Nachhaltigkeit bei Fischfang und -zucht
Wie nachhaltig sind Fischfang und -zucht?
Immer mehr Menschen hinterfragen den Verzehr von Fisch und Meeresfrüchten. Doch einige Arten kann man dank streng kontrollierter Zucht oder aufgrund des schonenden Wildfangs mit gutem Gewissen auftischen.

Karpfen aus europäischer Zucht
Karpfen sind Allesfresser, in der Natur ernähren sie sich neben Zooplankton, Insekten, Würmern und Krebsen von Pflanzen. Deshalb benötigen sie in der Zucht Futter ohne oder mit geringem tierischen Anteil. Karpfen werden in Anlagen produziert, in denen viel Lebensraum zur Verfügung steht. Im Gegensatz zu Pangasius können sie auch in Europa im Freien gezüchtet werden: In Zentral- oder Osteuropa blicken einige Züchter auf eine bis zu hundertjährige Tradition zurück. Durch eine Bio, ASC oder GlobalGAP Zertifizierung werden Rückverfolgbarkeit und gute Produktionsstandards garantiert.

Bio Black Tiger Shrimp aus Zucht in Sulawesi (Indonesien)
Generell gelten Crevetten als nicht nachhaltig, da der Wildfang aufgrund des hohen Beifangs und der negativen Auswirkungen auf das Ökosystem problematisch ist. Ausserdem verschlingt die Zucht aufgrund des hohen Strom-, Wasser- und Futteraufwands in der Regel viel Ressourcen und wird mit Umweltschäden wie der Abholzung von Mangrovenwäldern assoziiert. Die «Bio Black Tiger Shrimps» aus Indonesien stellen diesbezüglich die Ausnahme dar, weil im Zuchtgebiet keine Mangroven vorhanden sind. Überhaupt stehen Umwelt oder wirtschaftliche Entwicklung auf Sulawesi kaum unter Druck, da die Insel geografisch isoliert ist. Die Crevetten wachsen also in einem intakten Ökosystem auf.

Austern aus europäischer Zucht
Austern können hinsichtlich Ressourcen mit sehr kleinem Aufwand produziert werden. Wie andere Muscheln ernähren sie sich durch das Filtern von Kleinpartikeln aus dem Wasser. Für die Zucht brauchen sie also keine zusätzlichen Nährstoffe – nur die, die sowieso im Meer vorhanden sind. In Europa ist Austernzucht gut reguliert und organisiert: Sie darf nur auf dafür vorgesehenen Austernbänken betrieben werden – überwacht, damit mögliche Probleme frühzeitig erkannt werden. In Frankreich sind Austern und andere Muscheln ein wichtiges Kulturgut. Das Label Rouge zeichnet Produkte mit besonders hoher Qualität aus.
Viel Genuss mit gutem Gewissen

Pangasius aus Zucht in Vietnam
Die Pangasius-Industrie in Vietnam ist sehr effizient und praktisch vollkommen unabhängig von Wildfisch. Damit trägt sie nicht zur Problematik der Überfischung bei. Als tropischer Fisch wächst der Pangasius im Gegensatz zu anderen Zuchtfischen in warmen Ländern ohne viel künstliche Energie auf. Er sollte nur mit Bio-, ASC- oder GlobalGAP-Label für garantiert gute Produktionsstandards gekauft werden.

Felchen aus hauseigener Zucht in Birsfelden
Aufgrund von veränderten Lebensbedingungen schwinden die natürlichen Bestände von Felchen aus Schweizer Seen seit Jahrzehnten. Einzelne Arten sind gar schon ausgestorben. Die Nachfrage der Konsumentinnen und Konsumenten bleibt jedoch sehr hoch, da Felchen hierzulande einen hohen kulturellen Wert aufweisen. Micarna betreibt deshalb eine Zucht in Birsfelden BL. Die Produktion ist streng kontrolliert und hat keine direkten negativen Auswirkungen auf die Umwelt. Zwar werden viel Ressourcen in Form von Energie und Futter verbraucht, doch der Strom ist zu 100 Prozent erneuerbar, das Futter ausschliesslich aus zertifizierter Herkunft. Tierwohl und hohe soziale Standards sind garantiert.

Wildlachs aus Alaska
Während ihrer Wanderung vom Meer ins Süsswasser am Ende ihres Lebenszyklus werden Lachse in Alaska mit Stellnetzen gefangen. Die Methode schont das Ökosystem. Dadurch vermeidet man auch einen Grossteil des Beifangs. Die Fangsaison ist kurz und intensiv, sie dauert nur wenige Wochen im Jahr – somit bleibt den Tieren viel «ungestörte» Zeit. Der einzige nicht nachhaltige Aspekt: der Transportweg von Alaska in die Schweiz.

Hering aus Wildfang
Den Hering aus Wildfang zeichnet relativ geringe negative Auswirkungen auf das Ökosystem aus. Heringe befinden sich in der Nahrungskette eher unten, ernähren sich hauptsächlich von Zooplankton. Der Hering ist ein pelagischer Fisch – das heisst, er lebt weder in Boden- noch in Ufernähe. Er wird in grossen Schwärmen im Atlantik befischt. Dafür kommen sogenannte «pelagische Scherbrettnetze» zum Einsatz, die im Unterschied zu Grundschleppnetzen den Meeresboden nicht berühren und ihn so auch nicht beschädigen. Es gibt jedoch sehr grosse Unterschiede zwischen den Hering-Fischereien bezüglich Nachhaltigkeit. Im isländischen Küstengebiet und der Irischen See zeichnen sich die Heringfänge durch eine besonders hohe Nachhaltigkeit aus, weil dort gesunde Fischbestände vorherrschen und dank adäquater Fangquoten nicht überfischt wird.
17.12.2021
Text: Lisa Stutz
Bilder: Getty Images
Talk «Es gibt keinen nachhaltigen Fisch.» Stimmt das?
Die Netflix-Doku «Seaspiracy» über Probleme im Fischfang hat weltweit ein Riesenecho ausgelöst. Deshalb lassen wir unsere Nachhaltigkeits-Expertinnen Alexandra Tschan und Jenny Kunz über nachhaltigen Fischkonsum diskutieren. Sie sprechen darüber, welche Fangmethoden problematisch sind und wo man beim Fisch in der Migros sieht, wie er gefangen wurde. Ausserdem haben wir Tipps, welche Fische im Konsum weniger problematisch sind und was es mit Muscheln auf sich hat.