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Portrait Sandra Buhr und Dominik Feldmann

Generationeninterview

«Bei ihrem Führungsstil merkt man den Ge­ne­ra­ti­ons­un­ter­schied»

Seit zwei Jahren ist Sandra Buhr (35) die Chefin von Dominik Feldmann (60) beim Migros-Betrieb Delica. Wie sie den Altersunterschied bei der Arbeit wahrnehmen und was sie von der jüngeren Generation halten.

Von
Barbara Scherer
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Wie ist das so, wenn die Chefin 25 Jahre jünger ist?

Feldmann: Am Anfang war das schon komisch: Sie ist gleich alt wie meine älteste Tochter. 

Buhr: Ja stimmt, du hast den gleichen Jahrgang wie meine Mutter. Aber du erfüllst die Klischees dieses Jahrgangs gar nicht.

Feldmann: Da bin ich aber froh (lacht). Alter ist nur eine Zahl. Ich habe mir mehr Sorgen darüber gemacht, dass sie viele Änderungen einführen will, die nicht nachhaltig sind. Aber diese Sorgen haben sich nicht bestätigt.

Wie ist es für Sie, ältere Mitarbeitende zu leiten?

Buhr: Ich habe mir vor allem am Anfang Gedanken gemacht: Wie reagieren die Leute auf mich, nehmen sie mich ernst. Aber in meinem Team hatte ich nie Probleme damit. Schwierig ist es eher mit Mitarbeitenden, die schon viele Jahre hier sind und sich dann nur widerwillig auf neue Ideen einlassen wollen.

Ist Sandra Buhrs Führungsstil anders als bei anderen Chefs?

Feldmann: Radikal! Hier merkt man den Generationsunterschied. Sie bindet uns alle viel mehr ein und verlangt mehr Selbstverantwortung. Zum Beispiel, wenn jemand reklamiert, fragt sie gleich: «Was würdest du ändern, damit es besser wird?» Am Anfang war das ungewohnt. Aber ihr Führungsstil wirkt sich positiv aufs Team aus.

Wie wichtig ist euch die Work-Life-Balance?

Buhr: (lacht) Willst du da was dazu sagen?

Feldmann: Ja, darin ist sie meine Lehrmeisterin. Für mich war früher klar: Ich bin immer da und ich bin immer erreichbar – so bin ich erzogen worden.

Buhr: Ich musste ihm an Anfang immer wieder sagen, dass er mal nach Hause gehen soll. Denn ich bin überzeugt, dass man in der Sollarbeitszeit seine Arbeit erledigen kann. Nach der Arbeit muss man abstellen dürfen. Darum habe ich auch zwei Handys, eines privat und eines für die Arbeit. Letzteres bleibt in den Ferien zu Hause. Ich lebe meine Überzeugung den Mitarbeitenden vor.

Feldmann: Ich habe es inzwischen gelernt und gemerkt, dass es mir gut tut. Aber ganz abzustellen, wie sie das macht, das lerne ich wohl nicht mehr. 

Haben Sie auch etwas von ihm gelernt?

Buhr: Ich lerne ganz viel für mich und meinen Führungsstil von Dominik. Was ich tun muss, damit ich die ältere Generation auch mitnehme. Zudem profitiere ich stark von seinem Fachwissen.

Gibt es Themen, die ihr aufgrund des Altersunterschieds nicht ansprechen wollt?

Buhr: Nein, bei Dominik gar nicht. Das liegt aber auch daran, dass er so eine offene Person ist: Zwischen uns herrscht eine grosse Ehrlichkeit. Bei anderen älteren Mitarbeitenden habe ich eher Probleme. Gerade wenn es darum geht, anzusprechen, wie flexibel und lernwillig sie noch sind. Das ist ein heikles Thema – ich will die Leute ja nicht vor den Kopf stossen.

Feldmann: Das frage ich mich schon auch regelmässig, ob ich das noch kann, was sie von mir will. Ich muss nämlich viel Neues lernen: Das ist auch anstrengend, aber es gefällt mir.

Wie schätzt ihr die Generation Z ein?

Buhr: Diejenigen, die gerne 40 Prozent arbeiten möchten und die Hälfte davon im Homeoffice? Bei aller Flexibilität und Dynamik, die ich mitbringe, bin ich in gewissen Themen auch konservativ. Wenn jüngere Leute mit solchen Anforderungen kommen, weiss ich nicht, wie ich das erfüllen soll. Ich mache mir deshalb Sorgen, dass uns die jüngeren Arbeitsnehmenden in der Produktion ausgehen.

Feldmann: Ich sehe das ähnlich. Ich erlebe das Zuhause mit meinen jüngeren Kindern. Die Einstellung ist ganz anders. Alles läuft nach dem Motto: «Schauen wir mal».

Was für Vorurteile gegenüber eurer Generation machen euch zu schaffen?

Buhr: Kürzlich musste ich mir anhören, dass mir die Kosten egal seien. Nur weil ich viel verändern will, ist mir aber nicht einfach alles egal.

Feldmann: Dass wir Bremsklötze sind. Natürlich bremsen einige in meinem Alter tatsächlich alles aus, aber eben nicht alle.