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Matthias Grossen ist Mitarbeiter Error-Handling im Migros-Verteilzentrum Schönbühl BE

Supermarkt

Er sucht die Fehler im System

Matthias Grossen arbeitet im Migros-Verteilzentrum als Error-Handler. Was das genau bedeutet und warum er sich dafür warm anziehen muss.

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Jörg Marquardt
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Jorma Müller
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Was wir tun

Morgens halb sechs, nahe Bern. Während die halbe Schweiz noch schläft, liefert sich Matthias Grossen ein Rennen mit der Kühlware. Kistenweise sausen Joghurts, Speckwürfel und Salate über die Förderbänder – und er nebenher. Nur keine Zeit verlieren! Sein Tablet meldet eine Störung im System. Über Stahltreppen und Zwischengeschosse eilt er zum Ort des Geschehens.

Grossen (42) arbeitet in der Betriebszentrale 4 in Schönbühl BE. Hier werden alle gekühlten Produkte für die Supermärkte der Migros Aare angeliefert, eingelagert, zusammengestellt und versandt. Die Hightechanlage läuft vollautomatisch. Paletten bewegen sich wie von Geisterhand auf ihrem Schienenparcours. Grossen ist einer der wenigen Menschen in der Halle. Der Error-Handler, so seine englische Berufsbezeichnung, hält den Warenfluss am Laufen. Gibt es irgendwo eine Blockade, muss er den Fehler zügig ermitteln und beseitigen.

Warme Kleidung ist im Gebäude ein Muss. Fast überall herrschen Temperaturen zwischen 0 und 2 Grad Celsius, damit die Ware frisch bleibt. Fleisch, Fisch, Milchprodukte, aber auch Patisserie und Fertiggerichte gleiten über die verzweigten Förderspuren.


Sensor sagt Nein!

Grossen ist beim Shuttlelager angekommen. Ein Metallkäfig von der Fläche eines Fussballplatzes, drei Stockwerke hoch. Darin haben über 37'000 Warenkisten Platz. Blau blinkende Shuttles, die an Mähroboter erinnern, nehmen die Kisten entgegen und sortieren sie ein.

Eines der Shuttles leuchtet violett und rührt sich nicht mehr vom Fleck. «Vermutlich ein Problem mit dem Sensor», sagt Grossen. An allen Knotenpunkten der Anlage gibt es optische Sensoren, die die Etiketten an den Warenkisten erfassen. Sie sorgen dafür, dass die Kisten am richtigen Ort landen.

Mit seinem Tablet dokumentiert er die Störung: «Das Tablar, auf dem die vorderste Kiste aufliegt, steht schief.» Dadurch wird der Sensor verdeckt. Grossen zieht das Tablar zurecht und aktiviert das Shuttle. Sofort rauscht es mit der Kiste ins Lager. Alles fliesst wieder.

Matthias Grossen dokumentiert auf dem Tablet einen Fehler
Matthias Grossen dokumentiert mit dem Tablet eine Störung. © Jorma Müller

Ganz neuer Job

Acht Error-Handler gibt es in Schönbühl. Grossens Schicht beginnt immer um vier Uhr. An das frühe Aufstehen hat sich der Mann aus Frauenkappelen im Berner Mittelland gewöhnt. Nur die starken Temperaturunterschiede zwischen drinnen und draussen bereiten ihm im Sommer Mühe. Trotzdem: Die Betriebszentrale 4, eröffnet im Mai 2024, empfindet er als Glücksfall: «Meine Arbeit ist viel, viel interessanter geworden.»

Meine Arbeit ist viel, viel interessanter geworden.

Matthias Grossen, Error-Handler im Migros-Verteilzentrum Schönbühl

14 Jahre lang war er als ungelernter Kommissionierer im alten Verteilzentrum nebenan tätig. Dort musste er vor allem Kisten auf Paletten stapeln. «Damals brauchte ich viel Muskelkraft und wenig Kopf, heute ist es umgekehrt.» Nur die Beine würden ihm vom vielen Laufen manchmal wehtun, sagt er lachend. Wie viele Schritte er am Tag macht? Grossen zückt sein Handy und schaut nach: «30'000, das kommt hin.»

Am meisten gefällt ihm, dass er jeden Tag etwas Neues lernt. Die Anlage ist eine der komplexesten und grössten Plattformen für Frischelogistik der Schweiz – entsprechend divers sind auch die Fehler. So wie neulich, als eine Palette einen Bereich blockierte, wo sie gar nicht hätte sein dürfen.


Eine Kufe auf Abwegen

Mehrere Hundert Störungen treten pro Tag auf, deutlich weniger als zu Betriebsbeginn. Viele lassen sich leicht beheben, verkeilte Kisten etwa. «Oft genügt ein leichter Schupf, um die Blockade zu lösen», sagt Matthias Grossen. Falls Ware umkippt und ausläuft, greift er selbst zum Putzlappen. Die Sensoren und Lichtschranken müssen immer sauber sein, um die Kisten richtig einzulesen und zu sortieren.

Auf dem Tablet wird die nächste Störung angezeigt – diesmal nahe der Logistikbrücke, die in zehn Metern Höhe über die Autobahn A6 führt. Die Brücke verbindet den Neubau mit der alten Betriebszentrale. Grossen informiert sein Team via Chat, dass er sich um das Problem kümmere. Zackig läuft er die Metalltreppen hinunter und durchquert die verschiedenen Zonen.

Kisten werden automatisch durchs Verteilzentrum transportiert
Optische Sensoren sorgen dafür, dass die Kisten automatisch an den richtigen Ort transportiert werden. © Jorma Müller

Noch vor der Störungsquelle kommt er an einer Menschentraube vorbei. «Eine Palette ist umgekippt», erklärt ihm ein Kollege. «Eine Kufe hat sich gelöst.» Während mehrere Leute den Schaden inspizieren, beginnt eine Putzequipe, die Förderspur zu reinigen.


Gröberes Problem

Grossen eilt in die angrenzende Zone, um sich um «seine» Störung zu kümmern. «Ui!», entfährt es ihm. Auf einem Förderband mit gestapelten Paletten herrscht Stillstand. Dort, wo die Paletten mit einem Lift auf die nächste Ebene gehoben werden, ist eine Förderbandrolle gebrochen.

«Das ist ein Fall für Second-Level», stellt Grossen sofort fest. Damit meint er die Techniker im Error-Handler-Team. Sie rücken bei jenen Störungen aus, die den Einsatz von Werkzeug erfordern. «Alles muss schnell gehen, sonst drohen Verzögerungen beim Verlad der Waren.»

Nachdem Matthias Grossen den Schaden gemeldet hat, fällt sein Blick auf die Uhr. «Zeit für einen Kaffee.» Noch vier Stunden bis zum Ende der Schicht. Er freut sich schon auf das freie Wochenende mit seiner Partnerin und dem 14-jährigen Sohn. Während zwei Jahren ist er zusätzlich zum 100-Prozent-Job noch jeden Samstag nach Olten zur Schule gefahren. Seit Juni 2024 hat Grossen den Lehrabschluss zum Logistiker EFZ mit der Fachrichtung Lager in der Tasche. «Ich bin dankbar, dass ich diese Chance bekommen habe.»

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