Navigation

Die Humoristen Nathalie Devantay, Charles Nguela, Flavi Saa

Migros-Jubiläum

Worüber wir lachen

Die Humoristen Nathalie Devantay, Charles Nguela und Flavio Sala erzählen, was sie witzig finden und worüber ihr Publikum lacht. Sie stellen fest: Humor ist etwas sehr Regionales.

Text
Nina Huber, Pierre Wuthrich
Bild
Christian Schnurr
Datum
Format
Interview

Wer ist eurer Meinung nach am lustigsten: die Westschweizer, die Deutschschweizer oder die Tessiner?
Nathalie Devantay (ND): Um Humor zu verstehen, muss man die Kultur und die Hintergründe kennen. Abgesehen davon ist es für mich klar, dass die Waadtländerinnen am lustigsten sind.

Charles Nguela (CN): Ich war mir sicher, dass du so etwas sagen würdest. Wir haben zu Hause neben Englisch auch Französisch gesprochen, und ich liebe die Fähigkeit der Romands, je nach Stimmung die Sprachmelodie ändern zu können. Und wenn ein italienischer Muttersprachler flucht, muss ich auch immer lachen. Das können wir Deutschsprachigen so gar nicht.

Flavio Sala (FS): Als ich ein Kind war, hatten wir nur die drei nationalen TV-Sender, und ich habe notgedrungen auch auf Französisch und Deutsch ferngesehen. So entdeckte ich Louis de Funès, den ich sehr mag.

Macht ihr euch gern über andere Landesteile lustig? 
ND: Natürlich machen wir uns gern über die Deutschschweizerinnen und Deutschschweizer lustig, vor allem über ihre ernste und arrogante Seite. Das funktioniert in der Westschweiz immer.

CN: In der Deutschschweiz machen wir wenig Witze über die Welschen oder die Tessiner. Beim Humor ist es immer besser, nach oben zu treten als nach unten, also nicht gegen die kleinere Gruppe.

ND: Ja, weil sich die Minderheiten schnell angegriffen fühlen und sich dann gegen den Comedian verbünden.

Aber Klischees über Westschweizer und Tessiner gibt es in der Deutschschweiz auch, oder?
CN: Ja, bei uns heisst es, dass die Westschweizer viel Weisswein trinken und im Tessin die Mafia regiert.

FS: Hey, bei uns gibt es doch keine Mafia, aber Vetternwirtschaft ist in der Politik wirklich verbreitet.

Kann man sagen, dass es einen gemeinsamen Schweizer Humor gibt?
CN: Nein, es gibt zu viele kulturelle und sprachliche Unterschiede. In der Schweiz fährt man 20 Minuten mit dem Zug und ist humortechnisch quasi in einem anderen Land. Der Vorteil ist, dass es dadurch eine sehr grosse Vielfalt an Humor gibt. 

ND: Aber wir haben in der Schweiz trotzdem ein typisch Schweizerisches Format, nämlich die Revue, also einen Jahresrückblick. Wenn ich in Frankreich sage, dass ich in einer Revue spiele, denken die Leute oft, dass ich mich ausziehen muss.

Wenn ich in Frankreich sage, dass ich in einer Revue spiele, denken die Leute oft, dass ich mich ausziehen muss.

Nathalie Devantay

CN: Das stimmt. Diese Rückblicke gibt es auch in der Deutschschweiz. Aber weniger.

FS: Im Tessin haben wir keine Revue. Ganz generell habe ich den Eindruck, dass es bei uns weniger Möglichkeiten gibt aufzutreten. Es ist wirklich schwierig, in diesem Landesteil von seiner Kunst zu leben.

Bedeutet das, dass ihr von Fördergeldern leben müsst?
FS: Comedians erhalten leider keine oder nur sehr geringe Fördergelder für ihre Auftritte. Sie gelten als zu oberflächlich und doof. Es gibt Unterstützung für Strassenkunst und Zirkus, aber nicht für uns. 

ND: Viele Menschen sind noch immer der Ansicht, dass die Kultur nichts zum Lachen ist …

CN: Stand-up-Comedy wird in der Schweiz nicht so bezahlt, dass man davon leben könnte. Wir treten trotzdem auf, notfalls auch im Waschraum einer Bar, neben dem Putzschrank. Ich hatte Glück: Einige kennen vielleicht die Werbung mit der Kuh, in der ich zu sehen bin. Die mache ich nicht gratis.

Gibt es Themen, über die ihr keine Witze macht?
ND: Auf der Bühne ist vieles möglich. Für mich ist jedoch klar, dass man respektvoll bleibt. Ziel ist es, Menschen zum Lachen zu bringen und nicht, sie zu verletzen.

FS: In meinen Shows sitzen Kinder und auch ältere Menschen. Ich suche also nach einer Form des Humors, die allen gefällt und niemanden beleidigt. Auf der Bühne mache ich nicht die gleichen Witze wie abends mit Freunden an der Bar.  

CN: Es gibt Themen, über die ich nicht lachen kann, zum Beispiel schwere Krankheiten. Ich vermeide auch Witze über Religionen, je nachdem, in welcher Stadt ich gerade auftrete.

Es gibt Themen, über die ich nicht lachen kann, zum Beispiel schwere Krankheiten.

Charles Nguela

Und könnt ihr im Tessin über Religion lachen?
FS: Ja. Problematischer sind die Politikerinnen und Politiker, die mögen es nicht so, wenn wir uns über sie lustig machen. Es wird im Tessin immer schwieriger, wirkliche Satire zu machen.  

ND: Das ist schade. In der Westschweiz gelingt uns das sehr gut. Aber es stimmt, dass es immer schwieriger wird, Menschen zum Lachen zu bringen, ohne empfindliche Stellen zu treffen. Ich habe auch festgestellt, dass sich Männer mehr verkrampfen, wenn ein Witz über Männer von einer Frau kommt. Wenn dann ein ähnlicher Gag von einem männlichen Comedian kommt, findet man das lustig oder sogar gewagt, aber nie unangebracht.

CN: Es stimmt, dass Frauen häufiger kritisiert werden …

Aber die Zahl der weiblichen Comedians steigt …
ND: Das ist so, es gibt immer mehr Frauen in unserem Metier, und sexistische Witze werden seltener. Aber ich finde, dass die Frauen auf der Bühne vulgärer geworden sind.

FS: Ich beobachte das auch in Italien, die Frauen erlauben sich die derberen Witze, aber sehr erfolgreich sind sie damit nicht.

Es wird im Tessin immer schwieriger, wirkliche Satire zu machen.

Flavio Sala

Ihr habt euch vor diesem Gespräch nicht gekannt, keine Shows der anderen gesehen, nun versteht ihr euch aber gut. Wie wäre es mit einer gemeinsamen Show in drei Sprachen?

CN: Es wäre super, wenn wir das schaffen würden. Aber für uns wie auch fürs Publikum wäre das sehr anspruchsvoll. Nicht nur wegen der Sprachen, sondern eben auch wegen des Humors und der Themen.

ND: Sketche über die Schweizer Politik auf Bundesebene könnten funktionieren, alles darunter geht schon nicht mehr. Vielleicht würde es als Videoformat mit Untertiteln klappen?

FS: Das Problem mit Übersetzungen ist, dass sie oft enttäuschen. Wenn ich eine Komödie auf Französisch schaue, höre ich lieber, was die Schauspieler sagen, als die Untertitel zu lesen. Das Original ist immer lustiger als die Übersetzung.

Charles, du hast deine Show auch schon auf Französisch in der Westschweiz gezeigt. Wie hat das funktioniert?
CN: Genau, das war in Freiburg. Ich merkte, dass man den «Slang», die lokalen Ausdrücke, perfekt beherrschen muss, um wirklich lustig zu sein. Als Zuschauer in Montreux stellte ich fest, dass die Leute nach der Show gern etwas bleiben, plaudern, trinken und erst danach etwas essen gehen. In der Deutschschweiz essen die meisten vorher und gehen danach gleich nach Hause. Das würde ich gern ändern. Das Publikum sollte länger bleiben.

ND: Du hast recht, bei uns bleibt das Publikum oft länger. Ich mische mich nach der Show gern unter die Zuschauer an der Theaterbar. Das ist immer ein geselliger Moment.

FS: Wenn ich euch beim Reden zuhöre, bekomme ich Lust, euch besser kennenzulernen und eure Shows zu besuchen, auch wenn ich nicht alles verstehen werde.

ND: Das ist eine gute Idee. Das sollten wir alle machen. Und das Publikum auch. Seht euch unsere Unterschiede an! Das wird sicher sehr lustig.

Meh für d'Schwiiz

Entdecke spannende Geschichten rund um die Migros, unser Engagement und die Menschen dahinter. Weiter stehen wir dir mit praktischen Tipps und Tricks für den Alltag zur Seite.

Alle Stories