Najib Nazari

Ausbildung

Wenn die Lernenden den Laden schmeissen

Zwei Wochen lang managten die Lernenden den Migros-Supermarkt in Gebenstorf AG im Alleingang, vom Auffüllen der Regale über die Kassenplanung bis hin zur Marktleitung. Unser Autor arbeitete einen halben Tag mit.

Von
Ralf Kaminski
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«Magst du Pilze?» will Najib Nazari wissen. Ich schaue auf einen hohen Turm von Palletten voller Pilze und nicke. «Gut, die sind ziemlich einfach», sagt der 19-jährige Lernende, der diese Woche in der Migros Gebenstorf für die Gemüse- und Früchteabteilung verantwortlich ist. Und somit auch dafür, dass alle Gestelle und Kühlregale gut gefüllt sind mit Produkten, bevor die Kundschaft um 8 Uhr den Laden stürmt.

Doch es ist schon fast 8, und es gibt noch viel zu tun. «Wir sind heute ein bisschen spät dran, weil ein Kollege krank ist», erklärt er. Deshalb hilft es, wenn er mir Neuling nicht zu viel erklären muss und selbst weitermachen kann mit der Arbeit.

Es ist tatsächlich nicht so schwierig, weil es eine begrenzte Anzahl Pilzsorten gibt. Die eiserne Regel, die auch für alle anderen Gestelle und Regale mit Lebensmitteln gilt: Die Produkte mit dem nahesten Ablaufdatum zuvorderst und zuoberst, die anderen weiter hinten und unten. Falls etwas, das noch vom Vortag übrig ist, nicht mehr schön aussieht: rausnehmen.

Najib erklärt dem Autoren Ralf Kaminski, wie das Pilzangebot angerichtet werden sollte.

Ich mache mich ans Werk, während Najib sich Palletten mit Salaten und Broccoli zuwendet. Weisse Champignons, braune Champignons, gemischt, Bio, Aus der Region, offen, verpackt – alle Varianten müssen nach Datum sortiert am richtigen Ort hübsch angerichtet werden. Ich gebe mir Mühe und bin natürlich viel langsamer als die Profis,

Führungsluft schnuppern

Zuvor hatte ich dasselbe schon eine Stunde im Molkerei-Regal getan – deutlich schwieriger, weil man die Produkte im riesigen Kühlregal erst mal finden und dann quasi von hinten her auffüllen muss, damit das naheste Ablaufdatum vorne ist. Danach helfe ich noch beim Convenience-Kühlregal mit, Produkte zu identifizieren, die heute ablaufen: Sie bekommen mit Hilfe eines Scanners und eines Minidruckers alle einen neuen Preiskleber und sind um einen Drittel günstiger zu haben.

An jedem Ort sind es Lernende, die mir erklären, was ich zu tun habe, und mir auf die Finger schauen, ob ich es auch richtig mache. Denn seit zehn Tagen ist die Migros Gebenstorf fest in der Hand von 15 jungen Leuten in Ausbildung.

Selennur Yöney (17) ist diese Woche Marktleiterin, verantwortet also gleich die ganze Filiale. Kurz vor 10 läuft sie mit prüfendem Blick durch den Supermarkt und schaut, ob alle Regale korrekt eingeräumt wurden und attraktiv aussehen. «Da wurden zu viele Trauben aufgeschichtet, das ist nicht gut. Die reagieren sehr empfindlich auf Druck», erläutert sie und macht sich eine mentale Notiz. «Wichtig ist auch, auf Lücken zu achten – das sind Produkte, wo wir keinen Nachschub bekommen haben, und wir müssen klären, was los ist.» Alles in allem ist sie zufrieden, die kritischen Punkte bespricht sie nun mit den Zuständigen der jeweiligen Abteilungen, ebenfalls Lernende.

Sie alle haben sich für die «Next Generation Weeks» beworben – und teilweise ganz konkret für die Positionen, die sie nun ausfüllen. «Ich habe, wie erhofft, wirklich viel dazu gelernt», sagt Selennur. Najib findet, es sei eine sehr motivierende Erfahrung – und hoffentlich ein Einblick in seine Zukunft. Livia Egli (18), diese Woche Chefin der Molkerei, sieht das genauso. «Es ist spannend, so viel Verantwortung übernehmen zu dürfen.»

Lehrreich und vergnüglich

Diese Verantwortung spürt gerade auch Piotr Brzozowski (19), der heute bei grösserem Andrang die zweite Kasse bedient und ein Auge darauf hat, dass es darin immer genügend Münz gibt. «Die meisten, die noch bar zahlen, geben uns Noten.» Er zählt ein paar grössere Scheine aus der Kasse ab, verstaut sie in einer Geldtasche und geht damit ins Kassenbüro, wo ein Safe steht. Mit Hilfe des tatsächlichen Marktleiters Michel Liechti (34), der im Hintergrund stets präsent ist, deponiert er die Scheine im Safe und holt sich von dort den Gegenwert in Münzen für die Kasse.