschaft – zulassen oder lieber nicht? Darüber diskutieren Urs Brändli, Präsident von Bio Suisse, und Roland Peter, Leiter Bereich Pflanzenzüchtung bei Agroscope.

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Nina Huber
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Julius Hatt
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Interview

Weizen, Äpfel und Salate sollen robuster werden, damit sie besser mit dem Klimawandel zurechtkommen und weniger Pflanzenschutzmittel benötigen. Darin sind sich alle einig. Doch wie? Den Job der Natur überlassen oder mit Methoden wie der Genschere nachhelfen?

Das Gentech-Moratorium, das den kommerziellen Anbau gentechnisch veränderter Pflanzen verbietet, wurde vor zwanzig Jahren per Volksinitiative angenommen und seither mehrfach vom Parlament verlängert.

In der Zwischenzeit hat sich die Wissenschaft weiterentwickelt. Im Gegensatz zur ursprünglichen Methode, bei der das Erbgut mit Genen fremder Arten ergänzt wird, können Forschende heute die DNA präzise bearbeiten und zum Beispiel genau das Gen ausschalten, welches die Pflanze anfällig auf eine bestimmte Krankheit macht.

Solche An- und Ausschaltungen von Genen passieren auch natürlich und spontan, etwa durch Sonneneinstrahlung. Die sogenannte Crispr/Cas-Methode oder Genschere ist in der Forschung zum Standard geworden; die Entdeckerinnen erhielten dafür 2020 den Nobelpreis.

Ende 2025 läuft das Gentech-Moratorium erneut aus. Der Vorschlag des Bundesrates: Das Moratorium für klassische Gentechnik bis 2030 verlängern. Feldversuche mit Pflanzen aus neuen Züchtungstechnologien (NZT) sind unter strengen Auflagen weiterhin zugelassen. Die Forschung und weite Teile der Land- und Ernährungswirtschaft sehen darin eine verpasste Chance, da der Vorschlag für NZT zu einschränkend sei.

Roland Peter, Leiter Pflanzenzüchtung bei Agroscope, dem Kompetenzzentrum des Bundes für landwirtschaftliche Forschung, und Urs Brändli, Landwirt und Präsident von Bio Suisse, diskutieren die neuen Technologien in der Landwirtschaft.

Roland Peter, wir stehen auf einem Versuchsfeld von Agroscope, der sogenannten «Protected Site». Was sehen wir hier?
Peter: Hier wächst eine Gerste. Sie ist die erste Pflanze in der Schweiz, die mithilfe einer Genschere hergestellt wurde. Unsere Forschungspartner haben ein Gen ausgeschaltet, um mehr Körner auf die Ähre zu bringen.

Urs Brändli, was löst das bei Ihnen als Biobauer aus?
Brändli: Ich habe nichts dagegen, dass die Wissenschaft Erfahrungen sammelt. Aber aus Biosicht wird damit zu sehr in die Schöpfung eingegriffen. Es ist wichtig, die konventionelle Züchtung, also die klassische Kreuzung von Elternpflanzen, nicht zu vernachlässigen. Wir wollen auch bei der Züchtung die Natur machen lassen.

Der Mensch greift doch auch in der konventionellen Züchtung ein?
Brändli: Ja, aber bei der angestammten Methode entscheidet die Pflanze, wo im Genom etwas geändert wird, nicht der Mensch.

Wir können die DNA der Pflanzen anschauen und jene mit gewünschten Eigenschaften auswählen.

Roland Peter, Leiter Pflanzenzüchtung bei Agroscope

Peter: Wir haben die Natur schon lange überlistet. Der heutige Mais ist eine Züchterleistung, entstanden über viele Jahrhunderte durch gezielte Auslese. Mit der Molekularbiologie können wir nun die DNA der Pflanzen anschauen und jene auswählen, welche gewünschte Eigenschaften aufweisen. Wieso sollen wir dieses Wissen nicht für andere Fälle anwenden, indem wir nicht nur auswählen, sondern die Änderung selbst vornehmen und so den Weg abkürzen?

Brändli: Ob der Weg wirklich kürzer ist, wissen wir noch nicht. Die Methode mag präzis sein. Aber Mutationen haben oft unvorhergesehene Folgen. Es zeigt sich erst in der Natur, ob die Pflanze funktioniert.

Was sind denn die Ziele der neuen Züchtungsmethode?
Peter: Wir wollen Erträge steigern im Sinne der Versorgungssicherheit und Pflanzen resistenter gegen Krankheiten und Trockenheit machen.

Pflanzen, die weniger Pflanzenschutzmittel und Dünger brauchen, sind doch im Sinn von Bio. Lehnen Sie die neuen Züchtungstechnologien ab, um Ihr Biolabel zu schützen?
Brändli: Es geht darum, die Natur zu schützen, nicht unser Label. Robuste Sorten gibt es bereits, aber sie sind nicht gefragt. Der beliebteste Apfel der Schweiz, der Gala, ist eine der anfälligsten Sorten. Es gäbe eine solche Vielfalt, aber die finden die Menschen gar nicht bei Migros und Coop. Zudem: Viel wichtiger als die Art der Pflanze ist der Boden. Wir brauchen gesunde, lebendige Böden.

Peter: Der Boden ist auch bei Agroscope ein grosses Thema. Mit neuen Züchtungsverfahren wollen wir Pflanzen entwickeln, die weniger Spritzmittel und Pflege benötigen – das schützt auch die Böden.

Wir kennen die langfristigen Auswirkungen der Eingriffe auf das Erbgut nicht.

Urs Brändli, Landwirt und Präsident von Bio Suisse

Wo sehen Sie die Risiken der neuen Züchtungstechnologien?
Brändli: Erstens werden wir mit Heilsversprechen dazu verführt, einfach weiterzumachen wie bisher und die Böden intensiv zu nutzen. Zweitens kennen wir die langfristigen Auswirkungen der Eingriffe auf das Erbgut nicht. Drittens besteht die Gefahr des Resistenzenverschleisses. Das heisst, Schädlinge könnten sich langfristig an die veränderten Gene anpassen. So wirkt die Resistenz nicht mehr und die Pflanze wird krank.

Peter: Die Angst vor Resistenzenverschleiss teile ich nicht. Krankheitserreger verändern sich durch natürliche Mutation ständig zusammen mit ihrer Wirtspflanze, eine Resistenz kann später auch wieder funktionieren. Wir kombinieren verschiedene Resistenzen, um immer einen Schritt voraus zu sein. Ein Beispiel ist die Kartoffel, die dank Resistenzen aus der Wildkartoffel besser geschützt ist. Die Niederlande haben hier mit neuen Züchtungstechnologien gute Ergebnisse erzielt.

Brändli: Gerade die Niederlande zeigen, dass es auch anders geht: Das Land führte 32 neue, Krautfäule-resistente Sorten am Markt ein, und zwar mit konventioneller Züchtung.

Wie regeln andere Länder die neuen Züchtungsverfahren?
Peter: Die USA oder Argentinien lassen Pflanzen aus neuen Züchtungsverfahren relativ einfach und ohne Deklarationsvorschriften zu. Dies prüft auch die EU, allerdings nur bei solchen Pflanzen, die auch auf natürlichem Weg hätten entstehen können. Würden wir in der Schweiz für diese Pflanzen bei unseren strikten Regeln bleiben, müssten wir bei allen importierten Lebensmitteln mit viel Aufwand nachweisen, ob sie mit der Genschere entstanden sind. Zudem sind wir in der Züchtung und in der Landwirtschaft auf den Austausch von Saatgut angewiesen.

Die Konsumenten möchten wissen, wenn Produkte aus neuen Züchtungsmethoden stammen.

Urs Brändli, Landwirt und Präsident von Bio Suisse

Brändli: Wichtig ist, dass solches Saatgut deklariert ist. Die Konsumenten möchten wissen, wenn Produkte aus neuen Züchtungsmethoden stammen.

Peter: Eine solche Deklaration des Saatguts plant die EU. Dies wäre auch ein guter Ansatz für die Schweiz.

Die Bevölkerung hat Vorbehalte gegenüber gentechnisch veränderten Lebensmitteln. Warum?
Peter: Das liegt an den Anfängen der Gentechnologie, etwa mit Bt-Mais, der den Maiszünsler tötet und so Monokulturen ermöglicht. Solche Extremsysteme wollen wir nicht. Die neuen Züchtungsverfahren funktionieren anders.

Brändli: Gentech wird oft mit Monokulturen wie Mais und Soja verbunden. Es besteht die Gefahr, dass Diversität verloren geht. Weltweit kontrollieren nur einige wenige Firmen das Saatgut.

Die Züchtung schafft genetische Vielfalt.

Roland Peter, Leiter Pflanzenzüchtung bei Agroscope

Peter: Der Verlust der Biodiversität ist ein grosses Problem. Die Züchtung schafft jedoch genetische Vielfalt. Der Biolandbau fördert die Biodiversität, aber auf Kosten der Produktivität.

Brändli: Wir streben keine maximalen, sondern optimale Erträge an.

Peter: Die Frage ist, wo dieses Optimum liegt. Forschung und Innovation können dazu beitragen, es zu verbessern.

Was ist Ihr Wunsch an die Politik?
Brändli: Ein kluges Gesetz, das Vorbehalte berücksichtigt. Wer auf neue Züchtungsverfahren verzichten will, soll das können – egal ob Landwirte, Detailhändler oder die Menschen im Laden. Dafür braucht es Deklaration und Wahlfreiheit.

Peter: Mehr Spielraum! Heute sind etwa die Hürden für die Prüfung von Züchtungen aus neuen Technologien sehr hoch. Weniger Auflagen würden breitere Tests und bessere Daten ermöglichen und so die Potenziale der neuen Verfahren besser sichtbar machen.

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