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Raffael Wüthrich steht vor einem grossen Bauernhaus

Migros-Pionierfonds

Zukunftsgestalter

Raffael Wüthrich träumt von einer positiven Zukunft für alle. Jetzt will er wissen, welche Ideen in anderen Köpfen stecken. Dazu gründete er Monda Futura, unterstützt vom Migros-Pionierfonds.

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Nina Huber
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Florian Spring
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Raffael Wüthrich ist ein Weltverbesserer. Ihn als Utopisten abzutun, wäre jedoch falsch. Er setzt all seine Zeit und all sein Geld dafür ein, dass seine Träume einer erstrebenswerten Welt wahr werden. Ein Beispiel ist das grosse Bauernhaus in einem Berner Vorort, wo er wohnt. Er sitzt an einem langen Tisch mit 31 Stühlen und erzählt, wie sie gemeinsam mit Freunden und 60 Wohnbaugenossenschafterinnen das Haus gekauft haben. Hier lebt er mit seiner Frau, den beiden Töchtern (acht Jahre und ein halbes Jahr alt) und insgesamt 21 Erwachsenen und zehn Kindern. Der jüngste Bewohner ist nur wenige Wochen alt, die älteste Bewohnerin fast 70.

Den ehemaligen Stall haben sie zu kleinen Wohneinheiten umgebaut, in denen sich die Bewohnerinnen zurückziehen können. Das Herzstück des Hauses ist der Gemeinschaftsraum mit einer Gastro-Küche und einem langen Tisch. «Wir haben die Küchen in den Wohnungen bewusst schlicht gehalten, damit es attraktiver wird, im Gemeinschaftsraum zu essen», erklärt Wüthrich. Gekocht und abgewaschen wird nach einem rotierenden Plan, organisiert über eine App.


Andere zum Träumen bringen

Beruflich widmet der 39-jährige Berner sein Wirken der Vision, dass die Zukunft lebenswerter sein muss als die Gegenwart. Fast zehn Jahre lang arbeitete er beim Konsumentenschutz und engagierte sich für verschiedene Volksinitiativen. Er gründete ein Repair Café in Bern mit, in dem defekte Geräte kostenlos repariert werden – mittlerweile gibt es über 200 solcher Cafés in der Schweiz. Auch die Leihbar in Bern, wo man Dinge wie Bohrmaschinen oder Zelte ausleihen kann, geht auf seine Initiative zurück.

Vor zwei Jahren, als er ein Jobangebot bei einem grossen Schweizer Medienhaus erhielt, erzählte er einem Unternehmer von seiner neusten Idee: Monda Futura. «Wie viel brauchst du?», fragte dieser und ermöglichte den Start des Projekts.

Später wurde der Migros-Pionierfonds darauf aufmerksam. Dieser Förderfonds der Migros-Gruppe unterstützt Projekte, die die Lebensqualität in der Schweiz für alle sichern wollen. Dank der Förderung kann Monda Futura eine aufwendige Umfrage mit 1000 Personen aus allen Landesteilen durchführen. «Wir möchten herausfinden, wo der gemeinsame Nenner für eine lebenswerte Zukunft in der Schweiz liegt», sagt Wüthrich. Die Befragungen finden in Workshops statt, da nur wenige spontan sagen können, wie sie sich eine lebenswerte Zukunft vorstellen. «Wir nehmen uns in den Veranstaltungen einige Zeit, bis die Teilnehmenden ins Träumen kommen», erklärt er.


Den Ist-Zustand hinterfragen

Wüthrichs Antrieb für dieses Engagement entspringt einer persönlichen Krise. Nach seinem Studium in Kommunikation und Journalismus hatte er einen gut bezahlten Job mit Firmenwagen und Zweitwohnung in Zürich. «Ich habe viel gearbeitet. Aber um mich überhaupt noch zu spüren, habe ich am Wochenende umso härter Party gemacht», sagt er. Er wurde je länger je unglücklicher. Bis er kündigte. Acht Monate lang wälzte er die grossen Fragen: Wieso arbeiten wir trotz technologischer Fortschritte alle so viel? Warum sind ausgerechnet in den wohlhabenden Industrieländern die Burnouts und Suizidraten am höchsten? «Ich wurde ein sehr kritischer Erdenbürger», meint er. Daraus reifte die Überzeugung, dass eine lebenswerte Zukunft für alle möglich ist – aber nur, wenn man sie gemeinsam angeht.

Wir möchten herausfinden, wo der gemeinsame Nenner für eine lebenswerte Zukunft in der Schweiz liegt.

Raffael Wüthrich, Gründer von Monda Futura

Bis November laufen die Befragungen von Monda Futura. Im Frühling 2026 folgt der nächste Schritt: Die aus den Auswertungen entwickelten Szenarien sollen zur Abstimmung kommen, um jene Visionen zu ermitteln, die am meisten Begeisterung und am wenigsten Widerstand hervorrufen. Mit diesem «Zukunfts-Konsens der Schweiz» wollen Wüthrich und sein inzwischen vierköpfiges Team mit Unternehmen, Gemeinden und Organisationen konkrete Projekte umsetzen. Bereits jetzt arbeitet Monda Futura mit Organisationen wie der Berner Quartierkommission Länggasse-Engehalbinsel oder dem Projekt zukunft.bahnhof in Lichtensteig.


Neue Wege gehen

Wüthrich steht auf und tritt in den grossen Garten mit Spielplatz, lauschigem Grillplatz, Obstbäumen, Blumen- und Gemüsebeeten und einem Gewächshaus mit 30 Tomatensorten. Während er ein paar Brombeeren pflückt, sagt er: «Man muss neben dem Pfad wandeln, um auf Neues zu stossen.» Bei ihm klingt es nicht nach Plattitüde – der Mann hat die Gabe, andere mit seinen Überzeugungen mitzureissen.

Er greift zu einem Topf mit einer selbst gezogenen Staude weisser Johannisbeeren und schenkt sie dem anwesenden Fotografen für dessen Garten. «Die Menschen sind fähig, Abscheuliches oder Wunderschönes zu bewirken. Die Frage ist, was wir als Gesellschaft wollen und welche Rahmenbedingungen wir dafür schaffen», sagt er. Persönlich hat er sein kleines Paradies gefunden, das er gern mit anderen pflegt und teilt. Für ihn ist klar: «Wenn wir die gemeinsamen Gesellschaftsvisionen kennen und daraus konkrete Projekte ableiten, können wir eine lebenswerte Zukunft für alle realisieren.»

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