Nachhaltigkeit
Was du nicht recyceln darfst
Karton lässt sich recyceln, klar, aber leider nicht jeder. Erfahre, was die weiteren Recycling-No-Gos sind.
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Verpackung
Das Basler Start-up Mycrobez stellt Bioschaumstoff aus Pilzen her und möchte die Verpackungsindustrie weltweit zu mehr Kreislaufdenken bewegen. Mycrobez wird unterstützt vom Migros-Pionierfonds.
Im Labor liegen durchsichtige Beutel, gefüllt mit einer faserigen, braunen Masse, die aussieht wie ein Wollknäuel. Was hier im Keller eines Basler Reihenhauses heranwächst, ist ein Pilz. Seine Nahrung: Bioabfälle. Am Ende entsteht daraus ein Material, das über ähnliche Eigenschaften wie Kunstschaumstoff, etwa Styropor, verfügt: Es ist sehr leicht, wirkt dämmend und ist widerstandsfähig. Mit dem grossen Vorteil, dass der Rohstoff sprichwörtlich aus dem Boden schiesst, denn der Bioschaumstoff basiert auf Pilzwurzelgeflecht respektive Myzel. Und dem noch grösseren Vorteil, dass er zu 100 Prozent biologisch abbaubar ist und zu Dünger weiterverarbeitet werden kann.
Drei findige junge Unternehmer aus Basel feilen mit ihrem Start-up Mycrobez am nachhaltigen Verpackungsmaterial. «Unsere Vision ist es, die Verpackungsindustrie zu verändern, weg von schädlichen Einwegmaterialien, die unsere Natur belasten, zu Bestandteilen, die im Kreislauf bleiben», sagt Mitgründer Moritz Schiller (23). Ihr Bioschaumstoff kann sich in einem Monat komplett zersetzen. Die kompostierbare Verpackung wäre gerade für Länder ohne Recyclingstruktur ein Segen.
Vor vier Jahren halfen Moritz Schiller und Mosas Pilscheur ihrem Freund Jonas Staub bei der Maturaarbeit. Es ging um einen 3D-Drucker, der Pilzzellen drucken konnte. Damals waren sie 19 Jahre alt. «Bis zu dem Zeitpunkt dachte ich beim Wort Pilze einfach an das, was wir essen. Dabei sind Pilze faszinierende Lebewesen, die seit eineinhalb Milliarden Jahren diverse überlebenswichtige Funktionen erfüllen und auch Leben auf dem Land ermöglichten», so Schiller. In der Tat handelt es sich beim Pilz auf dem Teller nur um den Fruchtkörper. Darunter gibt es das Myzel, ein feines Wurzelgeflecht, das den Pilz mit Nährstoffen versorgt.
Die Faszination für Pilze liess die jungen Männer nicht mehr los. Und weil sie nach der Matura Zeit hatten, tüftelten sie weiter – im Weinkeller von Mosas Vater, auf drei Quadratmetern. Sie bestellten im Internet essbare Pilze zum Selberzüchten, extrahierten das Myzel und versetzten damit Bioabfälle wie Bohnenstängel. Das Myzel frass sich durch den Nährboden und wuchs zu einer Masse, dem Myzelkomposit, heran. Die drei experimentierten mit Feuchtigkeit, Temperatur, Sauerstoff und CO₂. Und hielten zu ihrem eigenen Erstaunen nach ein paar Wochen eine Art Schaumstoff in ihren Händen.
Nach den ersten erfolgreichen Tests begannen sie zu recherchieren und stellten fest, dass sie nicht die ersten waren, die Bioschaumstoff aus Pilzen gewonnen hatten. In den USA wird dieser bereits produziert, allerdings wird dort das Myzel von Hand in den Nährboden eingeimpft. Die Basler verstanden, dass der Prozess vollautomatisiert ablaufen muss, wenn Bioschaumstoff bei Preis und Menge mit Styropor mithalten soll. Und nur dann wird er für die Industrie tatsächlich zur attraktiven Alternative. Ein weiteres Hindernis auf dem Weg zur Massentauglichkeit liegt in der Natur der Sache: Bio-basiertes Material ist vom Ursprungsprodukt abhängig: Für Maisschaumstoff brauchts Mais, für Algenfolie Algen. «In der Produktion von Rohstoffen abhängig sein heisst, dass man Angebots- und Preisschwankungen ausgeliefert ist», erklärt Schiller.
Mycrobez ist diesbezüglich ein Coup gelungen: Sie haben einen Pilz gezüchtet, der seine Verdauungsenzyme flexibel an jeweilige Bioabfälle anpasst. Somit können Abfälle der Holzstiftproduktion, Dreschreste, Sägespäne oder Abfälle der Lebensmittelproduktion wie Bohnenstängel oder Kaffeehäutchen verwendet werden – das Endprodukt ist immer Pilzschaum. Momentan bezieht Mycrobez Rohstoff von grossen Unternehmen der hiesigen Lebensmittel- und Agrarindustrie.
Da auch der Bioschaumstoff diverse Eigenschaften annimmt, ist er industrieübergreifend vielfältig einsetzbar: als Lärm- oder Wärmedämmung in der Bauindustrie, denn anders als Styropor ist er nicht selbstbrennend. Oder in der Möbel- und Designindustrie. Oder in der Luxusindustrie als Schachtel für Uhren, Stifte oder Flakons. Mycrobez hat aber vor allem Anwendungen für die Verpackungsindustrie im Visier, da dort durch viel weniger anfallenden Plastikabfall laut Schiller am schnellsten eine nachhaltige Wirkung erreicht wird.
Aktuell finanzieren Partner das Start-up, private Investoren und Sponsoren, darunter der Migros-Pionierfonds. Die Jungfirma ist auf heute 17 Mitarbeitende angewachsen und verfügt über eigene Labors und Werkstätten. Sie ist perfekt im nach der Gründung definierten Fahrplan. Ziel ist nicht, ein produzierendes Unternehmen zu werden. Man will das Herstellungsverfahren an die jeweilige Anwendung und das Land angepasst zur Verfügung stellen, also Lizenzen verkaufen.
Für vielseitige Anwendungen in mehreren Industrien arbeitet das Start-up heute mit global agierenden Partnerunternehmen zusammen. 2025 soll der Nachweis für den weltweit ersten Naturschaumstoff, der es preislich mit Styropor aufnimmt, erbracht sein. Damit könnte Mycrobez tatsächlich den neuen, nachhaltigen Verpackungsstandard einläuten.
Weisst du, was in die Tonne darf? Mit unseren Tipps und Tricks wird Recycling nicht nur einfach, du sparst auch eine Menge Abfall ein.